München, Mitte Januar auf der Theresienwiese: Hundert LKW-Fahrer und Spediteure demonstrieren gegen die Politik der Ampelregierung. Es geht ihnen vor allem um die Erhöhung der LKW-Maut. Die Forderung damals lautet, die Branche müsse besser geschützt werden, statt sie immer weiter zu schröpfen.
Der Druck auf die Regierung ist groß – auch weil zahlreiche Bauern mit ihren Traktoren die LKW-Fahrer unterstützen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ging damals auf die Branche zu und rief bereits wenige Tage später die "Kommission Straßengüterverkehr" ins Leben, eine Runde mit Branchenvertretern unter seiner Leitung. Ihr Ziel: Ein Plan zur Entlastung der Branche.
Gemeinsame Wunschliste von Speditions-Branche und Ministerium
Ein halbes Jahr später präsentiert diese Runde ihren Abschlussbericht. 24 Maßnahmen wurden erarbeitet. Die Unternehmer fordern weniger Auflagen, weniger Bürokratie und mehr digitale Verwaltungsprozesse. Sie wünschen sich auch, dass die Lkw-Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen zwischen den Bundesländern angeglichen und gegebenenfalls gelockert werden sowie weniger Hürden in Städten, um leichter beliefern zu können.
Es geht vor allem um weniger Bürokratie – auch, weil das den Haushalt nicht belastet, wie ein Mitglied der Kommission schmunzelnd zu berichten weiß. Der verantwortliche Minister zeigt sich stolz angesichts dessen, was erarbeitet wurde. "Mit Kommissionen ist das ja immer so eine Sache. Man weiß nicht, ob man vorankommt. Hier ist das geglückt."
100.000 Fahrer fehlen – Tendenz steigend
Der FDP-Politiker verspricht, die Maßnahmen zu unterstützen. Auch, weil er um ihre Bedeutung für den Wirtschaftsstandort weiß. Die Logistikbranche ist in Deutschland nach der Automobilwirtschaft und dem Handel der drittgrößte Wirtschaftsbereich und mit großen Herausforderungen konfrontiert. Die Branche müsse klimaneutral werden – eine Herkulesaufgabe, sagt Wissing.
Dazu kommt der Fachkräftemangel. Derzeit fehlen laut dem Bundesverband "Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung" (BGL) 100.000 LKW-Fahrer. Jedes Jahr kämen 15.000 weitere hinzu. "Diese Lücke bekommen wir nicht mehr mit Arbeitskräften aus dem Inland gestopft", sagt BGL-Vorstandssprecher Engelhardt. "Unsere Mittelständler würde gern Fahrer aus Drittstaaten einstellen, aber scheitern am Führerscheinrecht. Da braucht es dringend eine Lösung, auf europäischer und auf nationaler Ebene."
Oft scheitert es am EU-Führerschein
Bernhard Schultes aus Egling ist ein solcher Mittelständler. Er betreibt eine Spedition mit acht Lkw und sucht – so wie viele Unternehmer – ganz dringend Fahrer. Es gäbe einen Kandidaten, nur kommt der aus Bosnien. Ein Problem, denn Bosnien ist nicht Mitglied der EU. Damit wird der Führerschein des potenziellen Arbeitnehmers in Deutschland nicht anerkannt. Eine extra Fahrprüfung ist nötig.
Dazu kommt die Auflage, das Führen und Be- und Entladen von Lkw zwölf Monate lang zu üben. Ein klassisches Dilemma, denn dafür braucht er einen gültigen Führerschein. Spediteur Schultes ist dementsprechend genervt: "Das ist absolut widersprüchlich. Wir haben mit dem Landratsamt telefoniert, mit der Bundesagentur für Arbeit und mit der IHK. Jeder schiebt den schwarzen Peter auf den jeweils anderen."
Kein Interesse an weiterem Protestwinter
Verkehrsminister Wissing hat heute versprochen, dass er sich auf EU-Ebene für Erleichterungen bei der Anerkennung gleichwertiger Berufskraftfahrerqualifikationen aus Drittstaaten starkmachen wird. Seine Kommission Straßengüterverkehr will sich Anfang 2025 erneut treffen.
Dann soll überprüft werden, ob der Verkehrsminister Wort gehalten hat und ob die beschlossenen Maßnahmen ausreichend sind. Keine leichte Aufgabe für den Minister, angesichts der Haushaltslage. Dazukommt, dass er im Jahr einer Bundestagswahl kein Interesse an einem weiteren Protestwinter haben dürfte.
- Zum Artikel: Ausbeutung auf Europas Straßen – Lkw-Fahrer am Limit
Im Video: Verkehrsministerium verspricht Entlastungen für Logistik-Branche
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