Der AfD-Parteitag von einer Empore.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Löb
Audiobeitrag

Der Staatsschutz ermittelt zu Vorfällen am Rande des AfD-Parteitags.

Audiobeitrag
>

Radikale Parolen nach AfD-Parteitag: Staatsschutz ermittelt

Radikale Parolen nach AfD-Parteitag: Staatsschutz ermittelt

Der Staatsschutz ermittelt zu einem Vorfall am Rande des AfD-Parteitags in Greding. Am Wochenende soll eine Gruppe in einer Diskothek ausländerfeindliche Parolen skandiert haben. Bei den Feiernden waren nach BR-Informationen auch AfD-Mandatsträger.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Es geht um eine Feier, die in der Nacht zum Sonntag im mittelfränkischen Greding nach dem AfD-Parteitag stattgefunden haben soll. Eine größere Gruppe war am Samstagabend nach Versammlungsende in einer Gredinger Disko. Darunter waren nach BR-Recherchen AfD-Mitglieder, Landtagsabgeordnete der AfD und Mitglieder der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD.

Teilnehmer des AfD-Parteitags singen ausländerfeindliche Parolen

Zeugen schildern BR24 die Situation. Demnach wünschten sich die Teilnehmer der Gruppe vom DJ das Liebeslied "L’amour toujours" von Gigi D’Agostino. Eigentlich handelt es sich dabei um ein harmloses Lied. In rechtsextremen Kreisen hat es sich allerdings, vor allem in den sozialen Medien, zu einer Art Neonazi-Hymne entwickelt, zu dessen Melodie ausländerfeindliche Parolen skandiert werden.

So soll es auch am Abend passiert sein. Die Gruppe soll zu dem Lied die radikalen Zeilen "Deutschland den Deutschen. Ausländer raus" skandiert haben. BR24 liegt ein Video der Situation vor.

Die Zeugen erzählen: Die Gruppe habe in einem Kreis in der Diskothek gestanden. Sie hätten blaue Bändchen am Arm getragen und seien deswegen klar als Teilnehmer des AfD-Parteitags identifizierbar gewesen. Der AfD-Parteitag fand am Wochenende im mittelfränkischen Greding statt. Die fast 800 anwesenden AfD-Mitglieder haben bei ihrer Akkreditierung am ersten Tag blaue Teilnehmer-Bändchen erhalten.

Zeugen: "Ohne Unrechtsbewusstsein"

Während das Lied gespielt wurde, sei die Gruppe zusammen gesprungen, habe die Hände in die Höhe gestreckt und geklatscht. Dann hätten sie die ausländerfeindliche Parole angestimmt. „Ich habe es nicht glauben können“, sagt ein Zeuge. "Da war ich erstaunt und entsetzt“, ein anderer, "dass sie das wirklich ohne Unrechtsbewusstsein in der Öffentlichkeit zeigen.“

Der Lokalbetreiber soll umgehend eingeschritten sein und den Gesang beendet haben. Die Zeugen sagen, dass die AfD-Mitglieder die Diskothek kurz darauf verlassen hätten.

Staatsschutz: Zeugenvernehmungen haben begonnen

Das Kommissariat Staatsschutz der Kriminalpolizei Schwabach ermittelt nun wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung. Im Interview mit BR24 sagte die zuständige Sprecherin beim Polizeipräsidium Mittelfranken, Janine Mendel, dass die Polizei damit begonnen habe, Zeugen zu vernehmen, "um aufklären zu können, wer in der Nacht in der Diskothek beteiligt war, wer welche Rolle innehatte, wer da mitgesungen hat oder eventuell nur dabei war."

Im Video: Radikale Parolen nach AfD-Parteitag

Der Parteitag der AfD am Wochenende in Greding hat ein Nachspiel.
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Der Parteitag der AfD am Wochenende in Greding hat ein Nachspiel.

AfD-Landtagsabgeordnete in der Gruppe

BR24 konnte mehrere Personen identifizieren, die am besagten Abend in der Gruppe dabei waren. Unter ihnen waren auch zwei Abgeordnete der AfD im bayerischen Landtag: Benjamin Nolte und Franz Schmid. Bis vor Kurzem war Benjamin Nolte zudem Teil des Landesvorstands der AfD. Am vergangenen Landesparteitag wurde er nicht wiedergewählt. Franz Schmid ist hingegen seit dem Wochenende neu im bayerischen Landesvorstand.

In dem Video, das BR24 vorliegt, ist zu sehen, wie beide Abgeordnete in der Gruppe stehen und mittanzen, während die Parole skandiert wird. Nolte schreibt dazu: Laut Berichterstattung habe der Lokalbetreiber den Gesang offensichtlich umgehend unterbunden, "so dass ein Einschreiten meinerseits nicht notwendig gewesen wäre." Schmid antwortet BR24, er habe die Parole nicht gesungen und könne auch nicht sagen, wer das getan habe. Er sei kurz darauf zurück ins Hotel gegangen.

