Friedensnobelpreisträgerin und “Rappler”-Mitgründerin Maria Ressa auf der GlobalFact.
Bildrechte: Foto: Vanja Čerimagić

Friedensnobelpreisträgerin und “Rappler”-Mitgründerin Maria Ressa auf der GlobalFact.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Ukraine, China, Georgien: Faktenchecker unter Druck

In vielen Ländern arbeiten Journalisten unter widrigen Bedingungen. Krieg, Unterdrückung und mangelnde Pressefreiheit betreffen auch viele Faktenchecker, als "erste Verteidigungslinie" gegen Lügen. Dem BR erzählen drei von ihnen ihre Geschichte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Gleich zu Beginn ihrer Rede wendet sich Maria Ressa an das Publikum. "In a world full of lies, you are the first line of defense", sagt die Friedensnobelpreisträgerin von 2021. "In einer Welt voller Lügen seid ihr die erste Verteidigungslinie."

Angesprochen sind die Faktenchecker aus aller Welt, die im Publikum sitzen. Sie treffen sich in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo zur "GlobalFact", dem internationalen Faktenchecker-Treffen des International Fact-Checking Networks (IFCN). Das IFCN ist ein internationaler Zusammenschluss von Faktencheckern unter dem Dach der gemeinnützigen US-Medienorganisation "Poynter". Auch der BR24 #Faktenfuchs, das Faktencheck-Format des Bayerischen Rundfunks, ist Teil des Netzwerks.

Maria Ressa wehrte sich gegen Regierung Duterte

"Die erste Verteidigungslinie": Maria Ressa weiß, wovon sie spricht. Sie hat 2012 auf den Philippinen das Nachrichtenportal "Rappler" gegründet. Nachdem das Portal fortlaufend kritische Artikel über die damalige Regierung von Präsident Duterte und den blutigen Antidrogenkrieg veröffentlicht hatte, zogen Behörden die Geschäftslizenz von "Rappler" zurück.

Ressa und "Rappler" wehrten sich gegen die Anschuldigungen, es folgten Anklagen wegen angeblicher Steuerhinterziehung und schließlich die Festnahme und Verurteilung von Ressa. Sie und "Rappler" stritten die Vorwürfe ab, Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Vorgehen der philippinischen Justiz als politisch motiviert. 2023 wurde Ressa in mehreren Fällen freigesprochen, ein weiterer Prozess läuft noch.

Viele der Faktenchecker auf der "GlobalFact"-Konferenz in Sarajevo kommen aus Ländern, in denen die Arbeitsbedingungen für Journalisten schwierig sind, sei es aufgrund von Krieg oder politischer Unterdrückung durch autoritäre Regierungen. Auch in einigen westlichen Ländern sind Faktenchecker das Ziel von Online-Hassrede und Verunglimpfungen. In vielen europäischen Ländern, wie Deutschland, sind die Arbeitsbedingungen für Journalisten aber vergleichsweise gut und sicher.

Fakten checken im Krieg: Stress und Stromausfälle in der Ukraine

Anders sieht es etwa in der Ukraine aus. Raketenalarm, Explosionen, Angst um das eigene Leben und um das von Freunden und Familie - all das ist für die Menschen dort Alltag, auch für Valeriia Stepaniuk. Sie arbeitet als Faktencheckerin bei "VoxUkraine" in Kiew. Die russischen Angriffe seit rund zweieinhalb Jahren und die Folgen belasten sie und ihre Kollegen, auch beruflich. "Mental sind die Faktenchecker in der Ukraine sehr erschöpft", erzählt Stepaniuk am Rande des "GlobalFact" dem BR.

Es sei hart, jeden Morgen den Laptop aufzuklappen und mit einer Welle an Desinformation konfrontiert zu sein, die auch noch direkt auf einen abziele, sagt die junge Ukrainerin. Die Inhalte stammten meist aus Russland und sollten die ukrainische Bevölkerung demoralisieren. Stepaniuk und ihre Kollegen recherchieren, ob die Inhalte wirklich stimmen und ob Fotos oder Videos wirklich das zeigen, was behauptet wird. Auch Bilder von Verletzten oder Toten gehören zum Tagesgeschäft.

