Eine katholische Segnung von homosexuellen Paaren war bisher eigentlich nicht möglich. Der Grund: Das Lehramt der katholischen Kirche lehnt solche Beziehungen ab. In der Praxis aber spendeten zunehmend katholische Pfarrer gleichgeschlechtlichen Paaren ihren Segen – auch in Bayern.
Glaubensbehörde: Priester dürfen homosexuelle Paare segnen
Ab sofort können sie das auch ganz offiziell machen. Die vatikanische Glaubensbehörde veröffentlichte am Montag eine Grundsatzerklärung, wonach katholische Geistliche unverheiratete und homosexuelle Paare segnen dürfen.
In dem Text mit dem Titel "Fiducia supplicans" (deutsch: Das flehende Vertrauen) ist nach offizieller deutscher Übersetzung von der "Möglichkeit der Segnung von Paaren in irregulären Situationen und von gleichgeschlechtlichen Paaren" die Rede.
Es wird allerdings betont, dass dabei eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden muss. Auch darf ein Geistlicher den Segen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes erteilen. In der Erklärung wird auch bekräftigt, dass sexuelle Beziehungen nur innerhalb der Ehe zwischen Mann und Frau als erlaubt gelten.
Bätzing lobt Trennschärfe zur Ehe zwischen Mann und Frau
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, bergüßte die Entscheidung des Vatikans. "Die Praxis der Kirche kennt eine Vielzahl von Segensformen. Es ist gut, dass nun dieser Schatz für die Vielfalt von Lebensmodellen gehoben wird", teilte er am Montag mit. "Dieses Dokument begrüße ich sehr und bin dankbar für die pastorale Perspektive, die es einnimmt", teilte Bätzing mit.
Bätzing begrüßte außerdem, dass in dem Vatikan-Dokument klar zwischen Ehe und Segnung abgegrenzt werde und dort die Notwendigkeit eingeschärft werde, "diesen Unterschied keinesfalls zu verwischen". Die Ehe sei "ein dauerhafter und unauflöslicher Bund zwischen einem Mann und einer Frau, der offen ist für Nachkommenschaft". Bätzing lobte, der vom Vatikan gesetzte Rahmen sei klar genug, um den geweihten Amtsträgern die nötige Handlungssicherheit zu geben.
Münchner Priester: "Mehr als ein Paukenschlag"
Angesichts der Tatsache, dass der Vatikan die Segnung homosexueller Paare noch 2021 ausdrücklich verboten habe, sei die heutige Nachricht aus Rom "mehr als ein Paukenschlag", sagte der Münchner Priester Wolfgang Rothe in einer ersten Reaktion auf BR24-Anfrage. "Ich bin hemmungslos begeistert!"
"Das ist geradezu eine Zeitenwende." Wolfgang Rothe, Priester und Kirchenrechtler
Zum ersten Mal habe der Vatikan eine Entscheidung, die er ausdrücklich getroffen habe, ebenso ausdrücklich wieder widerrufen, so Rothe, der sich schon vor etlichen Jahren als schwul geoutet hat. Mit dieser Entscheidung habe man zum jetzigen Zeitpunkt kaum rechnen können. "De facto wird das bisherige Verbot aufgehoben und in eine Erlaubnis umgewandelt."
Diese Entscheidung zeige, "die Festung fällt, die Mauern bröckeln, die Kirche kann sich nicht länger vor der Wirklichkeit verschließen", ist Rothe überzeugt. "Sie muss und sie wird sich dem anpassen, was Theologie und Humanwissenschaften längst vorgelegt haben. Und das ist auch gut so."
Ausdrückliche Genehmigung durch Papst Franziskus
Die Erklärung der Glaubensbehörde wurde am Montag im Vatikan in mehreren Sprachen veröffentlicht. Sie trägt die Unterschrift des Präfekten der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, und wurde von Papst Franziskus ausdrücklich genehmigt.
In dem Text der Behörde betont Fernandez, dass die Kirche ihr Verständnis von dem, was ein Segen ist, im Licht der seelsorgerischen Ideale von Papst Franziskus "erweitert und angereichert" habe. Mit diesem weiterentwickelten Verständnis des Segens sei es möglich, "Paare in regelwidrigen Situationen und Paare desselben Geschlechts zu segnen, ohne damit ihren Status offiziell zu bestätigen oder die seit jeher gültige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner Weise zu ändern".
Segensfeiern waren eine Hauptforderung des Synodalen Wegs
In Deutschland werden Segensfeiern für homosexuelle Paare in vielen Gemeinden heute schon praktiziert, finden aber in einer kirchenrechtlichen Grauzone statt. Die Zulassung von Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare war eine Hauptforderung für den deutschen Reformprozess Synodaler Weg und im März von der Synodalversammlung beschlossen worden.
"Das ist mal wirklich eine gute Nachricht aus Rom", kommentierte daher der Münchner Pastoralreferent und Mitglied im Synodalen Ausschuss, Konstantin Bischof, die Verlautbarung bei BR24. Er sei froh, dass etwas, was der Synodale Weg in Deutschland diskutiert und mit großer Mehrheit beschlossen habe, "nun auch weltkirchliche Realität wird". Durch diese Grundsatzerklärung werde deutlich: "Es kann Veränderungen geben."
Vatikan 2021 noch strikt ablehnend
Noch im Februar 2021 hatte die vatikanische Glaubensbehörde mitgeteilt, Segnungen homosexueller Paare seien in der katholischen Kirche nicht möglich. Laut geltender katholischer Lehre ist es zwar keine Sünde, homosexuell zu empfinden. Gleichgeschlechtliche intime Handlungen seien aber "in sich nicht in Ordnung". Das Ausleben der Sexualität sei der Ehe vorbehalten, die nur von einem Mann und einer Frau geschlossen werden könne.
Franziskus hatte bereits im Herbst in einem Brief erkennen lassen, dass er Segnungen für homosexuelle Paare nicht grundlegend ablehnt. Wer um einen Segen bitte, erbitte im Vertrauen auf Gott dessen Hilfe, um besser leben zu können, hieß es damals. Man müsse daher abschätzen, ob es Formen der Segnung geben könne, ohne eine falsche Vorstellung von der Ehe zu vermitteln. Bereits zu Beginn seines Pontifikats 2013 hatte der Papst gesagt: "Wenn jemand homosexuell ist und guten Willens nach Gott sucht, wer bin ich, darüber zu urteilen?"
Mit Informationen von KNA, dpa und AFP
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