Iris Berben lächelt ein wenig gequält, als Wolfgang Maier sie nach einer "Unterschrift" fragt. Direkt vor dem Hotel Bayerischer Hof in München hat er die Schauspielerin abgepasst.
Jetzt hält er ihr einen kleinen Zettel samt Stift hin. "Für Wolfgang, wenn Sie mir das freundlicherweise so aufschreiben könnten?" Dann folgt das Obligatorische: Maier zieht seine alte Olympus aus der Tasche, eine Analogkamera. Ein Klick, und das nächste Star-Selfie ist im Kasten.
Nicht immer ist dem Selfiesammler so viel Glück beschieden. Nach Berben verlässt Peter Kurth, bekannt aus dem Tatort und "Babylon Berlin", das Luxushotel, eilig, keine Chance, ein Foto zu bekommen. Maier wird übersehen. Und trägt's doch mit Fassung: "So kann’s passieren. Langsam ernährt sich das Eichhörnchen, sag’ ich mir immer."
Seit 1972 sammelt Wolfgang Maier Star-Selfies
Vor über fünfzig Jahren hat Wolfgang Maier, so kann man das wohl behaupten, das Selfie erfunden, lange bevor es Kim Kardashian gab. 150.000 Fotos mit Schauspielerinnen, Musikern und Regisseuren zählt seine unglaubliche Sammlung, verteilt auf über 600 Ordner.
Fein säuberlich geklebt ruhen sie im winzigen Arbeitszimmer seiner winzigen Wohnung im Münchner Stadtteil Fürstenried-West. Mit dabei sind etwa Arnold Schwarzenegger, Omar Sharif, Helge Schneider, Bud Spencer, Loriot, Lars Eidinger, Dustin Hoffman, Helmut Fischer, Katja Riemann, Bruno Ganz, Christoph Waltz … die Liste ließe sich ewig fortführen.
Er nehme nur Fotos von Menschen in seine Sammlung auf, die er auch persönlich getroffen habe, erklärt Maier. Das Ethos des Selfiesammlers. Sein Vorteil: Maier hat in fast eintausend Filmen als Komparse mitgespielt, immer als Mann im Hintergrund. Darunter auch "Das Netz" mit Klaus Kinski, ein Film von 1975. Maier verkörpert darin einen Fotografen, man sieht ihn kaum, er steckt irgendwo in einer Traube aus Reportern.
Sogar Kinski lässt sich mit ihm ablichten
Vor Kinski habe man ihn gewarnt, sagt er. "Als ich am Drehort ankam, haben sie gesagt, sei vorsichtig, am Tag vorher hat er jemandem einen Schuh nachgeworfen." Er habe den für seinen Jähzorn berühmten Schauspieler dann ganz anders erlebt. Sogar zu einem Foto ließ sich Kinski überreden. Den Beweis trägt Maier noch heute mit sich herum: Kinski, eine Kippe in der Hand, den Arm lässig auf Maiers Schulter gelegt. Wie alte Freunde sehen sie aus.
Maiers allererstes Foto datiert allerdings noch weiter zurück. Es entsteht bereits 1972, am Set von "Der Kommissar". Maier spielt einen Kriminalbeamten. "Aufregend" sei das gewesen, sagt er. Der Statist leckte Blut.
In über eintausend Filmen gibt er den Statisten
Es gibt wohl fast keinen zwischen 1970 und 2000 in München gedrehten Film, in dem Maier nicht mitspielt. Seine Sammlung ist gleichzeitig auch ein Filmarchiv: "Derrick", "Polizeiinspektion 1", "Die Hausmeisterin", "Tatort", "Kir Royal" – immer taucht irgendwo er auf. Ein Leben im Schatten der Anderen.
Oder in ihrem Licht? Die Gesichter auf den Fotos von Wolfgang Maier wechseln immer. Manche Schauspieler hat man längst vergessen. Nur eines bleibt gleich: sein eigenes. Das ist die Idee des Selfies: Ohne das Bild ist die Begegnung bedeutungslos.
Ans Aufhören denkt er nicht. "Man kann nie alle haben", sagt Maier. Eine Sisyphusarbeit also. Bis heute geht er, längst Rentner, auf Selfie-Jagd. Auch jetzt wieder, beim Münchner Filmfest. Nur die wichtigste Person, die ihm noch fehlt in der Sammlung, kann er dort nicht treffen: den Papst.
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