"Assistierte Sterbehilfe findet seit Jahren in einer Grauzone statt", beklagt die Grünen-Abgeordnete Renate Künast bei der Vorstellung eines gemeinsamen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfs. Der Antrag, den sie gemeinsam mit Vertretern von SPD, FDP und Linken präsentierte, sei geprägt von der Idee, dass Sterbehilfe nicht strafrechtlich verfolgt werden dürfe: "Eine solche Regelung gehört nicht ins Strafgesetzbuch." Ziel sei es, "Leitplanken" für den Weg zur Selbsttötung aufzustellen. Auch die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr betonte, dass die Sterbehilfe in Deutschland Menschlichkeit statt Verbote brauche. Betroffene dürften nicht allein gelassen werden. "Menschen sollen nicht aus Verzweiflung auf unnötig risikoreiche und schmerzhafte Methoden zur Selbsttötung zurückgreifen müssen, wenn es doch Medikamente gibt, die eine humanere Möglichkeit bieten", sagte Katrin Helling-Plahr.
Sterbewillige müssen sich beraten lassen
Vorgesehen ist, dass nur Menschen Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung bekommen, die volljährig sind und auch eine Beratung bei einem Arzt oder einer fachlich qualifizierten Stelle in Anspruch genommen haben. Der Wunsch, das eigene Leben zu beenden, wird von geschulten Ärzten geprüft und es sollen auch Alternativen zur Selbsttötung angesprochen werden. Die Verschreibung von Medikamenten soll dann frühestens drei Wochen nach der Beratung - und maximal zwölf Wochen danach - möglich sein. Die Einrichtung von Beratungsstellen in ganz Deutschland für die vorgeschlagene gesetzliche Regelung zur Suizidbeihilfe würde die Zustimmung des Bundesrats nötig machen, sagte der Grünen-Abgeordnete Till Steffen bei der Vorstellung des Entwurfs. Ausnahmen von der Beratungspflicht soll es für Härtefälle geben, bei denen ein Suizidwilliger nicht mehr in der Lage ist, ein solches Angebot wahrzunehmen. In diesem Fall ist die Einschätzung von mindestens zwei Ärzten ausschlaggebend. Die Möglichkeit, den eigenen Sterbewillen mithilfe einer Patientenverfügung zu dokumentieren, sei nicht ausreichend, stellten Künast und Helling-Plahr fest.
Zwei Entwürfe zu Sterbehilfe stehen sich gegenüber
Der Kompromissentwurf der beiden Abgeordnetengruppen steht im Gegensatz zum eher restriktiveren Entwurf einer anderen fraktionsübergreifenden Initiative rund um den SPD-Abgeordneten Lars Castellucci. Der sieht vor, assistierte Suizide grundsätzlich unter Strafe zu stellen. Sterbehilfe darf nur unter strengen Voraussetzungen in Anspruch genommen werden, etwa nach zwei Untersuchungen durch psychiatrische Fachärzte und einem Beratungsgespräch.
Seit Jahren ringen die Abgeordneten darum, wie die Sterbehilfe in Deutschland künftig geregelt werden soll. Das Verfassungsgericht hatte schon 2020 das Verbot sogenannter geschäftsmäßiger Sterbehilfe aufgehoben, weil es das Recht auf selbstbestimmtes Sterben verletze. In der Folge entstanden drei unterschiedliche, fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe. Die beiden eher liberalen Anträge unter Federführung der Grünen-Abgeordneten Renate Künast und der FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr sind jetzt zu einem Entwurf verwoben worden, auch mit dem Ziel, die Chancen zu erhöhen, bei der Abstimmung im Bundestag eine Mehrheit zu bekommen.
Der Bundestag soll noch vor der Sommerpause abstimmen
Katrin Helling-Plahr ist zuversichtlich, dass es am Ende grünes Licht des Parlaments für ihre Vorlage gibt. "Wir sind gut aufgestellt und haben viel Unterstützung." Auch der SPD-Abgeordnete Helge Lindh ist sicher, dass eine Mehrheit zustande kommt. Alle Umfragen der Bevölkerung zeigen, so Lindh, dass die Menschen beim Thema Sterbehilfe keine restriktive Regelung wollen, sondern größtmögliche Entscheidungsfreiheit in einem rechtlich sicheren Rahmen.
Die Abstimmung findet voraussichtlich in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause statt. Wenn alles glatt läuft, müsste das zustimmungspflichtige Gesetz dann noch in den Bundesrat. Frühestens im Herbst dürfte dann die Sterbehilfe in Deutschland gesetzlich geregelt sein, nach einem jahrelangen Diskussionsprozess.
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