- Direkt zum aktuellen Artikel: Küstenwache: U-Boot durch Implosion zerstört - Insassen sind tot
26.000 Quadratkilometer, eine Fläche so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, suchen Einsatzkräfte im Nordatlantik ab - in der Hoffnung, das verschwundene Tauchboot "Titan" zu finden, das auf dem Weg zum berühmten Wrack der "Titanic" war. Die Zeit drängt, weil der Sauerstoff an Bord knapp wird.
Sauerstoff an Bord der "Titan" schwindet
Den fünf Menschen an Bord geht langsam der Sauerstoff aus: Er dürfte mit Stand von Donnerstagfrüh nur noch für wenige Stunden reichen, falls die "Titan" überhaupt weiter intakt ist. Die Rettungstrupps unter Führung der US-Küstenwache verstärkten ihre Anstrengungen am Mittwoch (Ortszeit) erneut und konzentrierten sich auf ein Gebiet, aus dem zuvor Geräusche aufgenommen wurden.
Klopfgeräusche lassen sich nicht zuordnen
Die Laute, die am Dienstagabend und am Mittwochmorgen registriert wurden, hatten Hoffnungen geschürt, das Tauchboot mit den Insassen zu finden. Die Geräusche sollen einem internen Memo der US-Regierung zufolge in regelmäßigen Abständen aufgetaucht sein - doch sie ließen sich laut Such-Koordinator Jamie Frederick zunächst keinen Menschen zuordnen: "Wir wissen nicht, was das ist."
Die Töne, die als Klopfen interpretiert wurden, könnten einem US-Experten zufolge viele Ursachen haben. "Aus meiner Erfahrung mit der Akustik kann ich Ihnen sagen, dass es Geräusche von biologischen Stoffen gibt, die für das ungeübte Ohr von Menschen gemacht klingen", sagte Carl Hartsfield vom Oceanographic Systems Laboratory. Auch könnten sie von Schiffen in dem Suchgebiet stammten.
Laut David Marquet, einem pensionierten Kapitän der US-Marine, sind die Aufzeichnungen aber zumindest ein Grund zur Hoffnung. Regelmäßiges Klopfen sei genau die Art von Lauten, die die Insassen machen würden, um zu signalisieren, dass sie noch leben, sagte er der BBC. Bereits am Dienstag hatten Suchteams alle 30 Minuten eine Art Klopfgeräusche in der Region registriert, in dem das Tauchboot vermutet werde, berichtete die US-Küstenwache.
Die US-Marine entsandte ein spezielles Bergungssystem, das schwere Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe aus dem Meer an die Wasseroberfläche bringen kann. Das Flyaway Deep Ocean Salvage System könne bis zu 27.000 Kilogramm nach oben ziehen, hieß es auf der Website der Marine. Die "Titan" wiegt gut 9.000 Kilogramm.
Tauchboot mit fünf Menschen seit Sonntag verschollen
In der Nähe des "Titanic"-Wracks etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß. Die Lokalisierung des Bootes ist sehr schwierig, wie Mike Welham, Spezialist für Marineeinsätze, im britischen Fernsehen zu Protokoll gab: "Das ist, als würde jemand ein 50-Pence-Stück auf ein Fußballfeld legen und versuchen, es zu finden".
Das Gefährt war auf dem Weg zum Wrack der "Titanic" und wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag reichen. Auch die Energiereserven sind begrenzt. Immerhin seien Kapitän Rush und der Forscher Nargeolet "hochprofessionelle Leute" und hätten sicher vom ersten Tag an Energie gespart: So schätzt Oisin Fanning, ein ehemaliger Mitreisender der beiden, die Lage ein. "Es würde mich also nicht wundern, wenn die Aktion viel länger andauern würde."
An Bord sind fünf Menschen: der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet (77), der britische Abenteurer Hamish Harding (58) sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Kapitän war der Chef der Betreiberfirma, Stockton Rush (61).
Einig sind sich die meisten Experten, dass die Titan wohl nicht mehr aus eigener Kraft vom Meeresboden aufsteigen kann. Wie schwierig die Bergung wäre und mit welcher Art Schiff sie bewerkstelligt werden könnte - darüber gehen die Meinungen auseinander.
Oceangate - ein Luxusreiseveranstalter für Abenteuerlustige
Die Fahrt der "Titan" dient keinen wissenschaftlichen Zwecken, sondern ist eine "Abenteuerfahrt" der Firma Oceangate für zahlungskräftige Kunden. Die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro). Der Tauchgang selbst dauert nur wenige Stunden.
