US-Präsident Donald Trump hat bei seiner Vereidigungsrede einmal mehr seine geopolitischen Ambitionen klargemacht: Den Panamakanal will er "zurückholen", und das Territorium der USA ausweiten. Im Vorfeld hatte Trump Interesse an Grönland verkündet und nicht ausgeschlossen, dabei mit Militärgewalt vorzugehen – die zu Dänemark gehörende Insel sei entscheidend für die "nationale Sicherheit" der USA.
Grönland-Aussage "katastrophal"
Diese Formulierung sei ein "katastrophaler Fehler", sagt Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik an der Universität zu Köln, im Interview mit BR24. "Wenn Trump sagt, Grönland brauchen wir für unsere nationale Sicherheit, deshalb muss es zu den Vereinigten Staaten gehören, ist das dasselbe Argument, das Putin macht: die Ukraine brauchen wir für unsere nationale Sicherheit, es muss zu Russland gehören". Somit würde der russischen Propaganda-Rhetorik Vorschub geleistet und das Prinzip souveräner Grenzen aufgeweicht.
Sollten die USA versuchen, dänisches Territorium einzunehmen, stünde die Nato "vor einem immensen Problem", sagt Jäger. "Die Nato hält aus, wenn sich Griechenland und die Türkei gegenseitig beharken. Aber die Nato hält nicht aus, wenn die Vereinigten Staaten gegen europäische Staaten vorgehen."
Expertin warnt vor Pokerspiel
Sind Trumps Aussagen noch Wahlkampf-Rhetorik oder schon ernstgemeinte Ankündigungen? Eine entscheidende Frage sei, inwieweit die USA stabile Beziehungen zu Europa priorisierten, sagt die Politik-Expertin Liana Fix vom Council on Foreign Relations zu BR24. Fix zufolge werde Trump nicht zulassen, dass Europa unter russisch-chinesischen Einfluss fällt. "Trump versteht den geopolitischen Wert Europas. Aber er hat das Gefühl, dass die Europäer mehr dafür machen könnten, um sich selbst zu verteidigen", so die Politikwissenschaftlerin. Es sei davon auszugehen, dass die USA unter Trump auf einer Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben bestehen werden.
Dabei sei es für die Europäer keine Option, China und die USA gegeneinander auszuspielen, sagt Fix. "Es ist eine Illusion und ein sehr riskantes Spiel zu hoffen, dass man nicht selbst in die eigene Verteidigung und die Ukraine investieren muss, weil Donald Trump am Ende doch zu Hilfe kommen müsse. So ein Pokerspiel wäre ein makabres Spiel mit der Sicherheit der eigenen Bürger und wird nicht funktionieren, weil sich die Trump-Administration nicht erpressen lassen wird."
Im Video: Schenkt Trump jetzt Putin die Ukraine – und dann den Rest Europas? Possoch klärt!
"Trump will den Friedensnobelpreis"
Laut Thomas Jäger hat Trump ein eindeutiges Ziel: Er "will den Friedensnobelpreis", ist sich der Experte sicher. Trump messe sich mit Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Barack Obama und wolle deswegen als Friedensstifter gelten. Beobachter fürchten, dass Trump dafür einen voreiligen Deal mit Russland eingehen könnte, der die Ukraine wehrlos gegen zukünftige Angriffe lassen würde.
Trotzdem blickt man in der Ukraine mit Hoffnungen auf die Trump-Präsidentschaft. Laut einer Umfrage sagen knapp 45 Prozent der Ukrainer, dass sie Donald Trump vertrauen, ein Höchstwert im europäischen Vergleich. Dem ukrainischen Journalisten Denis Trubetskoy zufolge habe das zwei Gründe: Zum einen würden die Ukrainer generell zu Optimismus und überhöhten Erwartungen neigen. Zum anderen sei den Leuten klar, dass die bisherige Strategie Joe Bidens keine Lösung gebracht habe. "Deswegen möchte man eine neue Hoffnung finden, dass durch Trump eine neue Dynamik entsteht und der Krieg vielleicht doch schneller zu Ende geht", sagt Trubetskoy, der in der ukrainischen Hauptstadt Kiew lebt.
Die große Frage: Was, wenn Trump scheitert?
Jäger und Trubetskoy gehen davon aus, dass es zu einem Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin kommen werde. Allerdings sei eine Einigung der beiden Machthaber unwahrscheinlich. "Russland sieht sich in diesem langen Zermürbungskrieg aktuell auf der Gewinnerseite", sagt Denis Trubetskoy. Für Putin sei nur eine demilitarisierte Ukraine akzeptabel, und aktuell sehe dieser keinen Grund, davon abzulassen.
Die Schlüsselfrage sei: Wie reagiert Trump, wenn er merkt, dass er in der Ukraine-Frage nicht weiterkommt? Lässt er Kiew dann fallen – oder unterstützt er die Ukraine dafür umso mehr, um Putin gegenüber Stärke zu zeigen? Trubetskoy sieht die Gefahr, dass Trump das Interesse an der Ukraine verlieren könnte. Jäger ist dagegen zuversichtlicher: "Trump will nicht als der schwache Präsident in der Geschichte stehen, der die Ukraine verloren hat."
Europa stehe jedenfalls vor der Aufgabe, stärker in die eigene militärische und auch technologisch-wirtschaftliche Souveränität zu investieren. Ansonsten bleibe man abhängig von Großmächten, von denen es in Zukunft nur noch zwei gebe: Die USA und China.
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