Manchmal geht alles schneller als man möchte: Gestern noch ein Kind, heute schon erwachsen. Oder zumindest auf dem besten Weg dorthin. Denn so unkompliziert, wie sich insbesondere Eltern die Pubertät erhoffen, verläuft die Persönlichkeitsentwicklung der eben noch lieben Kleinen dann doch nicht. Motto: Pickel am Kinn, Ego dahin.
Die Module spielen verrückt
In "Alles steht Kopf 2" ist das Gefühlschaos programmiert – mal wieder. Schon 2015, im ersten Teil des Animationsfilms, machte Hauptfigur Riley eine Krise durch. Die damals Zwölfjährige zog mit ihren Eltern aus der Provinz in die Großstadt, verlor alte Freunde und das Vertrauen in die heilige Institution Familie.
Die Fortsetzung knüpft fast nahtlos ans Happy-End des Vorgängers an. Riley ist 13, feiert mit ihren neuen besten Freundinnen ein erfolgreiches Eishockeyturnier und ist kurz darauf zu Tode betrübt: Ein Schulwechsel steht an. In Kombination mit der wachsenden Teenager-Unsicherheit fahren die Emotionen Achterbahn im Turbogang.
Gefühls-Tsunami im pubertierenden Mutterschiff
Klingt hektisch, tendenziell stressig? Ist es. Aber nur manchmal, und dann in traditioneller Slapstick-Manier. Wer den ersten Teil von "Alles steht Kopf" mochte, dürfte sich ohnehin auf den Gefühls-Tsunami freuen.
Denn in der abstrahierten Parallelwelt in Rileys Unterbewusstsein tummeln sich die eigentlichen Protagonisten des Films: die Basis-Emotionen Freude, Angst, Wut, Kummer und Ekel – menschenähnliche Irrlichter, die ihr Bestes geben, ihr pubertierendes Mutterschiff von einem Tag durch den nächsten zu steuern. Ein zunehmend außer Kontrolle geratender Schlingerkurs setzt ein, als die perfekt aufeinander eingespielte Crew unerwarteten Zuwachs bekommt.
Je älter man wird, desto komplexer wird die Persönlichkeit. Pixar, die Vorzeige-Kreativschmiede im Animationsbereich, hat darin den Stoff für eine logische Fortsetzung ausgemacht und lässt Zweifel, Neid und Peinlich in Rileys Kopf einziehen. Ebenfalls dazu gesellt sich die Empfindung Ennui, eine liliblassblaue Vertreterin der modernen Langeweile, die auf dem Sofa flätzt und nur Augen für ihr Smartphone hat.
"Star Wars"-Effekt statt Ideen-Feuerwerk
Manche Gags sitzen und funktionieren generationsübergreifend. Echte Begeisterung kommt jedoch nicht auf. Was 2015 noch ein farbenprächtiges Ideen-Feuerwerk war, verfällt all zu schnell dem "Star Wars"-Effekt und ergeht sich in Wiederholungen.
Erneut werden Emotionen ins labyrinthartige Langzeitgedächtnis verbannt und müssen sich zurückkämpfen in die Kommandozentrale, in dem jetzt Zweifel das Denken bestimmt. Die Mission ist klar: Rettet Riley, rauft euch zusammen.
Das ist nett und voller liebevoller Details, aber rar an Highlights. Diese beschränken sich auf das kurzzeitige Vermengen verschiedener Animationsstile oder die Visualisierung von Sarkasmus.
So schlechte Ideen wie in der ebenfalls gelungenen Brainstorm-Szene hagelt es zwar nie – doch trotz der schieren Menge an handlungsbestimmenden und widerstreitenden Gefühlen bewegt sich diese Reise ins Ich allzu oft auf einer emotionalen Nulllinie.
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