Sie sitzen rechtsaußen - vom grauen Rednerpult des Bundestags aus gesehen: 78 Abgeordnete der AfD. Seit 2017 ist die Partei im Bundestag. Für den Verfassungsschutz ist sie ein rechtsextremer Verdachtsfall. Einzelne Landesverbände gelten als gesichert rechtsextrem.
Neu ist das alles nicht. Und so ist die Bundestagsdebatte am Donnerstagnachmittag über die Enthüllungen des Recherchenetzwerks "Correctiv" [externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt] auch ein Gradmesser, wie es die anderen Parteien mit der AfD halten.
Wie gehen andere Parteien mit der AfD um?
Die Berliner Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach attestiert den Parteien, im Umgang mit der AfD dazugelernt zu haben. Im Gespräch mit BR24 stellt sie fest, dass es im Bundestag insgesamt härter, wütender und persönlicher geworden ist. Die anderen Parteien springen nach ihrer Einschätzung aber "nicht mehr über jedes Stöckchen" der AfD. Gemeint sind gezielte Provokationen.
Trotzdem würden Politik und Medien zu häufig über die Themen der AfD diskutieren, statt die Probleme der "überragend großen demokratischen Mehrheit" aufzugreifen. "Damit macht man es der AfD wahnsinnig einfach", so Reuschenbach.
Klingbeil: AfD zeigt ihr wahres Gesicht
SPD-Parteichef Lars Klingbeil beschreibt in der Bundestagsdebatte die Taktik der AfD, Treffen wie das in Potsdam herunterzuspielen. Dabei ist nach seiner Einschätzung dadurch das "wahre Gesicht der AfD" für alle sichtbar geworden.
Die Partei wolle alle aus Deutschland vertreiben, die nicht dem völkischen Weltbild der Partei entsprechen. Klingbeil verspricht ihnen: "Wir passen auf euch auf, ihr seid Teil dieses Landes." Das zeigen nach Ansicht des SPD-Chefs auch die vielen Demonstrationen der vergangenen Tage.
Union gibt Ampel eine Mitschuld
Klingbeil bekommt für seine Rede stellenweise auch Applaus aus den Reihen von CDU und CSU. Doch als Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei als zweiter Redner ans Pult tritt, ist es mit den Gemeinsamkeiten schnell vorbei.
Der CDU-Politiker gibt der Ampel indirekt eine Mitschuld am Erstarken der AfD. Die Koalition müsse sich fragen, warum eine Mehrheit der Menschen unzufrieden sei mit der Politik. Kritiker der Regierung dürfen nach Freis Worten nicht gleich als Verfassungsfeinde gebrandmarkt werden.
Wenn diese Debatte im Bundestag als klare Abgrenzung der Mitteparteien gegen die AfD geplant war - spätestens jetzt bekommt sie erste Risse.
Im Video: Bundestag debattiert über die Gefahr von Rechts
FDP warnt vor Hinterherlaufen
FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle kritisiert das in seiner Rede. Nach seinen Worten geht es nicht um die Politik der Ampel, sondern um die liberale Demokratie insgesamt. Kuhle warnt davor, den Themen der AfD hinterherzulaufen: "Keine Asylrechtsverschärfung wird den Rassisten und völkischen Nationalisten jemals genug sein." Die AfD dürfe nicht die politische Debatte bestimmen, sagt Kuhle - und schaut dabei auf die Abgeordneten der Union.
AfD-Redner Bernd Baumann versucht in seiner Rede, seine Partei als Opfer einer Kampagne von Politik und Medien darzustellen. Das Treffen in Potsdam spielt er herunter: "kleiner Debattierclub". Die dort diskutierten Deportationspläne relativiert er, als ob es nur darum gegangen sei, Straftäter abzuschieben.
Ähnlich hatte sich davor die bayerische AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy aus dem Wahlkreis Weilheim geäußert. Sie war bei der Veranstaltung in Potsdam dabei. Von dem Treffen und den besprochenen Themen distanziert sie sich nicht - im Gegenteil. Bei X - ehemals Twitter - verweist sie auf das AfD-Parteiprogramm.
AfD-Verbot bekommt mehr Unterstützer - auch aus Bayern
Die Diskussion über ein Verbot der AfD spielt am Donnerstagnachmittag im Bundestag nur eine kleine Rolle. Die meisten Redner betonen, die Partei müsse politisch bekämpft werden. Allerdings fordern mittlerweile fast 50 Abgeordnete, ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. Aus Bayern beteiligen sich Jamila Schäfer (Grüne), Volker Ullrich (CSU), Carmen Wegge und Sebastian Roloff (beide SPD) an der Initiative.
Einen Verbotsantrag können Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung stellen. Dann prüft das Bundesverfassungsgericht, ob eine Partei aktiv, kämpferisch und aggressiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung angeht. Rechtlich sind das hohe Hürden - und politisch ist die Diskussion hoch brisant.
Stärkt ein Verbotsverfahren die AfD?
Politikwissenschaftlerin Reuschenbach rät zur Zurückhaltung bis eindeutige Hinweise des Verfassungsschutzes vorliegen. Das Scheitern eines Verbotsverfahrens wäre aus ihrer Sicht fatal. Außerdem seien durch ein Parteiverbot nicht die dort vertretenen Einstellungen verschwunden.
Aus Sicht der Politikwissenschaftlerin ist es sinnvoller, sich mit Inhalten und Zielen der AfD politisch auseinanderzusetzen. So wie zum Beispiel bei den Bauernprotesten. Dabei sei klar geworden, dass sich die AfD zwar öffentlich hinter die Landwirtschaft stellt. In ihrem Programm fordert die Partei aber, alle Subventionen abzuschaffen. Das herauszustellen und zu diskutieren, kommt nach Reuschenbachs Eindruck aber noch zu kurz. Auch sieben Jahre nach dem Einzug der AfD in den Bundestag.
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