Auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr übt in diesen Tagen die Führung der 10. Panzerdivision im Rahmen einer Manöverserie der US-Armee. Laut Bundeswehr sind rund 600 Soldatinnen und Soldaten beteiligt. Simuliert wird ein Angriff auf Nato-Gebiet sowie die Verteidigung Litauens. Dafür müssen die Übungsteilnehmer Operationen planen und Truppen befehligen. Zu hören oder zu spüren ist davon allerdings nichts: Das Geschehen wird komplett digital simuliert. Die Führungsstäbe müssen an Computern reagieren. Alles findet unter strengen Sicherheitsauflagen statt.
"Kameradschaftliche Zusammenarbeit" mit der Army
Die US-amerikanische Übungsserie mit dem Namen "Warfighter" erstreckt sich über einen Zeitraum von drei Jahren. Geübt wird in verschiedenen Etappen, in denen die deutschen Kräfte jeweils wechselnde Aufgaben haben. Ziel ist es, die Einsatzbereitschaft von Großverbänden im Nato-Rahmen zu überprüfen. Aktuell beschreiben Bundeswehrkreise die Zusammenarbeit mit den US-Militärs auf der Arbeitsebene als weiterhin gut und "kameradschaftlich".
Großverband für die Nato
Mit der 10. Panzerdivision stellt Deutschland der Nato seit Jahresbeginn erstmals wieder einen kompletten Großverband des Heeres zur Verfügung. Befehligt wird die 10. Panzerdivision von Veitshöchheim aus. Zu ihr gehören zahlreiche Einheiten im ganzen Freistaat sowie in anderen Bundesländern. Sollte die Nato angegriffen werden, könnten die rund 20.000 Soldatinnen und Soldaten der Division auf Basis einer politischen Entscheidung ins Baltikum verlegt werden. Dazu kämen mehrere tausend Unterstützungskräfte, wie Sanitätssoldaten.
Einsatzraum Nato-Ostflanke
Die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen hat die Nato besonders im Blick. Sie zählen seit 2004 zur Allianz. Dem russischen Präsidenten Putin ist das ein Dorn im Auge. Experten fürchten deshalb seit Jahren, Russland könne die Nato im Baltikum testen – etwa durch ein Einsickern von Soldaten, die als irreguläre Kräfte auftreten und einzelne Ortschaften in der Nähe der Grenzen unter ihre Kontrolle bringen.
In Militärkreisen gilt die Verteidigung des Baltikums aufgrund seiner Lage als äußerst herausfordernd. Allzu leicht ließe es sich durch einen russischen Vorstoß in die Suwalki-Lücke isolieren. Der Begriff beschreibt einen Landstrich, durch den der Nachschub der Allianz auf dem Landweg rollen müsste. Begrenzt wird dieser durch Belarus im Osten sowie Kaliningrad im Westen. Die russische Exklave gilt als wichtiger Stationierungsort russischer Truppen. Für viele Balten ist das angesichts ihrer Geschichte ein Grund zur Sorge. 1991 etwa reagierte die sowjetische Führung mit Militäraktionen auf Unabhängigkeitsbestrebungen in Lettland und Litauen. Auch in der jüngeren Vergangenheit wurden aus dem Kreml alte Gebietsansprüche laut.
Wo steht das Heer?
Angesichts der angespannten Sicherheitslage und der Haltung der Trump-Regierung mahnen Experten wie der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD), die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr müsse dringend erhöht werden. Bartels ist heute Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er, angesichts der verteidigungspolitischen Aufgaben sei nach der Wahl keine Zeit für eine Hängepartie.
Im deutschen Heer ist es mit der 10. Panzerdivision offiziellen Angaben zufolge zwar gelungen, die erste von drei Divisionen nach vorne zu bringen, das Ziel von vollständiger Einsatzbereitschaft ist aber noch nicht erreicht worden. Das räumt auch Heeresinspekteur Alfons Mais im Interview mit dem BR ein. Der Generalleutnant steht an der Spitze der rund 60.000 Heeressoldatinnen und -Soldaten der Bundeswehr.
Schwächen sieht Mais weiterhin bei der Abwehr von Drohnen, die im Ukraine-Krieg massenhaft zum Einsatz kommen. Beschaffungen seien eingeleitet. Sie bräuchten aber noch Zeit, bis sie der Truppe zur Verfügung stehen, sagt Mais.
Reichen bestellte Mengen?
Der Inspekteur spielt damit auf den geplanten Wiederaufbau einer Heeresflugabwehrtruppe an. Dafür wurden zunächst 19 neu entwickelte Panzer vom Typ "Skyranger" nebst Zusatzfahrzeugen und weiterem Material für insgesamt 650 Millionen Euro bestellt. Bis 2028 sollen sie ausgeliefert sein. Der Rahmenvertrag mit Rheinmetall sieht die Beschaffung von 30 weiteren Skyrangern vor.
Geht es nach kritischen Stimmen, zu denen Hans-Peter Bartels zählt, so ist die Vollausstattung der deutschen Heeresverbände in noch zu weiter Ferne. Reserven würden nur unzureichend bedacht, sagt Bartels und legt den Finger in die Wunde: Denn nach der 10. Panzerdivision soll die 1. Panzerdivision einsatzbereit gemacht werden. Hier aber sieht er große Lücken. Eigentlich sollte das Ziel bis 2027 erreicht sein. Doch bis dahin werden die benötigten Panzer und Fahrzeuge kaum in der Truppe angekommen sein.
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