Vicco von Bülow alias Loriot steht neben der Büste einer seiner bekanntesten Figuren, dem Knollenasenmann, im Potsdam Museum. (zu dpa "Zum 100. Geburtstag von Loriot - Meister der Möpse und Wortungetüme") Foto: Karlheinz Schindler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Zum 100. Geburtstag von Loriot

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Ach was!? Loriot, das humoristische Universal-Genie wird 100

Er brauchte einfach Geld, das brachte den Zeichner "auf die absurde Idee, es mit Heiterem zu versuchen". Das zahlte sich aus: Als Loriot wurde Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow berühmt. Heute wäre er 100 Jahre alt geworden.

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"Früher war mehr Lametta!", "Berta, das Ei ist hart!", "Ich heiße Erwin Lindemann", "Mein Gott, Hildegard, warum sagen Sie denn nichts?", "Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann", "Holleri di dudl jö" oder schlicht "Ach was!?" - es gibt wohl kaum Menschen in Deutschland, sagen wir jenseits der 40, denen zu ihm nicht irgendein Zitat einfiele: Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow, oder kurz: Loriot, wie er sich als Karikaturist und Humorist nach der französischen Bezeichnung für den Pirol (dem Wappentier seiner Familie) nannte. Mit einer Fülle von Sätzen und Szenenschnipseln ist er Teil des kollektiven Gedächtnisses der Deutschen.

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  • "Ich bin Preuße!"

    Es ist ja viel geredet worden über die Deutschen und ihren Humor. Und vor allem über die Frage, ob sie überhaupt einen hätten. Aber weil Ausnahmen bekanntlich die Regel bestätigen, musste meist Loriot als eines der wenigen leuchtenden Gegenbeispiele herhalten. Dabei war der in Brandenburg an der Havel geborene Spross einer Adelsfamilie ein durch und durch von deutschen Tugenden geprägter Mensch. Oder wie es selbst einmal ausdrückte, mit ernster Miene, aber die markant buschige Augenbraue schelmisch hochgezogen: "Ich bin Preuße. Bitte zügeln Sie Ihre Begeisterung!"

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    Loirot mit Evelyn Hamann

    Ein penibler Perfektionist

    In der Tat war Komik bei Loriot stets das Produkt einer preußischen Arbeitsauffassung – diszipliniert und detailversessen, penibel in Szene gesetzt, mit einem beinahe pedantisch zu nennenden Willen zur Perfektion. Nichts blieb bei Loriot dem Zufall überlassen. Exemplarisch in seiner Meisterhaftigkeit: der Sketch "Die Zimmerverwüstung", in dem ein Mann beim Versuch, ein leicht schräg hängendes Bild geradezurücken, nach und nach und mit fataler Konsequenz die Einrichtung eines Wohnraums komplett zerstört, um das Chaos am Ende mit einem einzigen hilflosen Satz zu kommentieren: "Das Bild hängt schief!"

    • Zum Artikel: "Loriots große Trickfilmrevue": Klassiker oder alter Hut?

    Genauer Beobachter bürgerlicher Verhältnisse

    Das Großartige bei Loriot war, dass man dem Ergebnis seiner Arbeit die Anstrengungen nicht ansah, auch weil er nie den Fehler beging, seinen Sketchen und Filmen bedeutungsschwere Gesellschaftskritik aufzubürden. Er war ein Beobachter des banalen, alltäglichen Irrsinns, aber nie gnadenlos oder gar zynisch, sondern stets menschenfreundlich und liebenswürdig; und mit der genialen Gabe gesegnet, gerade so dick aufzutragen, um deutsch-bürgerliche Verhältnisse und Verhaltensweisen nicht karikierend zu verzerren, sondern auf höchst komische Weise kenntlich zu machen.

    Loriots "Dramatische Werke"

    Das Herzstück von Loriots Werk waren die in den 1970er-Jahren gedrehten Fernseh-Sketche, die er selbst auf dem berühmten grünen Sofa sitzend präsentierte. In seinen "dramatischen Werken", als die er seine Sketche selbst adelte, begegnen dem Publikum all die Menschen, die als gute Bekannte durchgehen: die Hoppenstedts und Hallmackenreuthers, Müller-Lüdenscheidts, Blümels oder Blöhmanns, dargestellt von Loriot selbst, der kongenialen Evelyn Hamann und einer Reihe weiterer Schauspieler, wie dem schnauzbärtigen Heinz Meier, der immer ein wenig so aussah, als hätte man ihm die schlechte Laune ins Gesicht geknetet. Zum Vergnügen des TV-Publikums natürlich.

