Nach einem Vorfall bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt haben Ärzte bei AfD-Chef Tino Chrupalla einen Nadelstich am Oberarm dokumentiert. Das geht nach Angaben der Staatsanwaltschaft Ingolstadt aus dem vorläufigen Arztbrief hervor.
In dem vorläufigen Arztbrief, den Chrupallas Büro der Nachrichtenagentur dpa zur Einsicht zur Verfügung gestellt hat, ist sowohl von einer "intramuskulären Injektion" als auch an anderer Stelle von einer "Infektion mit unklarer Substanz" die Rede. Auch ein "Nadelstich" am rechten Oberarm wird beim körperlichen Untersuchungsbefund erwähnt.
Befragung des behandelnden Arztes
Wie die dpa aus Ermittlerkreisen erfuhr, hat die Polizei inzwischen dazu auch den behandelnden Arzt befragt. Dem zufolge handelt es sich bei dem Wort "Nadelstich" aber um eine Beschreibung des Verletzungsbilds auf Grundlage von Chrupallas Angaben, nicht um eine tatsächliche Feststellung eines erfolgten Nadelstichs. Das heißt, es ist unklar, ob es tatsächlich einen Nadelstich gab.
Nadelstich steht im Arztbrief
Staatsanwältin Veronika Grieser hatte zuvor mitgeteilt, aus dem vorliegenden Arztbrief gehe hervor, dass die Ärzte im körperlichen Untersuchungsbefund einen Nadelstich im Oberarm von Tino Chrupalla festgestellt hätten. Demnach sei im vorläufigen Arztbrief vom 05.10. des Klinikums Ingolstadt ein "Nadelstich re. Oberarm im Bereich M. deltoideus" festgehalten.
Auch Nachfrage des BR erklärte die Staatsanwaltschaft Ingolstadt, dass es nach Auswertung von Zeugenaussagen derzeit keinen Hinweis auf eine Injektion gebe. Die Details des Arztbriefs seien aktuell noch Gegenstand der Ermittlungen.
Keine Substanz bei toxikologischen Untersuchungen festgestellt
Die Untersuchungen im Ingolstädter Klinikum ergaben laut Mitteilung außerdem, dass bei den toxikologischen Untersuchungen keine Substanzen festgestellt wurden. Auch die weiteren Untersuchungen verliefen demnach unauffällig. Die durch die Ermittlungsbehörden noch in Auftrag gegebene chemisch-toxikologische Untersuchung von Blutproben liegt demnach nun ebenfalls vor. Sie zeigten die Aufnahme von Schmerzmitteln im therapeutischen Bereich. Diese könnten dem Arztbrief zufolge aber auf seine Behandlung im Krankenhaus zurückzuführen sein. Hinweise auf weitere relevante Substanzen ergeben sich laut Staatsanwaltschaft aus dem Untersuchungsbefund nicht.
Chrupalla sei auf der Intensivstation überwacht worden und am 05. Oktober "nach unauffälligem Monitoring und in beschwerdefreien, gutem Allgemeinzustand" entlassen worden, heißt es demnach in dem Arztbrief.
Zeugen berichten nicht von Spritze
Die Staatsanwaltschaft teilte weiter mit, die in der Anamnese durch die Ärzte niedergelegte Schilderung, bei einer politischen Veranstaltung sei Herr Chrupalla "beim Selfies schießen in einer Menschenmenge mit einer Spritze in den rechten Oberarm gestochen worden", finde in den bislang vorliegenden Zeugenaussagen keine Grundlage. Die Beibringung einer Spritze oder einen körperlichen Angriff hätten diese Zeugen nicht wahrgenommen. Durch Zeugen sei beobachtet worden, dass sich Herr Chrupalla nach kurzer Zeit an den Oberarm gegriffen habe.
Die Ermittlungen liefen weiter, sagte die Staatsanwältin dem BR. In der nächsten Woche rechne man mit den Ergebnissen der untersuchten Kleidung. Weitere Hinweise erhoffen sich die Ermittler demnach aus der Auswertung von Bildmaterial, das mutmaßliche Zeugen über ein Upload-Portal der Polizei zur Verfügung gestellt haben.
