Milch, bio und konventionell, im Supermarktregal
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Verkehrte Welt: Bio-Milchprodukte günstiger als konventionelle

Verkehrte Welt: Bio-Milchprodukte günstiger als konventionelle

Bei Milchprodukten gerät die Preis-Welt durcheinander: Im Einzelhandel werden Biomilch, Biobutter oder Biomozzarella oft günstiger verkauft als die Bio-Marken des Handels, teilweise sogar günstiger als konventionelle Produkte. Was ist der Grund?

Letztes Jahr hatte die Biomilch-Branche noch kräftige Zuwächse erlebt: Während der Corona-Pandemie waren viele Menschen zu Hause geblieben, haben selbst gekocht und mehr Geld für Lebensmittel ausgegeben. Doch in nur kurzer Zeit hat sich die Situation völlig verändert. Angesichts steigender Inflation und besonders im Hinblick auf die rasant steigenden Energiepreise greifen viele Menschen doch wieder verstärkt zu günstigerer Ware. Bio bleibt wieder öfter im Regal stehen, vor allem in Naturkostläden.

Vor allem die Öko-Produkte der renommierten Hersteller gelten noch immer als hochpreisig. Doch jetzt ist das Preisgefüge zwischen den renommierten Bio-Marken, den Eigenmarken des Handels und der anderer großer Anbieter gründlich durcheinander geraten. So sehr, dass in den Discountern und Supermärkten Bio-Milchprodukte oft gleich viel kosten oder sogar günstiger sind als konventionelle Ware.

Erzeugerpreise nähern sich immer mehr an

Auch wenn man sich nicht zur Preispolitik der einzelnen Unternehmen äußern will, verweist der Handelsverband Lebensmittel (BVLH) in Berlin darauf, dass sich die Erzeugerpreise für ökologische und konventionell erzeugte Milch immer mehr annähern. Mittlerweile, so ein Sprecher des Verbandes, verdienten konventionell wirtschaftende Milchbauern mit einem Liter Rohmilch fast genauso viel wie Bio-Milchbauern - während der Preisabstand zwischen Bio und Konventionell in den vergangenen Jahren noch um die 15 Cent betragen habe.

Und: "Der sprunghafte Anstieg des Preises für konventionell erzeugte Rohmilch ist sicher ein Faktor dafür, dass sich auch die Verkaufspreise von Bio-Molkereiprodukten und konventionell erzeugten Molkereiprodukten annähern."

Krieg, gestörte Lieferketten, teure Energie

Laut BVLH macht sich der russische Angriff auf die Ukraine mehr und mehr auch in den Lebensmittellieferketten bemerkbar: "Der Preisauftrieb bei Vorleistungsgütern, Rohstoffen, Energie, Verpackung und Transport hält unvermindert an", so der Sprecher. "Viele Menschen haben ihr Einkaufsverhalten an die hohe Teuerungsrate bei Lebensmitteln angepasst und zeigen sich beim Einkauf sehr preissensibel."

Verspätete Preisanpassung bei Bio-Milchprodukten

Unterdessen erreichen die Erzeugerpreise für konventionell erzeugte Rohmilch immer neue Höchstwerte. Manche Molkereien zahlen bereits einen Grundpreis von 60 Cent pro Kilogramm Milch. Und der Preis für Biomilch? Der lag nach Angaben des Verbandes der Milcherzeuger Bayern (VMB) in Bayern im August bei 58,9 Cent. Wie konnte es dazu kommen, dass die Bio-Milchbranche derart abgehängt wurde? VMB-Geschäftsführer Hans-Jürgen Seufferlein sieht den Grund hierfür in der Preispolitik des Lebensmittel-Einzelhandels.

Motto "Bio für alle" lässt Preise zu Corona-Zeiten gleich bleiben

Der Lebensmittel-Einzelhandel lege die Preise für die Kunden fast vollständig selber fest - bei den Eigenmarken konsequent, bei Herstellermarken zum Teil. Hier habe der "große Fehler" darin bestanden, so VMB-Geschäftsführer Seufferlein, "dass der Handel in den nachfragestarken Corona-Zeiten die Endverbraucherpreise bei Bio-Produkten nicht bereits nach oben angepasst hat".