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    Zum 100. Geburtstag: Sonderbriefmarke würdigt Humorist Loriot

    Cartoons als Einnahmequelle

    Begonnen hatte Loriot als Zeichner. In Hamburg, wo er seine Frau Romi kennenlernte, besuchte er die Landeskunstschule. "Auf die absurde Idee, es mit Heiterem zu versuchen", kam er aus schierer Geldnot. Erste Bildwitze für eine Illustrierte namens "Die Straße" brachten ein bescheidenes Salär. Frühe Cartoons für den "Stern" aus der späteren Reihe "Auf den Hund gekommen" erregten heftige Leserproteste. Dass Loriot die Verhältnisse umkehrte, und die Vierbeiner ihre Herrchen an die Leine nehmen ließ, empfanden manche als "menschenverachtend". Es dauerte seine Zeit, bis Loriots Humor mehrheitsfähig wurde.

    "Die toten Augen von Gauting"

    Loriots erster Realfilm entstand 1961, damals noch aus reinem Privatvergnügen, als er bereits in Bayern lebte, im Würmtal. "Die toten Augen von Gauting" ist ein auf Schwarz-Weiß im Super-8-Format gedrehter Stummfilm. Eine Edgar-Wallace-Parodie, in der Loriot selbst als Gastgeber einer feinen Tischgesellschaft zu erleben ist, korrekt im Anzug, wie er einen kleinen Rülpser unterdrückt. Das nimmt schon einiges vom späteren Loriot vorweg: der Mensch, der am eigenen Anspruch von Anstand und Ordnung scheitert – immer wieder war das sein Thema. Etikette und Entgleisung.

    Stattliches Zuhause am Starnberger See

    Dass es nach den holprigen Anfängen mit magerem Verdienst und massiver Kritik an seinen Zeichnungen dann doch sehr schnell bergauf ging, davon zeugt der Umzug an den Starnberger See nach Münsing, Ortsteil Ammerland. An der Villa, die Loriot mit Frau und den beiden Töchtern Bettina und Susanne dort 1963 bezog, hatte er eigenem Bekunden nach persönlich ein Jahr lang hingezeichnet. Selbstironischer Kommentar zum stattlichen Eigenheim: "Möge mir das Streben nach irdischem Besitz, diese bedenkliche Schwäche eines sozialkritischen Zeichners, dereinst verziehen werden."

    Ehrungen und Preise

    Münsing hat Loriot ein Denkmal errichtet in Form seiner zwei "Herren im Bad" ("Die Ente bleibt draußen!"). Ehrenbürger der Gemeinde wurde er sowieso, wie er überhaupt in späteren Jahren mit Auszeichnungen und Preisen überhäuft wurde, vom Karl-Valentin-Orden über den oberbayerischen Kulturpreis und den kulturellen Ehrenpreis der Stadt München bis zum Ernst-Lubitsch-Preis für seine Filmkomödie "Ödipussi" (1988), der er drei Jahre später den Spielfilm "Pappa ante portas" folgen ließ.

    Humoristisches Universalgenie

    Opernregie führte Loriot als begeisterter Wagnerianer auch noch. Er inszenierte Friedrich von Flotows "Martha" in Stuttgart und Carl Maria von Webers "Freischütz" in Ludwigsburg.

    Kurzum: er war ein (Fast-)Alleskönner, ein humoristisches Universal-Genie. In Deutschland, hat sich Loriot einmal beklagt, werde man als Komiker erst wichtig, wenn man seine tragische Seite nachgewiesen habe. Er aber wurde auch ohne abgründig zu erscheinen, zu einem der bedeutendsten und großartigsten Künstler, die dieses Land je gesehen hat.

    Im Video: Vor 100 Jahren wurde Victor von Bülow, besser bekannt als Loriot geboren

    Vor 100 Jahren wurde Victor von Bülow, besser bekannt als Loriot geboren.
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    Vor 100 Jahren wurde Victor von Bülow, besser bekannt als Loriot geboren.

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