Auf einer Konferenz russischer Unternehmer
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Erhobener Zeigefinger: Wladimir Putin

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"Moskau ist einfallsreicher": Verhandelt Putin besser als Trump?

"Moskau ist einfallsreicher": Verhandelt Putin besser als Trump?

Außer Absichtserklärungen ist beim Telefonat zwischen Trump und Putin nicht viel herausgekommen. Dennoch geben sich russische Beobachter sehr zufrieden: Hauptziel des Kremls sei es, Trumps Elan auszubremsen und dabei dennoch kooperativ zu wirken.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Moskau schafft es, die derzeitige Hauptaufgabe zu lösen – den Sturm und Drang von Trump auszubremsen. Washington setzt auf Dynamik, der Kreml verlangsamt alles, ohne sich dabei direkt zu verweigern", so der St. Petersburger Politologe Michail Winogradow (externer Link) zum jüngsten, zweieinhalbstündigen Telefonat zwischen Trump und Putin, bei dem es noch keinen "Durchbruch" zu einem umfassenden Waffenstillstand gab: "Darin liegt die Stärke Moskaus. Bisher funktioniert es. Die Schwachstelle des Kremls besteht darin, dass alle bereits ein wenig ermüdet sind."

Aus der Sicht des Politologen Wladislaw Inosemtsew, der sich in der in Amsterdam erscheinenden "Moscow Times" äußert, hat der Westen bereits verloren (externer Link): "Putins Plan, der darauf abzielte, die Fähigkeit der westlichen Welt zu untergraben, die globale Tagesordnung wirksam festzulegen und vorhersehbar und einheitlich zu handeln, hat im Großen und Ganzen funktioniert. Ich glaube nicht, dass das nur und ausschließlich Donald Trump zu verdanken ist – nein, Selbstzweifel sind seit den ersten Kriegstagen charakteristisch für den Westen." Insofern sei der Ukraine-Krieg ein "Wendepunkt": Seit 500 Jahren präge der Westen die weltweiten Angelegenheiten, das sei jetzt vorbei. Offenbar räume er anderen Mächten jetzt "Veto-Rechte" ein.

"Richtig und vorteilhaft für Russland"

Auch Polit-Blogger Andrei Nikulin (externer Link) ist wenig zuversichtlich: "Insgesamt hat man das Gefühl, dass der Kreml Trump schrittweise in einen Dialog verwickeln will, um eine gemeinsame Zusammenarbeit mit der Aufteilung von Einflusssphären ins Auge zu fassen, was dem ersehnten 'neuen Jalta' entsprechen würde [der Wiederauflage der Konferenz vom Februar 1945, bei dem die Alliierten die Aufteilung Deutschlands beschlossen]."

Beobachter Andrei Kalitin scherzte mit Verweis auf die Schlacht von Waterloo (externer Link) im Juni 1815, bei der Napoleon endgültig besiegt wurde, auf dem Schlachtfeld lasse sich ein Krieg offenbar in zweieinhalb Stunden beenden, am Telefon offenkundig nicht: "Vor allem, wenn keiner die Absicht dazu hat."

Michail Rostowski, der Chefkolumnist der auflagenstarken "Moskowski Komsomolez", bilanziert ungeachtet der bisher mageren Verhandlungs-Ergebnisse geradezu frohgemut (externer Link): "Die Ereignisse entwickeln sich weiterhin in die richtige Richtung – richtig und vorteilhaft für Russland." Kiew und Europa hätten bei den "großen Jungs" Trump und Putin nichts mehr zu melden, und der Kreml sei trotz seiner grundsätzlich "positiven Haltung" nicht bereit, in wirklich wichtigen Angelegenheiten irgendwelche Zugeständnisse zu machen.

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Eine Sichtweise, die der Propagandist Sergei Markow (externer Link) teilt: "Europa wurde außen vor gelassen. Das ist Putins und Trumps Rache an Europa für die Tatsache, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs sie hassen." Der rechtsextreme "Ultrapatriot" und Kriegsfanatiker Igor Skurlatow (522.000 Fans) verspottete seine "liberalen" Landsleute (externer Link): "Meine Herren und Damen aus dem Judas-Lager, Sie haben sich zu früh gefreut. Es steht 1:0 zu unseren Gunsten. Sie sollten vorsichtiger sein, wenn sie sich unbegründeten Illusionen und Selbsttäuschungen hingeben."

"Moskau in psychologisch vorteilhafterer Position"

"Moskau ist weiterhin einfallsreicher bei der Suche nach Berührungspunkten zur Trump-Administration (dort weiß man, wie man sie ansteuert) und befindet sich daher nach jeder neuen Verhandlungsrunde in einer psychologisch vorteilhafteren Position als zuvor", so das Fazit des in London lehrenden russischen Politologen Wladimir Pastuchow (163.000 Fans/externer Link).

Der ebenfalls im Exil lebende Abbas Galljamow (100.000 Follower), ehemals Redenschreiber von Putin, ist nicht ganz so sarkastisch (externer Link). Für die Ukraine bestehe "kein Grund zur Verzweiflung": "Putins Verhandlungsstrategie zielt darauf, die Zahl der zu diskutierenden internationalen Probleme zu erweitern – um Zugeständnisse bei anderen, für ihn nachrangigen Themen, wie etwa dem Nahen Osten, gegen Trumps Zugeständnisse in der Ukraine einzutauschen. Allerdings sollten sich die Ukrainer vom amerikanischen Präsidenten nicht hintergangen fühlen. Er stimmte Putins Hauptforderung bislang nicht zu – die Waffenlieferungen in die Ukraine während eines Waffenstillstands einzustellen."

"Trump vergaß, warum er angerufen hatte"

Politikberaterin Maria Sergejewa zeigte sich zufrieden (externer Link), dass die USA Russland jetzt wieder als "Großmacht" akzeptierten, auch Politologin Tatjana Stanowaja billigte dem Kreml zu (externer Link), dass er es geschafft habe, mit den USA wieder auf Augenhöhe zu verhandeln: "Putin gelang es, das Angebot eines umfassenden Waffenstillstands abzulehnen, ohne dabei Schaden zu nehmen. Für die Ukraine sind das sehr schlechte Nachrichten, denn sie wird in diesem Spiel immer mehr zur Verhandlungsmasse degradiert."

Blogger Dmitri Sewrjukow zog das Fazit (externer Link), das Trump/Putin-Telefonat lasse ihn zurück wie nach der Lektüre eines Fortsetzungsromans: Gespannt darauf, was noch kommt. Dagegen höhnte ein russischer Zeitungsleser: "Kurz gesagt, unser großer Geostratege [Putin] unterhielt sich mit Trump über abstrakte Themen, und Trump vergaß, warum er angerufen hatte."

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