Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika: Donald Trump
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"Trump erwartet, dass wir hart verhandeln, sonst werden wir untergebuttert."

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USA und Europa: "Wer schwach ist, wird auch schwach behandelt"

USA und Europa: "Wer schwach ist, wird auch schwach behandelt"

Die Zukunft der Ukraine entscheidet sich gerade ohne Europa. Seit der Rede von Trump-Vize Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz ist klar: Den USA ist Europa egal. Wie können wir uns aus der Schockstarre lösen? Ein Expertengespräch.

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

"… dann kann Amerika nichts für Euch tun." Die Rede von US-Vizepräsident J. D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz wirkt immer noch nach. Europa traf sich hektisch zu einem Krisengespräch in Paris; Deutschland – so scheint es – ist vor der Bundestagswahl gelähmt. Wie können wir in der neuen Ordnung, in der die USA nicht mehr der unverbrüchliche Verbündete Europas sind, bestehen? Antworten gibt Nico Lange im BR24-Interview für "Possoch klärt". Lange ist Sicherheits- und Verteidigungsexperte und Senior Fellow bei der Zeitenwende-Initiative der Münchner Sicherheitskonferenz.

BR24: Nach dieser Rede von J. D. Vance: Müssen wir unsere Demokratie jetzt auch gegen die USA verteidigen?

Nico Lange: Das kommt immer ganz schnell als Reaktion, und wir müssten jetzt alle zusammenstehen und wir müssten uns verteidigen. Ich halte davon nicht viel. Wir müssen über unsere Interessen reden, über Außen- und Sicherheitspolitik und wie wir mit den USA gemeinsam arbeiten. Diese Art von Geräuschen, die helfen dabei nicht.

Die Amerikaner haben insofern einen Punkt, als es ja deutsche Politiker gab, die sogar gesagt haben, 'ich gehe nach Amerika und mache für Kamala Harris Kampagne'. Das passt nicht zusammen, wenn man sagt, dass wir Trump nicht wollen und dass wir Harris wollen, aber wenn bei uns jemand was sagt, dann regen wir uns künstlich auf. Wir müssen zurückfinden zur Außen- und Sicherheitspolitik. Aus meiner Sicht haben alle in München viel zu lange über diese Rede von Vance geredet.

Jammern hilft nichts

BR24: Trump hat mit Putin telefoniert, ohne Europa und jetzt verhandeln die USA mit Russland, ohne Europa. Hat uns Trump vor den Bus geworfen, wie es Kritiker und Schwarzmaler immer befürchtet haben?

Lange: Was die Trump-Administration möglicherweise tun könnte, war kein Geheimnis. Im Wesentlichen haben die deutschen Entscheidungsträger, aber auch viele der europäischen, abgewartet: 'Mal sehen, was da kommt, das wird schon nicht so schlimm'. Dabei gab es schon eine Trump-Amtszeit und man weiß, wie er agiert. Wenn man sich so schwach aufstellt, wird man auch schwach behandelt. Die Erfahrung haben die Europäer gerade gemacht. Sie können sich jetzt aber nicht durch ein Hinterherlaufen hinter Trumps Äußerungen relevant machen; durch Jammern schon gar nicht, sondern dadurch, dass sie stark sind.

Im Video: Zerstören jetzt auch die USA unsere Demokratie? Possoch klärt!

"Die Europäer sind nicht in der Lage, die Lücke zu füllen"

BR24: Ist dieser Bruch zwischen den USA und Europa nur eine Momentaufnahme?

Lange: Es ist etwas, das sich lange andeutete. Wenn Sie die geopolitische Situation der letzten Jahrzehnte anschauen, dann ist sie davon geprägt, dass die Amerikaner in unserer Nachbarschaft und auch bei uns weniger machen wollen. Die Europäer sind aber nicht in der Lage, die Lücke zu füllen. Es handeln dann andere, wie Putin, Erdogan - Leute, die handlungsfähig sind und Fakten schaffen.

Wir sind dann mit diesen Fakten konfrontiert. Im Kern geht es dabei um die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Europas. Es wird zu einer passiv-aggressiven Kommunikation, wenn wir sagen, wir wollen selbst nichts machen, wir wollen, dass die Amerikaner Frieden in Europa schaffen. Aber wenn sie was machen, dann beschweren wir uns darüber und jammern herum. Das ist schon länger eine europäische Herangehensweise. Die ist aber falsch.

"Frieden in der Ukraine ist eine europäische Aufgabe"

BR24: Wenn die USA aber wirklich durchziehen, dann wird es für uns teuer …

Lange: Unser Sicherheitsproblem ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Ursache unserer Sicherheitsprobleme sind nicht die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn Sie eine amerikanische Landkarte an der Wand hängen haben, dann haben Sie Amerika in der Mitte und links und rechts haben sie einen großen Ozean. Wenn Sie eine europäische Karte haben, haben Sie die Ukraine da direkt mit drauf. Das ist doch unmittelbar einleuchtend, dass Frieden in der Ukraine eine europäische Aufgabe ist.

Im Audio: Sicherheits- und Verteidigungsexperte Nico Lange

Nico Lange, Sicherheits- und Verteidigungsexperte
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"Unser Sicherheitsproblem ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine." Nico Lange, Sicherheits- und Verteidigungsexperte

"Trump erwartet, dass wir hart verhandeln"

BR24: Können wir den USA da aber überhaupt die Stirn bieten?

Lange: Wir müssen den USA nicht die Stirn bieten. Ich halte das für die falsche Perspektive. Wir müssen in Europa für unsere eigene Sicherheit das Notwendige tun. Wenn wir dabei den Amerikanern Lasten abnehmen, wird uns das auch helfen, unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika besser zu entwickeln. Aber die Sicherheit in Europa müssen wir gegen Wladimir Putin und seinen Angriffskrieg herstellen, nicht gegen die Amerikaner. So schwierig das mit der Trump-Kommunikation auch gerade sein mag, und man darf das auch nicht gleichsetzen. Das sind völlig andere Dinge.

Dass man hart verhandeln muss, ist vollkommen klar. Das erwartet Trump. Wenn man nicht hart verhandelt und gegenhält, wird man untergebuttert. Das ist der entscheidende Punkt gerade: Das ist eine Schockwelle. Jeden Tag wird gepusht, gepusht, gepusht. Die Amerikaner bleiben in der Informationsoffensive: jeden Tag eine neue Idee, alle halbe Stunde ein Presse-Statement von Trump. Und sich da geradezumachen und zu sagen, wir haben unsere eigene Agenda, wir arbeiten unsere eigene Agenda ab, und wir rennen nicht wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen immer hinter jeder neuen Äußerung von Trump hinterher.

BR24: Dafür braucht es am Ende auch eine größere geschlossene Einigkeit als Europa, als EU, oder?

Lange: Ich glaube, es ist notwendig, über eine europäische militärische Präsenz in der Ukraine zur Absicherung eines Friedens nachzudenken und dafür auch Planungen zu ergreifen, ohne dass man gleich immer in eine hysterische "Boots on the ground"-Diskussion verfällt. Da muss man nüchtern darüber reden können als Europäer. Das ist auch ein reflektiver Prozess. Wenn wir diese Aufgaben erledigen, haben wir auch eine Gesprächsgrundlage mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir sollten aber nicht denken, wir können stark auftreten, wenn wir nicht gleichzeitig was Starkes machen. Das wird nicht funktionieren.

BR24: Danke für das Gespräch.

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