Eine zweite Gruppe von 20 Geiseln im Gazastreifen soll nach Angaben Katars noch am Samstagabend freikommen. Nach einer Verzögerung seien die Hindernisse durch katarisch-ägyptische Gespräche mit beiden Seiten beseitigt worden, teilte ein Sprecher des katarischen Außenministeriums mit. Im Austausch für die 13 israelischen und sieben ausländischen Geiseln sollen 39 in Israel inhaftierte palästinensische Frauen und Minderjährige freigelassen werden.
Hamas verzögert Freilassung weiterer Geiseln
Die Freilassung weiterer Geiseln war am Samstag ins Stocken geraten. In letzter Minute stoppte die Terrororganisation Hamas die unmittelbar bevorstehende Übergabe einer zweiten Gruppe an Israel. Als Grund gab sie an, dass Israel aus ihrer Sicht gegen einen Teil des Geisel-Deals verstoßen habe. Sie warf Israel vor, Hilfslieferungen nicht in vereinbarter Menge auch in den nördlichen Teil des Gazastreifens ermöglicht zu haben. Auch gab der militärische Arm der Hamas an, Israel halte sich außerdem bei der Freilassung von Häftlingen nicht "an die vereinbarten Standards".
Israel drohte nach der Verzögerung laut Medienberichten ein Ende der Feuerpause um Mitternacht (Ortszeit) an. "Die Hamas ist sich bewusst, dass das israelische Militär die Bodenoffensive im Gazastreifen fortsetzen wird, wenn die Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen werden", sagte ein israelischer Sicherheitsbeamter der Nachrichtenseite "ynet". Er warf der Hamas vor, bereits am Vortag "dasselbe Spiel" gespielt zu haben. Demnach seien kurzfristig die Reiseroute und der Transport der Geiseln geändert worden. Dem Beamten zufolge sollen auch, anders als von der Hamas angegeben, mehr als 61 von 200 für den Tag geplanten Hilfstransporte in den nördlichen Gazastreifen gelangt sein.
Vermittler Katar und Ägypten greifen ein
Aufgrund der Verzögerung intervenierten am Abend die Vermittler. Mithilfe Ägyptens und Katars seien die "Hindernisse für die Freilassung" der Geiseln überwunden worden, erklärte der Sprecher des Außenministeriums in Doha, Madsched Al-Ansari im Onlinedienst X, vormals Twitter.
Nach zähen Verhandlungen hatten Israel und die Hamas am Mittwoch vereinbart, in den vier Tagen der Feuerpause insgesamt 50 israelische Geiseln der Hamas sowie 150 palästinensische Gefangene freizulassen - für jede israelische Geisel drei Palästinenser, die wegen diverser Straftaten in israelischen Gefängnissen einsitzen.
Im Video: BR-Reporter in Tel Aviv zur Verzögerung der Freilassung
39 palästinensische Gefängnisinsassen vor der Freilassung
Die Namen der freizulassenden palästinensischen Inhaftierten stehen auf einer Liste, die die Hamas über Ägypten an den Mossad, den israelischen Geheimdienst, geschickt hat - so heißt es aus Insiderkreisen der ägyptischen Sicherheitskräfte.
Nach israelischen Medienberichten, die sich auf die Gefängnisbehörde des Landes berufen, sollen Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes die 39 palästinensischen Gefangenen am Samstag zunächst in das Ofer-Gefängnis im Westjordanland verlegen. Dort sollen die Frauen und Jugendlichen medizinisch untersucht werden. Danach sollen sie an die Orte zurückkehren, in denen sie zuvor gelebt haben, etwa im Westjordanland oder in Ost-Jerusalem. Israel legt ihnen unter anderem den Wurf von Brandbomben, Brandstiftung oder Messerattacken zur Last.
Am Freitag bereits 24 Geiseln und 39 Inhaftierte ausgetauscht
Am Freitag war bereits der erste Teil der Geiselfreilassung gelungen. So konnten 13 israelische Geiseln zurück zu ihren Angehörigen. Unter den israelischen Geiseln waren auch vier Personen, die zusätzlich einen deutschen Pass haben. Außerdem ließ die Hamas zehn Thailänder und einen Philippiner frei. Als Teil der Abmachung ließ Israel dafür 39 palästinensische Gefängnisinsassen frei.
Den freigelassenen Israelis geht es dem Vernehmen nach auf den ersten Blick gut. Acht von ihnen wurden etwa im Schneider Children's Medical Center bei Tel Aviv erstversorgt. Ihren körperlichen Zustand bezeichnete ein Arzt gegenüber der Zeitung Haaretz als gut. Inwieweit die Menschen von ihren lebensbedrohlichen Erlebnissen und den ausgestandenen Todesängsten psychisch traumatisiert sind, ist noch unklar.
"Glücklich, dass ich meine Familie zurückbekommen habe"
Der Mann einer aus Geiselhaft im Gazastreifen freigelassenen Deutschen äußerte sich glücklich über die Rückkehr seiner Frau und ihrer gemeinsamen zwei kleinen Töchter. Er werde aber nicht feiern, ehe nicht alle Entführten zurückkehrten, sagte der Angehörige in einer Videobotschaft auf Hebräisch im sozialen Netzwerk Facebook. "Ich bin glücklich, dass ich meine Familie zurückbekommen habe." Er wolle ihnen helfen, sich von dem schrecklichen Trauma, das sie erlitten hätten, zu erholen. "Es liegen noch schwierige Tage vor mir."
Mit Informationen von AFP, Reuters und dpa
Im Video: Rückkehr der ersten Geiseln nach Israel
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