Der Landesvorsitzende der AfD in Bayern, Stephan Protschka, sagte im Interview mit BR24: "Ich finde, so etwas unsäglich, sowas ist unmöglich." Er sehe aber keinen Zusammenhang zur AfD. Er habe mit der Polizei telefoniert. Es liege noch kein Beweis vor, dass ein AfD-Mitglied dabei gewesen sei. "Wenn es so ist, wird es intern geklärt und wird harte Konsequenzen mit sich ziehen."

"Identitäre Bewegung" bei AfD-Parteitag

Nach Informationen von BR24 war in der Gruppe auch ein Mitglied der rechtsextremen "Identitären Bewegung" anwesend. Dieses Mitglied war zudem am Samstag auch beim Parteitag der AfD im Veranstaltungssaal anwesend. BR24 liegt ein Foto vor, auf dem der Mann zusammen mit AfD-Politikern im Hippodrom in Greding zu sehen ist. Auf dem Foto ist zudem ein weiteres Mitglied der "Identitären Bewegung" zu sehen. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz bestätigt auf BR24-Anfrage: "Im Internet veröffentlichte Fotografien zeigen IB-Mitglieder gemeinsam mit Teilnehmenden des Parteitags. Ein IB-Aktivist dokumentierte u. a. auf der Bühne den Parteitag fotografisch."

Die "Identitäre Bewegung" steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Das bedeutet, dass Mitglieder der Gruppierung nicht Mitglied in der AfD werden können.

Forderung nach AfD-Verbot

Die Ereignisse befeuern die Diskussion über ein Verbot der AfD. Die SPD-Politikerin und Sprecherin der Landtagsfraktion zu Themen des Rechtsextremismus, Anna Rasehorn, fordert: "Wir müssen über ein AfD-Verbot diskutieren. Wir müssen auch in Bayern endlich die AfD in Bayern als gesichert rechtsextrem einstellen. Und wir müssen auch darüber diskutieren, ob solche Leute im öffentlichen Dienst wirklich die bayerische Verfassung wahren, oder nicht."

Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD in Bayern. Die Partei geht derzeit dagegen vor. Mehrere Instanzen haben die Klage der AfD bereits zurückgewiesen. Eine finale gerichtliche Entscheidung steht aber noch aus. In Bayern ist die Partei zudem noch nicht als erwiesen extremistisch eingestuft. In mehreren Bundesländern ist das bereits der Fall, so in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Der Landesvorsitzende der Grünen, Thomas von Sarnowski, fordert eine Einstufung als verfassungsfeindlich. Er schreibt, wichtiger als die Frage eines Verbots sei die Frage, ob die AfD "gerichtsfest als verfassungsfeindlich" eingestuft werden kann. "Das müssen die bayerischen Behörden jetzt schnell und intensiv für den Landesverband Bayern der AfD prüfen." Im nächsten Schritt könnten der AfD staatliche Gelder und ihren Mitgliedern der Beamtenstatus entzogen werden. Als "schärfste Waffe der Demokratie gegen ihre Feinde" bleibe das Verbot aber auf dem Tisch.

CSU und Freie Wähler gegen Verbot

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich zu den Ereignissen am Rande der CSU-Klausur in Kloster Banz. Er sagte: "Irgendwann einmal stellt sich die Frage: Ist nicht die gesamte Gruppe, gar die AfD in Bayern verfassungsfeindlich?" Das müssten Behörden prüfen und das müsste Konsequenzen haben. "Kein Verbot", sagt Söder, aber es könnte dazu führen, dass "das inkompatibel ist mit dem öffentlichen Dienst" oder "öffentliche Gelder nicht in der gleichen Form stattfinden können".

Ähnlich äußert sich auch der Vorsitzende der Freien Wähler–Landtagsfraktion, Florian Streibl. Zu den BR24-Recherchen schreibt er: „Es ist gleichermaßen erschreckend und abstoßend, dass völkisches Gedankengut so unverhohlen zur Schau getragen wird.“ Ein Verbot der AfD sieht er aber kritisch. Man müsse genau abwägen, ob ein Verbot das "braune Gedankengut, das in manchen Köpfen vorherrscht" beseitigen würde. "Besser ist es, den Menschen in unserer Heimat mit einer klaren, berechenbaren und zuversichtlichen Politik Sicherheit und Halt zu geben."

Anm. d. Red. (16.01.24): Franz Schmid antwortete auf unsere Fragen erst nach wiederholter Aufforderung. Wir haben seine Aussagen umgehend im Artikel ergänzt.

Charly Hilpert im Interview mit dem BR-Rechtsextremismus-Experten Jonas Miller.
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Radikale Parolen nach AfD-Parteitag: Der Staatsschutz ermittelt. Der BR-Rechtsextremismus-Experte Jonas Miller im Interview.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!