"Mein Weg ist der Koran, der mein Schwert ist, es ist derselbe Weg, den die Propheten gegangen sind, es ist der Weg der Märtyrer." Diese militante Botschaft verbreitete ein in Spanien verurteilter Mann in einem Propagandavideo. Immer wieder hat er solche Videos unter dem Pseudonym Ismail in sozialen Netzwerken geteilt.
Ende Mai verhängte der Nationale Gerichtshof in Madrid unter anderem wegen "Radikalisierung" eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren gegen den 38-Jährigen – plus fünf Jahre auf Bewährung. Ismail ist staatenlos und Teil des Nomadenvolks Sahrawi.
Um Ismail herum entstand ein Online-Netzwerk, in dem es auch um den Kampf des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Afrika geht.
Beispiel Westsahara: Spanien hatte sich Mitte der 70er Jahre aus der Region zurückgezogen. Das führte zum Kampf um Gebiete zwischen Marokko und den Sahrawis. Die Folge: riesige Flüchtlingslager in Algerien.
Experte warnt vor Anschlägen
Terrorgruppen wie der IS und al-Qaida haben in diesen Lagern leichtes Spiel. Davor warnt Hans-Jakob Schindler, Seniordirektor der internationalen gemeinnützigen Organisation "Counter Extremism Project". Diese beobachtet und bewertet die Propaganda islamistischer Terrorgruppen in Afrika. Ein Erstarken, so Schindler, werde dazu führen, "dass diese Gruppierungen sich eben nicht ausschließlich darauf konzentrieren, Kontrolle über Gebiete in der Region zu erlangen, sondern sie sind alle noch Teil dieser globalen Strategie, die heißt Angriffe auf den Westen sind prioritär".
Viele verbinden den IS in erster Linie mit Ländern wie Syrien oder Irak. Doch Experten wie Schindler sagen, dass sich Afrika immer mehr zum Hotspot des islamistischen Terrorismus entwickelt - und von dort zu Anschlägen aufgerufen werden könnte: "Es ist weiterhin möglich, aus den Konfliktregionen Leute in Europa zu instrumentalisieren, zu radikalisieren und sie dann möglicherweise sogar zu Anschlägen zu motivieren."
Ehemalige Geheimdienstler verfolgen Netzwerk
Das Online-Netzwerk rund um Ismail bewarb den Dschihad, den globalen Kampf des IS. Der Propagandist verherrlichte den Märtyrertod. "Ich informiere meine Freunde, dass ich gehe, ich verlasse das Schönste im Leben", schrieb er einmal.
Analysiert haben das Netzwerk die spanischen Behörden und eine Organisation ehemaliger Geheimdienstler. Letztere wertet im Bereich der Terrorbekämpfung Online-Spuren für Behörden in der EU aus und möchte namentlich nicht genannt werden. Laut dieser Organisation existiert Ismails Netzwerk nach wie vor.
IS-Anhänger tauschen sich aus. Spuren führen nach Syrien, Spanien und in Flüchtlingscamps des Nomadenvolks Sahrawi, in Algerien. Wie die Organisation ehemaliger Geheimdienstler BR24 auf Anfrage mitteilt, seien die meisten der Facebook-Konten nicht öffentlich: "Die Kommunikation ist dort sehr beschränkt. Das deutet darauf hin, dass sie ihre Facebook Konten nur dazu verwenden, um Verbindungen untereinander herzustellen. Dann wechseln sie zum Messengerdienst Telegram oder anderen Kommunikationsmitteln."
Verbindungen nach Deutschland
Während des Prozesses gegen Ismail stellte sich heraus, dass er auch eine deutsche Telefonnummer nutzte, um seine Identität zu verschleiern. Zudem kam einer seiner Facebook-Kontakte aus Deutschland. Unklar bleibt, ob die deutschen Behörden dem Kontakt nachgehen.
Fest steht: Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet, dass Afrika eine zentrale Rolle bei der Propaganda spielt. "Der IS erklärte in seinem Onlinemagazin `al-Naba´ vom 16. Juni 2022 Afrika zu einem Gebiet der Auswanderung und des Dschihad", heißt es etwa im kürzlich veröffentlichen Jahresbericht der Behörde. Dazu zählen neben dem Norden auch Regionen in West-, Ost- oder Zentralafrika. Auf einer Internetseite können sich deutschsprachige Dschihadisten regelmäßig in Form eines Newsletters über den Kampf des IS informieren.
"Die aktuellen Ausgaben des wöchentlich erscheinenden IS-Newsletters al-Naba, beinhalten mehrheitlich Meldungen und Kampfberichte aus den IS-Verwaltungsprovinzen (arab.: "wilayat") auf dem afrikanischen Kontinent", teilt der Bayerische Verfassungsschutz auf Anfrage mit.
"Allein durch Allahs Erfolg attackierten vorgestern die Soldaten (…) die ungläubigen Christen mit Waffen verschiedenen Kalibers. Dies führte zur Tötung eines Christen", schreiben die Islamisten in einem Newsletter-Eintrag vom 1. Juli über einen Erfolg in Zentralafrika.
Islamisten in Afrika: Sympathisanten auch in Bayern
Dschihadisten weltweit fühlen sich miteinander verbunden. BR-Recherchen zeigen: Auch deutsche Kämpfer in Syrien verherrlichen den Kampf in Afrika und posten etwa im Messengerdienst Telegram Videos.
Bekannt sind Gruppen wie der "Islamische Staat in der Größeren Sahara" (ISGS), "al-Shabab" in Somalia oder "Boko Haram" in Nigeria. Laut Verfassungsschutz im Freistaat halten sich Sympathisanten der al-Shabab und Boko Haram auch in Bayern auf. Die Verfassungsschützer zählen auf Anfrage von BR24 eine "eine untere zweistellige Zahl".
Die Facebook-Seite des Terrorpropagandisten wurde spät gelöscht
Lässt sich der Siegeszug der Islamisten in Afrika noch aufhalten? Experten wie Schindler vom "Counter Extremism Project" sehen in der Armutsbekämpfung vor Ort einen Schlüssel, um den Einfluss von IS und Co. einzudämmen. "Immer dort, wo Regierungen schwach sind, wo ökonomische Not herrscht, wo Ungleichheit herrscht, ist das natürlich ein Rekrutierungpotenzial für terroristische Gruppierungen", sagt der Seniordirektor des "Counter Extremism Project".
Auch der Psychologe Ahmad Mansour hat immer wieder Kontakt mit Flüchtlingen. Seine Aufgabe ist es, in Bayern im Auftrags des Freistaats, zu verhindern, dass sich Menschen radikalisieren. So organisiert er unterschiedliche Workshops. Er geht an Schulen und in Gefängnisse.
Mansour weiß, dass diese Menschen ihre Biografie immer mit sich tragen. "Es gibt Nährboden aufgrund der Instabilität, aufgrund von Armut und aufgrund des Islamverständnisses, das da praktiziert wird, das immer wieder dazu führt, dass einzelne Personen sich radikalisieren", sagt Mansour.
Der in Spanien verurteilte Ismail nutzte Bilder aus nordafrikanischen Flüchtlingslagern für seine Propaganda. Am Ende hat er das Urteil akzeptiert. Sein Anwalt hat auf BR-Anfrage nicht geantwortet. Seit kurzem ist seine Facebook Account nicht mehr zugänglich. Das Netzwerk um ihn herum ist nach wie vor online.
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