Ärzte: Injektion lässt sich nicht nachweisen
Unterdessen weisen Ärzte in den sozialen Medien darauf hin, dass eine intramuskuläre Injektion nicht diagnostiziert werden könne. Soll heißen: Zwar können Mediziner eine Einstichstelle erkennen, nicht aber, ob einem Patienten tatsächlich eine Substanz in die Muskeln gespritzt wurde. Auf die Nachfrage, wieso Informationen über einen Stich in den Arztbrief aufgenommen wurden, schrieb ein Arzt: "Meine Güte, das ist doch nicht so schwer. Weil es der Patient so angegeben hat. Ich schreibe euch doch auch eine AU (Anmerkung der Red.: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) mit entsprechender Diagnose, wenn ihr montags mit Magen-Darm kommt. Kann euch das Gegenteil nicht beweisen, auch nicht meine Aufgabe!"
AfD bleibt bei Vorwürfen
Die AfD bleibt indessen bei den bereits geäußerten Vorwürfen: Die Vermutung, dass Chrupalla bei der Wahlveranstaltung in Ingolstadt tätlich angegriffen wurde, habe sich offenbar bestätigt: Die Ärzte des Klinikums Ingolstadt hätten bei ihm eine "intramuskuläre Infektion" diagnostiziert, wie sie in einem Abschlussbericht, der der Wochenzeitung "Junge Freiheit" vorliegt, schreiben. Laut den Medizinern wurde Chrupalla durch einen Nadelstich am Oberarm verletzt, worauf es durch eine noch unklare Intoxikation zu einem sogenannten "präkollaptischen Ereignis mit Schwindel, Übelkeit und Brechreiz kam", heißt es in einer Pressemitteilung der bayerischen Spitzenkandidatin der AfD, Katrin Ebner-Steiner.
Ebner-Steiner warf Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zudem erneut vor, Politiker und Veranstaltungen der AfD nicht ausreichend zu schützen. "Herrmann selbst behauptet bis zur Stunde, die Gefährdungslage sei nicht hoch genug. Statt die AfD umfassend vor Extremisten zu schützen, zündelt er lieber weiter, beschimpft uns als 'hinterfotzig', obwohl die Tatsachen längst auf dem Tisch lagen", so Ebner-Steiner in der Pressemitteilung.
Herrmann weist Darstellung zurück
Herrmann äußerte sich bereits am Donnerstag zu den Vorwürfen. Die Partei habe während des gesamten Wahlkampfs nicht um mehr Schutz gebeten. Herrmann wiederum machte der AfD am Donnerstag schwere Vorwürfe. Es sei erschreckend, "wie infam und hinterfotzig die AfD im Landtagswahlkampf versucht, aus den Vorfällen bei ihrer eigenen Klientel Kapital zu schlagen, ohne die Ermittlungen abzuwarten", kritisierte der CSU-Politiker.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mahnte am Freitag, es sollten keine "Verschwörungstheorien" betrieben werden: "Die Demokratie braucht Wahrheit, braucht Aufrichtigkeit, braucht Redlichkeit."
Chrupalla hatte am Mittwoch eine Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt abgebrochen. Er wurde danach in die Klinik eingeliefert. Weitere geplante Wahlkampfauftritte sagte der AfD-Chef ab. Chrupalla war in Ingolstadt in Begleitung mehrerer Personenschützer des Bundeskriminalamts, das teilte das BKA gestern auf BR-Anfrage mit. Zudem seien Polizeikräfte vor Orte gewesen.
Aus den Zahlen des Bayerischen Landeskriminalamts geht hervor, dass seit Jahresbeginn AfD-Politiker deutlich häufiger Opfer von Gewaltdelikten wurden als Politiker anderer Parteien. Von insgesamt 24 Delikten entfielen demnach 17 auf AfD-Politiker.
Mit Informationen von dpa
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