Pöbeleien im Alltag, Hass auf Demonstrationen, antiisraelische Propaganda – nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat die Zahl antisemitischer Vorfälle deutlich zugenommen. Manchmal ist es "nur" ein abfälliger Spruch in der U-Bahn oder im Bekanntenkreis. Wie geht man damit um, wenn man Zeuge solcher Vorfälle wird?
Bei der Polizei anrufen, per Video dokumentieren
Antisemitismus fängt lange vor körperlicher Gewalt oder Schmierereien auf jüdischen Einrichtungen an, sagt Polizist Michael Weinzierl. Er rät, notfalls die Polizei zu rufen und gegebenenfalls im öffentlichen Raum auch ein Video zu machen.
Seit knapp einem Jahr sensibilisiert Weinzierl für das zunehmende Problem von Antisemitismus – die Öffentlichkeit, aber auch die eigenen Kollegen. "In dem Moment, wo das Bauchgefühl anspringt und man zum Beispiel in der U-Bahn mitbekommt, dass jemand abfällig über Juden spricht, ist ein Punkt erreicht, wo man aktiv werden sollte." Ein Anruf bei der Polizei sei immer das richtige.
Außerdem empfiehlt er, Öffentlichkeit herzustellen und andere Menschen auf die Situation aufmerksam machen. Ob man sich hingegen wirklich gegen den Täter zur Wehr setze, hänge von der Situation ab. "Traue ich mir das selber zu? Bringe ich mich selber in eine gefährliche Situation?" Denn das, so Weinzierl, würde auch vor Gericht keiner erwarten. Die Polizei selbst bietet entsprechende Workshops in Zivilcourage an.
Psychologin rät zur Gegenrede
Amrei Weinhöppel ist psychologische Psychotherapeutin aus München und arbeitet in der Rassismus- und Antisemitismus-Prävention. Im Kampf gegen Judenhass sei es entscheidend, antisemitische Äußerungen nicht wegzulächeln, sondern aktiv zu benennen und zu entkräften, betont sie.
Dabei gehe es gar nicht unbedingt um den Täter, sondern darum, was es mit den Menschen umher macht, ob jemand einschreitet oder nicht. "Weil es wird eben nicht ganz klar gesagt: Das darf man nicht." Denn jedes Mal, wenn ein Stereotyp wiederholt werde, bleibe es im Gedächtnis.
Und damit festigt sich Antisemitismus eben nur – und das umso mehr, wenn er unwidersprochen bleibt. Das gelte auch für den vermeintlich harmlosen, dummen Spruch eines Verwandten oder Freundes.
Auch Nikolai Schreiter von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern, kurz RIAS, sagt: "Man kann gar nicht zu klein anfangen, gegen Antisemitismus zu intervenieren. Und sei es nur, dass man sagt, das war antisemitisch, ich geh' jetzt aus der Situation oder denk mal darüber nach." Er höre von Juden häufig den Wunsch nach Solidarität und Widerspruch durch andere.
Betroffene schützen, Stopp sagen, dazwischengehen
Betroffene schützen, dazwischengehen, Stopp sagen – das setzt allerdings auch Wissen voraus. Wo fängt Antisemitismus an? Welche Stereotype gibt es? Dazu könne sich jeder selber fortbilden, rät Nikolai Schreiter – zum Beispiel bei der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern.
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