Das Netzwerk "Samidoun – Palestinian Solidarity Network" wurde in ganz Deutschland bekannt, als seine Mitglieder die brutalen Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober feierten, unter anderem durch das Verteilen von Süßigkeiten in Berlin.
- Zum Artikel: Hamas und Samidoun: Ein Verbot und seine Folgen
Samidoun propagiert öffentlich ein Palästina zwischen "Jordan und Mittelmeer". Da bliebe kein Platz mehr für den Staat Israel, so René Rieger vom Bayerischen Verfassungsschutz. Das habe bei Versammlungen im Bundesgebiet zu antisemitischen Äußerungen geführt: "Folglich ist eine strenge Umsetzung der Verbotsverfügung dringend veranlasst, um das weitere Diffundieren extremistischer Weltbilder in weitere Teile der Bevölkerung zu verhindern", so Rieger.
Am 02. November 2023 reagierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit der Auflösung und dem Verbot von Samidoun in Deutschland. Auch die Internetseite des Vereins ist von dem Verbot betroffen.
Deutsche Domain für verbotenen Verein Samidoun
Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "report München" ist die Webseite von Samidoun aber weiterhin online. Die Internetadresse, auch Domain genannt, wurde sogar von einem deutschen Internetdienstanbieter registriert. Ein öffentliches Verzeichnis zeigt, dass die Domain am 15.11.2023, 13 Tage nach dem Vereinsverbot, aktualisiert wurde.
Das Unternehmen erklärte auf Anfrage, dass man die rechtliche und gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst nehme. Die Domain sei im Auftrag eines Kunden in dessen Namen registriert worden. Aufgrund von Datenschutzbestimmungen könne man keine Aussagen zu vertraglichen Details machen. Die Inhalte der Webseite werden von einer weiteren Firma im Ausland gehostet und weltweit verbreitet. Man prüfe derzeit, "inwieweit wir als Registrar der gegenständlichen Domain – ohne zugleich der Hosting-Provider zu sein – Maßnahmen auf Grundlage des auf Deutschland beschränkten Vereinsverbots ergreifen können". Aktive Prüfpflichten für Firmen, die Domains registrieren, seien rechtlich nicht vorgesehen.
Kritik von De-Radikalisierungsexperte Ahmad Mansour
Es sei etwas sehr Gefährliches, wenn etwas verboten sei, es aber immer noch im Internet erreichbar sei, das hieße "unseren Rechtsstaat nicht ernst zu nehmen und das beobachte ich sehr, sehr oft, vor allem in der islamistischen Szene, aber auch in der antisemitischen propalästinensischen Szene und das ist etwas, was behandelt werden muss." Das dürfe sich der Rechtsstaat nicht gefallen lassen. Mansour weist darauf hin, Samidoun sei nach wie vor die Mobilisierungskraft hinter Veranstaltungen und Demos und damit auch antisemitischer Parolen auf den Straßen, "da spielt Samidoun eine wesentliche Rolle. Und deshalb sind sie absolut gefährlich." Aufrufe finden sich, nach Recherchen von "report München", auch zum Zeitpunkt der Recherche auf der Webseite von Samidoun. Wer es mit "nie wieder" ernst meine, müsse verhindern, dass Samidoun in Deutschland aktiv arbeiten könne, so Mansour.
Dürfen die Webseiten verbotener Vereine registriert werden?
Das Bayerische Justizministerium gibt Einordnung zur allgemeinen Rechtslage: Strafbar mache sich, wer die weitere Betätigung einer Vereinigung unterstütze, "die durch bestandskräftige Verfügung verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet". Auch sonstige Geschäftsbeziehungen mit der verbotenen Vereinigung seien strafbar. Allerdings müssen Firmen nicht aktiv nach verbotenen Inhalten ihrer Geschäftspartner suchen. Sobald sie Kenntnis haben, müssen sie diese allerdings aus dem Netz nehmen.
Was gilt nun für die deutsche Firma, die Samidoun registriert hat? Das Bundesinnenministerium teilt auf Anfrage mit, die Registrierung sei "gegebenenfalls strafbar" und verweist auf den Bundesanzeiger. Was das nun genau bedeutet? Auf Anfrage bittet das Ministerium um Verständnis, man könne "aufgrund des laufenden Verfahrens (Rechtsstreit vor dem BVerwG) derzeit keine weiteren Fragen, insbesondere nicht zu operativen Einzelsachverhalten, beantworten". Tatsächlich klagt Samidoun gegen das Verbot durch das Bundesinnenministerium am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Bundeskanzler Olaf Scholz hatte das Verbot bereits angekündigt, bevor bei dem Verein überhaupt Razzien durchgeführt worden waren.
Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland empört
Für den Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD), die Rabbiner Avichai Apel, Zsolt Balla und Yehuda Pushkin ist es ein Skandal, dass solche Hassportale trotz geltenden Verbots in Europa empfangen werden können. Denn wie Recherchen von "report München" bereits in der Vergangenheit belegten, waren selbst Portale von Terrororganisationen wie der Hisbollah mithilfe deutscher Internetdienstleister im Netz.
Mit Blick auf Samidoun erklärt die ORD: Es sei umso beschämender, "dass ein deutscher Internetprovider auch noch Kapital aus der Propaganda von Organisationen schlägt, die den Staat Israel und jüdisches Leben auslöschen wollen". Hasspropaganda, ob von Hamas, Hisbollah, Huthi-Milizen und weiteren Unterstützerorganisationen sei nicht nur eine Bedrohung für die jüdische Gemeinde in Europa und hier lebende, moderate Muslime, sondern sie bedrohe unser aller Freiheit und Demokratie, so der ORD-Vorstand. Er fordert ein EU-weites Geoblocking für solche Hass- und Propagandaportale.
Deutsche IT-Infrastruktur für antisemitischen Content genutzt
Steven Stalinsky forscht für den US-amerikanischen Think-Tank MEMRI, das Middle East Media Institute, seit Jahren zur Nutzung des Internets zur Verbreitung antisemitischer Inhalte. Mit Unterstützung von MEMRI hatte das ARD-Politikmagazin "report München" vor einigen Monaten aufgedeckt, dass der TV-Sender der Terrororganisation Hisbollah sowie der TV-Sender der Huthi-Milizen über deutsche Server verbreitet wurden.
Laut Stalinsky fehlt es in Deutschland an Kontrollen. "Dies zeigt sich erneut bei Samidoun, ein Verein, der in Deutschland illegal sein soll und für seine Website ebenfalls ein deutsches Unternehmen nutzt." YouTube und Instagram haben die Accounts von Samidoun gelöscht. In Deutschland bleibt die Webseite des verbotenen Vereins Samidoun weiter online.
Zum Video: ARD-Rechtsexperte Christoph Kehlbach zum Hamas-Verbot
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