Das bekannte Motto "Bio für alle" und der Anspruch des Handels "Beste Produkte zum kleinsten Preis" sei auch auf Bioprodukte übertragen worden. Dass allerdings die Inflation so stark ansteigen würde, hätte niemand wirklich voraussehen können, sagt Seufferlein. Für den Verband ist dies ein Grund, weshalb die Bio-Eigenmarken des Handels und selbst manche konventionellen Milchprodukte mittelerweise gleich viel kosten oder sogar teurer sind als die Produkte namhafter Bio-Hersteller.

Rolle der Bio-Molkereien

Ihren Teil dazu beigetragen haben aus Sicht des VMB aber auch die Bio-Molkereien, zumindest die großen Betriebe der Branche. Auch wenn der Handel die Endverbraucherpreise üblicherweise selbst festlege, hätten bei den "starken Marken" die Molkereien schon auch mitzureden. Und diese hätten ebenso wie der Handel ein Interesse daran, dass die Absatzzahlen durch die neue Preisfestlegung nicht litten, so VMB-Geschäftsführer Seufferlein.

So sei es beispielsweise der Molkerei Berchtesgadener Land wichtig gewesen, dass die Preise für Butter und Milch nicht in Dimensionen steigen, die der langjährigen Stammkundschaft die Möglichkeit nehmen, "ihre" Milch und Butter einzukaufen. Dies gehe, so Seufferlein, dann natürlich zu Lasten der Milcherzeuger.

Sinkender Absatz trotz niedrigerer Preise

Das Paradoxe dabei: Obwohl manche Bio-Milchprodukte mittlerweile sogar günstiger sind als konventionelle Ware, sinkt der Absatz der Bio-Markenhersteller. Mutmaßlich, weil viele Verbraucher "Bio" noch immer mit "hochpreisig" in Verbindung bringen und beim Versuch zu sparen zu konventioneller, da vermeintlich günstigerer Ware greifen.

Eine überfällige Anpassung der Preise bei den Bio-Markenprodukten, die dann wieder teurer würden, wird dies nach Ansicht des Milcherzeuger-Verbandes natürlich erst recht bewirken. Die Bio-Eigenmarken der Discounter, wo es - anders als bei den großen, namhaften Bio-Herstellern - sehr wohl Preiserhöhungen gegeben hatte, haben das inzwischen zu spüren bekommen.

Nachdem Aldi den Preis für seine Bio-Vollmilch der Eigenmarke im Juli von 1,15 Euro massiv auf 1,69 Euro erhöht hatte, wurde diese Verteuerung nach Angaben des Milcherzeuger-Verbandes massiv abgestraft. Aldi rudert jetzt bei den Bio-Eigenmarken zurück und senkt den Preis seiner Bio-Vollmilch wieder von 1,69 Euro auf 1,49 Euro je Liter.

Düstere Prognose - Nicht mehr "Bio für alle"

Was den Markt für Bio-Milchprodukte in absehbarer Zukunft betrifft, ist man beim Verband der Milcherzeuger Bayern skeptisch. Diejenigen Verbraucher, bei denen ausreichend Geld vorhanden sei, würden sich vielleicht an wieder steigende Preise gewöhnen, so Verbandsgeschäftsführer Hans-Jürgen Seufferlein.

Aber: "Es wird einen nicht ungewichtigen Teil der Verbraucherschaft geben, wo allein der Geldbeutel und das zur Verfügung stehende Budget den Ausschlag für die Kaufentscheidung gibt. Der Slogan 'Bio für alle' wird dann eben für einen großen Teil der Verbraucher nicht mehr zutreffen, auch nicht beim Einkauf im Discount."

Mehrwertprodukte werden "massiv leiden"

Auf die Bio-Branche wird nach Einschätzung des Verbands der Milcherzeuger eine längere "Saure-Gurken-Zeit" zukommen. Angesichts weiterhin hoher Energiepreise könnten die Verbraucher Einsparungen vor allem beim Einkauf von Lebensmitteln erzielen, so Geschäftsführer Seufferlein: "Die Erzeugnisse mit 'Mehrwert, also Bio, regional, Tierwohlmilch und 'klimaneutrale' Milch werden massiv leiden." Und auch Initiativen, den Bio-Anteil in öffentlichen Einrichtungen wie Kantinen zu erhöhen, seien zunehmend, etwa bei den Kommunen, eine Frage des Geldes.

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