Als sentimentaler Erzähler ist der Immobilien-Milliardär und Trump-Vertraute Steve Witkoff zweifellos talentiert. Bei seinem zweiten Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin sei es zeitweise "richtig persönlich" geworden, verriet Witkoff jetzt dem umstrittenen TV-Journalisten und bekennenden Trump-Fan Tucker Carlson.
"Putin hatte von einem führenden russischen Künstler ein wunderbares Porträt von Präsident Trump anfertigen lassen, überreichte es mir und bat mich, es Trump mitzubringen", so Witkoff: "Es war so ein liebenswürdiger Augenblick. Dann sagte Putin mir, als Trump [im US-Wahlkampf] beschossen wurde, sei er in seine örtliche Kapelle gegangen, habe den Priester herbeigeholt und für den Präsidenten gebetet. Nicht etwa, weil Trump US-Präsident werden könnte, sondern weil er mit ihm befreundet sei. Er betete für einen Freund!"
"Weihwasser kochte vor Wut"
Trump sei darüber "sehr bewegt" gewesen, so Witkoff, der Putin ausdrücklich nicht als "Bösewicht" bezeichnen wollte und nicht vergaß anzufügen, dass "nur die schlauesten Leute zum KGB" gehen durften.
Die Anekdote löste in Russland eine rege Debatte aus. Ein russischer Leser schimpfte über Putins angebliche Frömmigkeit: "Da kochte das Weihwasser vor Wut." Oder auch: "Sicher hat Putin ein Foto von Trump im Tanga auf seinem Nachttisch. Und bestimmt tauschen sie jeden Morgen auf X (vormals Twitter) Herzchen aus." Es war auch zu lesen: "Das ist so romantisch, mein Gott!"
Jemand fragte sich spöttisch: "Trägt Trump auf dem Porträt bereits den Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen?" Der Orden war kürzlich dem russischen Außenminister Sergei Lawrow zu dessen 75. Geburtstag verliehen worden. Nüchterner ist folgender Kommentar: "Bei Gott, sie sind wie Kinder, aber das Ergebnis ist null."
"Amerikaner sind sehr sentimental"
"Europa wird aufwachen und schockiert sein über das Interview mit Witkoff", so Kreml-Propagandist Sergei Markow mit Bezug auf das angebliche Gebet und das eigens angefertigte Trump-Porträt. "Das ist wahre Freundschaft! Wie kann Trump danach nicht dahinschmelzen? Selenskyj hatte in dieser Auseinandersetzung nie eine Chance", höhnte einer der Polit-Blogger: "Wenn alles wie erhofft abläuft, muss man zugeben, dass der Plan des Kremls, 'auf Trump zu warten', tatsächlich funktioniert hat und Putin Trump erfolgreich unter Druck gesetzt hat, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Obwohl der sich nicht wirklich wehrte."
BR24
Polit-Kolumnist Dmitri Drise vom Wirtschaftsblatt "Kommersant" schrieb ironisch: "Amerikaner sind sehr sentimental, und selbst Politiker bilden da keine Ausnahme: Sie lieben es, mit und ohne Grund zu weinen." Drise verwies darauf, dass Putin im Gespräch mit US-Präsident George W. Bush auch schon mal eine besinnliche Bemerkung einstreute. Danach war ein Wochenendhaus von Putin bis auf die Grundmauern abgebrannt, aber "wie durch ein Wunder" sei ein dort befindliches Kreuz unversehrt geblieben.
"Wenn alles von Witkoff abhinge, dann wäre mit ihm inzwischen alles geklärt", so Politologe Georgi Bovt: "Offenbar hat Putin bisher niemandem erzählt, dass er nach dem Attentat für Trump gebetet hat. Jetzt beschloss er, sein Herz auszuschütten."
"Die Fenster unserer Nachbarn einschlagen"
Bereits am 15. März hatte der russische Politologe Ilja Graschtschenkow die groteske Debatte über Putins "Trump-Gebet" vorweg genommen und einfallsreich mit Psychologie begründet: "Russland und die USA sind sehr junge Staaten, wenn auch mit alten Wurzeln. Wir respektieren Stärke und Größe und glauben, dass Gott immer mit uns ist. Europa ist zu alt und zu gerissen, es hat keinerlei Spielräume mehr, es hat nur noch die Wirtschaft. Dort lebt der altmodische Gott, der Jesus, der uns nahelegt, nach einem erlittenen Schlag auch die andere Wange hinzuhalten, und nicht der gewaltige Sabaoth, der die Gerechten zum Sieg führt."
Russland und die USA seien daher geborene Kumpel: "Amerika ist genau der Bruder, mit dem Sie unbedingt herumstreiten müssen, wer älter und besser ist. China, Europa, Großbritannien – die sind alle zu alt und zu weise, überwuchert von ihren Führungsschichten wie die Seeleute des Fliegenden Holländers im 'Fluch der Karibik' von den Seepocken. Mit den USA können wir die Regeln der 'Erwachsenen' infrage stellen und die Fenster unserer Nachbarn einschlagen."
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