Im Iran sind zwei weitere Demonstranten hingerichtet worden. Die iranische Justizbehörde gab am Samstag bekannt, dass Mohammed-Mehdi K. und Sejed-Mohammed H. in den frühen Morgenstunden gehängt worden seien. Die beiden 22 und 20 Jahre alten Männer seien für schuldig befunden worden, Anfang November in Karadsch bei Teheran ein Mitglied der Basidsch-Einheit der Revolutionsgarden getötet zu haben, meldete die Justiznachrichtenagentur Misan.
Das Gnadengesuch der beiden Angeklagten wurde demnach vom obersten Gerichtshof abgelehnt und das Todesurteil bestätigt.
Anwalt: Geständnis unter Folter
Ein Anwalt erklärte, das Geständnis sei unter Folter zustande gekommen. Die iranischen Behörden bestreiten, dass Geständnisse unter Folter erpresst werden. Bereits im Dezember sprach Amnesty International von Scheinprozessen, die Demonstranten einschüchtern sollten. Damit steigt die Zahl der hingerichteten Demonstranten im Zuge der mehr als dreimonatigen systemkritischen Proteste nach offiziellen Angaben auf vier.
Nach Hinrichtungen: Baerbock für mehr Druck auf Teheran
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich nach der erneuten Hinrichtung von Demonstranten im Iran für mehr Druck der EU gegenüber Teheran ausgesprochen. Mohammed-Mehdi K. und Sejed-Mohammed H. seien vom Regime erhängt worden, "weil sie sich dem brutalen und menschenverachtenden Handeln nicht unterwerfen wollten", schrieb die Grünen-Politikerin am Samstag bei Twitter. Dies seien zwei "weitere schreckliche Schicksale, die uns bestärken, mit der EU den Druck auf Teheran weiter zu erhöhen".
Auch andere Bundespolitiker forderten harte Konsequenzen. Das Regime in Teheran sei ein Terrorregime und gehöre auf die EU-Terrorliste, schrieb etwa der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen.
Hinrichtungen bereits im Dezember
Im Zuge der landesweiten Proteste waren im Dezember bereits der Rap-Musiker Mohsen S. und Madschid-Resa R. wegen angeblichen Mordes und versuchten Mordes an zwei Basidsch-Mitgliedern hingerichtet worden.
Die Hinrichtungen sorgten im In- und Ausland für Entsetzen. Die EU beschloss daraufhin auch wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen weitere Sanktionen gegen den Iran.
Zahl der zum Tode Verurteilten unklar
Über die Zahl der zum Tode verurteilten Verhafteten gibt es widersprüchliche Informationen, da bei einigen das Todesurteil in Berufungsgerichten aufgehoben wurde. Die Rede ist teilweise von 20 Demonstranten, die auf der Todesliste der Justiz stehen sollen.
Nach Angaben von Menschenrechtlern sind im Zusammenhang mit den Protesten im Iran mindestens 16 Menschen in Prozessen hinter verschlossenen Türen zum Tode verurteilt worden, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Zwei der Todesurteile wurden von sogenannten Revolutionsgerichten verhängt, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen. Amnesty zufolge droht mindestens 26 Angeklagten die Todesstrafe. Die iranische Führung hat diese und ähnliche Angaben bislang weder bestätigt noch dementiert.
Viele Tote bei landesweiten Protesten
Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen getötet worden, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und Sicherheitskräfte. Mehr als 19.000 Demonstrierende seien verhaftet worden.
Skurriles Urteil gegen Fotografin
Unterdessen hat ein Gericht in Teheran gegen eine renommierte iranische Fotografin ein recht skurriles Urteil gefällt. In einer am Samstag veröffentlichten Presseerklärung gab die Justizbehörde bekannt, dass Yalda Moaiery wegen ihrer Beteiligung an den systemkritischen Protesten und der daraus resultierenden angeblichen Gefährdung der nationalen Sicherheit zu einer zweimonatigen Parkreinigung verurteilt worden sei. Außerdem müsse sie als Strafe einen 100-seitigen Recherchebericht zu einem iranischen Kleriker verfassen, erklärte die Justiz laut Tageszeitung "Shargh".
Fotografin postet Video ihrer "ehrenhaften Arbeit"
Die Fotografin selbst bestätigte auf Instagram das Gerichtsurteil und postete ein Video von sich mit einer orangefarbigen Uniform bei der neuen Arbeit. "Da ich als Fotografin nicht die Realitäten meines Landes reflektieren darf, mache ich dafür sehr gerne diese ehrenhafte Arbeit", erklärte die 41-Jährige auf Instagram. Die mehrfach ausgezeichnete Moaiery war im September verhaftet worden, als sie Fotos von Protesten machte. Ende Dezember kam sie auf Kaution frei.
Das Urteil beinhaltet auch eine sechsjährige Bewährungsstrafe und zwei Jahre Ausreiseverbot. Ihr wurde auch verboten, für zwei Jahre in Teheran und den Vororten der Hauptstadt zu leben, teilte die freie Fotografin auf Instagram mit. Gegen das Urteil könne sie laut Justizbehörde Berufung einlegen.
Viele Medienschaffende in Haft
Die Möglichkeiten der Berichterstattung im Iran sind seit den Protesten massiv eingeschränkt. Hinzu kommen Internet-Störungen und Sperren. Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) in New York wurden im Rahmen der jüngsten Proteste bereits mehr als 80 Medienschaffende verhaftet. In den sozialen Medien wurden die Verhaftungen auf das Schärfste verurteilt. Es gab diesbezüglich auch spöttische Posts: Mit all den inhaftierten Journalisten habe das berüchtigte Ewin Gefängnis in Teheran nun genug Personal, um eine eigene Nachrichtenagentur zu gründen, hieß es beispielsweise.
Metsola forderte stärkere Unterstützung der Demonstranten
Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, rief zu einer stärkeren Unterstützung der Demonstranten im Iran auf. Man müsse "aufstehen" und den Frauen und Männern beistehen, die im Iran für Leben und Freiheit auf die Straße gingen, sagte Metsola am Samstag auf der CSU-Landesgruppenklausur im Kloster Seeon in Oberbayern. Das seien Dinge, die man in Europa als gegeben hinnehme. "Aber es ist unsere Aufgabe als Union, diese weltweit immer wieder zu verteidigen, zu unterstützen und einzufordern."
Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini Mitte September. Die 22-Jährige starb in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.
Mit Informationen von dpa, Reuters und AP
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