Wissenschaftler: "Das ist keine Fahrt ins Disneyland"
Der US-Physiker Michael Guillen übte im britischen Fernsehen Kritik an dem in den vergangenen Jahren zunehmenden "Titanic"-Tourismus. "Das ist keine Fahrt in Disneyland. Das ist Mutter Natur. Das Meer ist gnadenlos", sagte Guillen im Sender Sky News. Er war im Jahr 2000 an einer Forschungsexpedition zur "Titanic" beteiligt - und kam selbst nur knapp mit dem Leben davon: Am Heck sei sein Tauchboot in eine tückische Unterwasserströmung geraten, die es in die riesigen Propeller der "Titanic" gerammt habe.
"Alles wird für Touristen zugänglich gemacht, und ich fürchte, wenn es um Geld geht und man mit Nervenkitzelsuchenden da draußen Gewinn machen kann, die bereit sind, das Geld zu zahlen, ist das ein Rezept für eine Katastrophe."
Benannt ist die "Titan" übrigens wie die "Titanic" nach Riesen der griechischen Mythologie - kraftstrotzende Gestalten, die dennoch im Kampf gegen die Götter des Olymp unterlagen und in die Tiefen der Unterwelt verbannt wurden.
"Titan"-Technik unausgereift?
Die 6,70 Meter kleine und 10,4 Tonnen schwere "Titan" bietet Platz für fünf Personen und ist ein sehr einfaches Gefährt - kein U-Boot, sondern ein Tauchboot, weil es nicht aus eigener Kraft in Häfen ein- und ausfährt, sondern von seinem großen Begleitschiff zu dem Ort gebracht werden musste, wo die Titanic liegt.
Einem Artikel der "New York Times" zufolge hatten Führungskräfte der Tauchboot-Industrie schon vor Jahren Sorgen bezüglich der Sicherheit der "Titan". "Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von Oceangate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)", schrieben sie in einem auf 2018 datierten Brief, den die Zeitung veröffentlichte. Darin wird Oceangate irreführendes Marketing vorgeworfen. Chef Stockton Rush wurde damals dazu aufgerufen, die "Titan" von einer unabhängigen Partei testen zu lassen.
Reporter: Man steuert das Boot mit einem Gamecontroller
Das passt zum Eindruck von Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte. Er sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. Man steuert dieses U-Boot mit einem Gamecontroller, sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, "gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel", sagte er. Ähnlich äußerte sich der Niederbayer Arthur Loibl, der die Expedition in diesem Tauchboot vor zwei Jahren unternommen hatte. Im BR-Interview sprach er rückblickend von einem "Himmelfahrtskommando".
Ex-Fregattenkapitän: "Eiserner Sarg"
Auch der erfahrene U-Boot-Fahrer Jürgen Weber sprach von einem riskanten Gefährt. "Das Tauchboot ist nicht klassifiziert, das heißt, es unterliegt keinem Schiffs-TÜV wie in Deutschland und ist nur von außen zu öffnen", sagte der Geschäftsführer vom Verband Deutscher Ubootfahrer (VDU). Weber sprach von einem "eisernen Sarg". Grundsätzlich könne er die "Faszination Tiefe" für Laien schon verstehen. "Aber man sollte sich der Gefahren bewusst sein, die immer lauern", betonte Weber. Er wäre nicht mit der "Titan" mitgefahren. Die Suche nach dem Tauchboot sei äußerst schwierig. Er fürchte, dass die Chancen, die "Titan" rechtzeitig zu finden, nur sehr gering seien, so der Fregattenkapitän a.D.
Mit Informationen von AFP, AP und dpa
Im Video: CBS-Beitrag zur "Titanic"-Expedition mit Ocean Gate
💡 So funktioniert die Ortung mit Sonobojen
Sonobojen sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Suche unter Wasser. Die Geräte werden von einem Flugzeug abgeworfen und sinken auf die erforderliche Tiefe. Ein Oberflächenschwimmer mit einem Funksender sichert die Kommunikation zwischen Sonar und Flugzeug. Die Sonargeräte senden Schallenergie aus – als "Ping" bezeichnet – und warten dann auf das zurückkehrende Echo eines Unterwasserobjekts. Sobald das Gerät das Echo auffängt, überträgt es die Informationen zurück zur Oberflächenboje und dann weiter zum Flugzeug. Vom Militär werden Sonobojen zum Abhören eingesetzt, beispielsweise von Geräuschen feindlicher U-Boote.
Im Video: Die Suche nach dem Mini-U-Boot
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