"Ich war sehr empfindlich vor dem Krieg, was solche Bilder angeht, ich konnte nicht mal Blut sehen." Es belaste sie zwar, aber "das sind nun mal die Umstände, die wir haben, und jetzt kann ich mir solche Fotos anschauen". Bei "VoxUkraine" versuchen sie, Auszeiten ohne Social Media und Erholungstage zu organisieren, doch die Arbeitsbelastung sei insgesamt hoch.

Neben der psychischen Belastung müssen sich Stepaniuk und ihre Kollegen auch auf unerwartete Stromausfälle einstellen. Mit Powerbanks und Generatoren halten sie dann den Betrieb am Laufen.

Neues Gesetz in Georgien erschwert Situation für Faktenchecker

Während die Bedrohung in der Ukraine von außen kommt, kommt sie in Georgien von innen. Dort sei es nie einfach gewesen, als Faktenchecker zu arbeiten, erzählt Sandro Gigauri von der georgischen Faktencheck-Organisation "Myth Detector" dem BR. Ein neues Gesetz der Regierung gegen "ausländische Einflussnahme" erhöhe den Druck jedoch massiv. Organisationen, die zu einem bestimmten Anteil Geld aus dem Ausland erhalten, müssen sich nun als "ausländische Agenten" registrieren. Die EU hat den Beitrittsprozess für Georgien auch aufgrund dieses Gesetztes momentan angehalten.

"Dieses Label erhöht den Druck und schikaniert uns", sagt Gigauri. Es brandmarke die Arbeit der Zivilgesellschaft in Georgien. Vor kurzem erst wurden die Büroräume von "Myth Detector" in Tiflis beschmiert, die Mitarbeiter als Verräter und feindliche Agenten bezeichnet. "Myth Detector" kooperiert etwa mit Meta, checkt Fakten auf Facebook oder Instagram und bekommt dafür Geld von dem US-Konzern.

Viele Verunglimpfungen ähnelten in ihrer Wortwahl dem, wie die georgische Regierung über Faktenchecker redet, erzählt Sandro Gigauri. Die feindliche Stimmung könnte sich weiter zuspitzen, entscheidend für ihn und seine Kollegen dürfte der Ausgang der Wahlen Anfang Oktober sein. Im schlimmsten Fall, sagt Gigauri, "müssen wir nach Möglichkeiten schauen, wie etwa aus dem Ausland arbeiten, also ins Exil zu gehen".

Dann würde Sandro Gigauri das gleiche Schicksal ereilen wie viele Faktenchecker aus Russland oder Belarus – sie haben ihre Länder bereits verlassen und arbeiten von Europa aus.

China: Unterdrückung von unabhängigen Medien führt zu Selbstzensur

Wie es Faktencheckern in einem Land mit massiv eingeschränkter Pressefreiheit ergeht, weiß Wei Xing, Gründer von China FactCheck. Im Gespräch mit dem BR beschreibt er die Situation in China als sehr herausfordernd: "Wir haben hier eine sehr strenge Regulierung der Medien, des gesamten Informations-Ökosystems. Es ist ziemlich schwer, wenn man unabhängiges Factchecking macht."

Wei Xing arbeitet ehrenamtlich, wie alle seine Kollegen. Ein Unternehmen oder eine NGO zu gründen, Journalisten anzustellen und dann unabhängig zu publizieren, ist in China nicht möglich. Sie veröffentlichen auf einem Kanal des chinesischen Messengers "WeChat". Die massiv eingeschränkte Pressefreiheit spüren auch Xing und sein Team.

"Leider müssen wir uns selbst zensieren. Wir können die Themen unserer Faktenchecks nicht komplett frei wählen, wir müssen versuchen, bestimmte rote Linien der Regierung nicht zu überschreiten", sagt Xing. Man würde beim Faktenchecken ohnehin in Schwierigkeiten kommen, nur "große Schwierigkeiten" gelte es zu vermeiden, sagt Xing. "Sonst wirst du nicht überleben und gar keine Faktenchecks mehr machen."

Die chinesische Regierung investiere auch selbst viel in eigene, sogenannte Faktenchecks, erzählt Wei Xing. Sie wolle selbst entscheiden, was wahr ist und was falsch. Unabhängige Medien sind dabei unerwünscht.

Disclaimer: Der Autor ist Teil des BR24-#Faktenfuchs-Teams.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!