Der parteilose Außenseiter Calin Georgescu hatte bei der jetzt annullierten ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien überraschend viel Zuspruch erhalten – wohl auch mit Hilfe russischer Einflussnahme in den sozialen Medien. Doch trotz der Mithilfe Moskaus: Untypisch für Osteuropa ist sein gutes Abschneiden nicht. Viele sehen in Osteuropa einen Rechtsruck.
Experte: Nationalkonservative Parteien "seit Jahrzehnten etabliert"
Ernst Hillebrand, Leiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest, sieht das ähnlich. Ein Ruck sei es zwar nicht, sondern eher eine Entwicklung. Denn die nationalkonservativen Parteien seien schon seit mehreren Jahrzehnten in Mittelosteuropa etabliert. In einigen Fällen, wie bei der PiS-Partei in Polen und der Fidesz in Ungarn, handele es sich inzwischen um fest verankerte Volksparteien.
Rechte Parteien in Osteuropa keine Außenseiter
Zentrales Thema dieser rechtspopulistischen Parteien ist die Frage der nationalen Souveränität. Die Mehrheit der osteuropäischen Länder war jahrhundertelang ohne eigene Staatlichkeit. Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlangten sie die Unabhängigkeit. Auch das, sagen Beobachter, sei ein Grund für das ausgeprägte Nationalbewusstsein, gerade bei Konservativen und Rechten. So erkläre sich auch die viel stärker als im Westen verbreitete Wahrnehmung, die EU bedrohe nationale Interessen.
Kein osteuropäisches Phänomen
Wie viele andere Länder kämpft auch Rumänien mit Korruption und Missmanagement. Viele Menschen sind wütend auf die etablierte Politik, was den Erfolg der alten und neuen Rechts-Parteien befeuert. Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht allerdings auch einen breiteren Trend: "Es gibt eine beachtliche Unterstützung in vielen Ländern in Ostmittel- und Südosteuropa für solche populistischen Parteien. Andererseits sehen wir in Frankreich, Italien und den Niederlanden ebenfalls Potenziale von 30, 35 bis 40 Prozent, und in den USA hat Donald Trump gewonnen."
Der Zuspruch für Georgescu in Rumänien kam für politische Beobachter überraschend. Es gibt zwar seit Jahren Erfolge für nationalistische Parteien in Rumänien. Aber dieses Ergebnis habe eine eigene Qualität und passe nur begrenzt in diesen klassischen Mainstream der nationalkonservativen Parteien, so Ernst Hillebrand von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Moment ist unklar, wie groß der Anteil der russischen Einflussnahme an Georgescus Ergebnis war.
Russische Cyberattacken und Einflussnahme
TikTok spielt eine elementare Rolle für Georgescus Erfolg. Seine Videos wurden dort regelmäßig hunderttausendfach aufgerufen. Am Freitag wurde bekannt, dass der rumänische Geheimdienst tausende, vor der Wahl inaktive Accounts, entdeckt hatte, die alle dazu aufriefen, ihn zu wählen. Auch verdächtige Zahlungen von IT-Firmen wurden mit seinem Tiktok-Account in Verbindung gebracht.
Rumänische Gerichte vermuten dahinter Russland und erklärten am Freitag das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen für ungültig. Es soll außerdem zu massenhaften Cyberattacken auf staatliche Stellen gekommen sein.
Keine Einheit im rechten Lager
Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt: Russlands Strategie sei es, mit Desinformation und Propaganda über Websites und Social Media Verunsicherung und Misstrauen gegenüber etablierten Medien zu schüren.
Diese Desinformation und gezielte Verunsicherung nutzt Russland auch bei der Ukrainehilfe. Putin versuche so, die EU-Mitgliedsländer zu spalten. Hilfe dabei habe er bereits: Der ungarische Präsident Viktor Orbán verwässert immer wieder die Unterstützungspakete der EU. Droht mit Rumänien unter einem Präsident Georgescu eine prorussische Allianz?
Ernst Hillebrand von der Friedrich-Ebert-Stiftung glaubt das nicht. Seiner Ansicht nach unterscheiden sich die nationalkonservativen Kräfte stark. Orbán und Fico in der Slowakei stünden mit ihrer Politik im Gegensatz zur Haltung der PiS in Polen, die einen ausgeprägt antirussischen Tonfall habe. Und das, meint Hillebrand, spalte diese Bewegung – die aber auch viele Gemeinsamkeiten hat: die Kritik an der EU und am liberalen Westen und den Wunsch nach einem autoritären Staat.
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