Tunesien setzt Migranten systematisch in der Wüste aus – nicht alle überleben.
Bildrechte: Bayerischer Rundfunk 2024/ ARD Dokumentation
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Tunesien setzt Migranten systematisch in der Wüste aus – nicht alle überleben.

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Vorwürfe gegen Tunesien: Das Schweigen der Bundesregierung

Vorwürfe gegen Tunesien: Das Schweigen der Bundesregierung

Vor einem halben Jahr kündigte die Bundesregierung an, Vorwürfe gegen von Deutschland mitfinanzierte tunesische Sicherheitskräfte zu prüfen. Doch während auch danach Migranten in der Wüste ausgesetzt wurden, bleibt Berlin Antworten schuldig.

Über dieses Thema berichtet: Ausgesetzt in der Wüste · Europas tödliche Flüchtlingspolitik am .

Sie habe gedacht, sie werde in der Wüste sterben, sagt Ada Steven Tarawallie. Gnadenlos habe man sie und ihren Mann zusammengeschlagen und schutzlos in der Sahara zurückgelassen. "Diese Leute haben keinerlei Mitgefühl", sagt die 20-Jährige im Interview für die ARD-Dokumentation "Ausgesetzt in der Wüste – Europas tödliche Flüchtlingspolitik".

Die Frau, die aus Sierra Leone stammt und heute in einer Flüchtlingsunterkunft im oberbayerischen Wasserburg lebt, war im Sommer 2023 Teil einer Gruppe von Migrantinnen und Migranten, die tagelang ohne Wasser und Nahrung im tunesisch-libyschen Grenzgebiet ausharren mussten. Erst als ein Reporter ihr Schicksal öffentlich machte, wurde der Druck auf die tunesische Regierung zu groß und die Gruppe durfte nach Tunesien zurückkehren.

Deutsches Steuergeld für tunesische Sicherheitskräfte

Mit "diese Leute" meint Ada Steven Tarawallie tunesische Sicherheitskräfte. Einheiten der Nationalgarde und der Grenzpolizei, die seit Jahren mit Millionen an deutschem Steuergeld unterstützt werden – für Ausrüstung wie Fahrzeuge oder Nachtsichtgeräte sowie für die Ausbildung durch deutsche Bundespolizisten. Diese haben seit 2015 rund 4.000 tunesische Beamte geschult, wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks mitteilt. 33 Millionen Euro seien bislang dafür aufgewendet worden.

Im Mai 2024 erweckte der Sprecher des Kanzlers, Steffen Hebestreit, in der Bundespressekonferenz den Eindruck, die Zusammenarbeit mit den tunesischen Behörden werde wegen der möglichen Menschenrechtsverletzungen auf den Prüfstand gestellt. Einen Tag zuvor hatte ein internationaler Rechercheverbund aus Bayerischem Rundfunk, Lighthouse Reports, Der Spiegel, El País, Washington Post und anderen internationalen Medien öffentlich gemacht, dass die Ereignisse im Sommer 2023 kein Einzelfall waren, sondern tunesische Sicherheitskräfte seitdem systematisch Tausende Schwarze Menschen in der Wüste ausgesetzt haben.

Genau die Einheiten, die von Deutschland mitfinanziert werden. "Wir hatten selber keine eigenen Erkenntnisse dazu", sagte Hebestreit damals in der Bundespressekonferenz. "Insofern müssen wir das jetzt prüfen und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen."

Bundesregierung bleibt Antworten schuldig

Doch als Hebestreit Mitte September erneut nach dem Stand der Untersuchung gefragt wird, antwortet der Regierungssprecher: Er wisse, dass dies "mal ein Thema" gewesen sei, aber bisher sei es ihm nicht wieder begegnet und es gebe keine Vorbereitung dazu. Dabei hatte der Bayerische Rundfunk wenige Tage zuvor bei Hebestreits Behörde, dem Bundespresseamt, nachgefragt, was aus der Untersuchung geworden ist.

Das Bundespresseamt leitete die Anfrage an das Bundesinnenministerium weiter. Doch ob es eine Untersuchung gab, welches Ergebnis diese gegebenenfalls brachte und ob Konsequenzen gezogen wurden – all diese Fragen blieben unbeantwortet. Das Ministerium teilte lediglich allgemein mit, die Bundesregierung habe gegenüber "den tunesischen Partnern" wiederholt deutlich gemacht, dass bei der Kooperation humanitäre Standards und die Menschenrechte von Migrantinnen und Migranten zu respektieren seien. Die Bundesregierung weise zudem mit Nachdruck darauf hin, dass die im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit übergebene Ausstattung ausschließlich für den vorgesehenen Zweck zu verwenden sei.

Grünen-Abgeordneter fordert Ende der Kooperation

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke fordert, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse "die Zusammenarbeit mit der brutalen Nationalgarde sofort beenden". Die Berichte im Mai seien erschütternd gewesen. "Wir hatten erwartet, dass die Vorwürfe wie angekündigt untersucht werden", sagt der Grünen-Politiker. "Das Innenministerium darf nicht den kleinsten Verdacht aufkommen lassen, dass das Aussetzen von Menschen in der Wüste mit deutscher Finanzierung oder Billigung erfolgt. Für so etwas gibt es keine Toleranz."

Der deutsche Migrationsforscher Gerald Knaus kritisiert: "Wir müssen doch die Verantwortung übernehmen dafür, dass, wenn wir ein Land bitten, Menschen zu stoppen, wir uns überlegen: Wie wird das gemacht?" Die derzeitige Politik der EU nehme nicht nur Gewalt in Kauf, sondern verlasse sich sogar darauf.

Die ARD-Dokumentation "Ausgesetzt in der Wüste – Europas tödliche Flüchtlingspolitik" ist ab 1. November in der ARD-Mediathek (externer Link) zu sehen. Die Co-Produktion von BR, Deutscher Welle, NDR und Lighthouse Reports wird am 3. November um 23:05 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

Im Video: Unterwegs mit illegalen tunesischen Migranten

Sie hoffen auf ein besseres Leben und fliehen nach Europa: junge Einwanderer aus Nordafrika. Die report München-Reportage.
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Sie hoffen auf ein besseres Leben und fliehen nach Europa: junge Einwanderer aus Nordafrika. Die report München-Reportage

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