"Lass die weißen Tauben fliegen, wir träumen von Frieden, doch erst müssen wir gewinnen." Mit diesem Zitat beginnt Ole Nymoen sein Buch "Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde". Es ist der Refrain aus dem Song "Frieden" der Band K.I.Z.
"Das ist ein Lied, das perfekt diesen Scheinwiderspruch zwischen Krieg und Frieden hervorbringt. Denn viele sagen ja: Krieg und Frieden sind totale Gegensätze. Ich würde aber sagen: Das sind zwei Sätze, die gehören felsenfest zusammen. Jeder Krieg wird in Frieden vorbereitet – und jeder Frieden ist Folge eines Krieges", sagt Ole Nymoen, Jahrgang 1998, im Gespräch mit dem BR.
Argumente gegen Aufrüstung auf gut 100 Seiten
Auf etwas mehr als 100 Seiten liefert Ole Nymoen in seinem neuen Buch Argumente gegen Aufrüstung und das Streben nach "Kriegstüchtigkeit". Im vergangenen Jahr löste er mit einem Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) zum gleichen Thema einen Shitstorm aus. Vermutlich auch wegen dieser Resonanz hat der Rowohlt-Verlag Ole Nymoen gebeten, seine Perspektive genauer aufzuschreiben. Entstanden ist ein Buch gegen den Zeitgeist – und gegen die Zeitenwende.
Nymoen: pazifistische Haltung trotz Ukraine-Kriegs
"Wahrscheinlich würde kaum ein Bürger, dem man die Frage stellte, wie die Welt im besten Fall organisiert sein sollte, antworten: 'Es braucht an die zweihundert Staaten, die sich permanent mit Waffen drohen und sie in unregelmäßigen Abständen dann auch einsetzen!'", schreibt Nymoen etwa. An seiner pazifistischen Haltung ändere auch der russische Angriff auf die Ukraine nichts. Er verweist darauf, dass sich auch jetzt viele ukrainische und russische Wehrpflichtige verstecken, um nicht in den Krieg zu müssen.
Autor: Krieg dient den Interessen der Mächtigen
"Es gibt natürlich immer einen Unterschied zwischen einem angreifenden und verteidigenden Staat", sagt Nymoen, "aber beide haben eines gemeinsam: das Verhältnis zu den Bürgern. Sie sagen: Du als Bürger musst jetzt bereit sein, ob du dich mit dem Staat identifizierst oder nicht, für mich zu kämpfen." Krieg diene nur den Interessen der Mächtigen in den Nationalstaaten. Die meisten Menschen hätten wenig davon, sich gegenseitig zu erschießen. Er halte sich dabei an die Losung aus dem "Kommunistischen Manifest": "Die Arbeiter haben kein Vaterland".
"Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde" von Ole Nymoen
"Wer ernsthaft glaubt, zum Beispiel als Deutscher, ihn trenne, von einem französischen, russischen, polnischen Soldaten mehr als von seinem Vermieter, Friedrich Merz oder dem Rekrutierungsbeauftragten der Bundeswehr, dem möchte ich sagen: Das stimmt nicht. Euch trennt von diesen Leuten überhaupt nichts, auf die ihr da schießt im Kampf. Außer eure Nationalität", sagt Nymoen.
Kritik von Politikerin: "Debatte für Privilegierte"
Für seine Thesen muss er viel Kritik einstecken, etwa von der Publizistin und Grünen-Politikerin Marina Weisband: "Meine Großeltern haben mit einer Pistole unterm Kopfkissen geschlafen, weil für uns als Juden nicht egal war, wer diesen Krieg gewinnt", sagte sie in einer TV-Sendung mit Nymoen. Eine neutrale Haltung bei Konflikten helfe dem Aggressor; die von Nymoen geführte Debatte sei eine für Menschen, "die so privilegiert sind, dass es ihnen eigentlich fast egal sein kann, unter wem sie leben".
Ein Kapitel für den Vergleich zwischen Hitler und Putin
Dem Vergleich zwischen Hitler und Putin widmet Nymoen im Buch ein ganzes Kapitel. Es heißt: "Aber Hitler". Wenn man das Gegenüber zu Hitler erkläre, gäbe es aber gar keine andere Möglichkeit, als ihn auszulöschen: "Dass man immer den absolut schlimmsten Fall wählt, nämlich einen Hitler, mit dem sich in der Tat nicht verhandeln lässt, für den Vernichtung von Menschen ein Selbstzweck ist, dann sagt man eigentlich, der hat gar keinen Zweck außer Vernichtung. Deshalb muss man mit all den Mitteln, die einem zur Verfügung stehen kämpfen und kann niemals diplomatisch handeln."
"Warum ich niemals für mein Land kämpfen werde" liefert Argumente gegen Aufrüstung, Militarisierung und Wehrpflicht. Und eine Perspektive, die abseits von Hip-Hop-Songs in letzter Zeit selten debattiert wird: Lass die weißen Tauben fliegen, wir träumen von Frieden.
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