Der Bayreuther Stadtrat hat sich auf seiner Sitzung am Mittwoch einstimmig für ein Dokumentationszentrum zur NS-Ideologiegeschichte der Stadt ausgesprochen. Alle 40 anwesenden Stadträtinnen und Stadträte stimmten für den Vorschlag des Kulturreferates. Demnach soll eine Historikerin oder ein Historiker für das geplante Dokuzentrum fest angestellt werden und ein Konzept erarbeiten. Wo genau das Zentrum entstehen könnte, soll erst nach der Erstellung des Konzepts diskutiert werden.
Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg für Kuratorium gewonnen
Wenige Städte werden so eng mit dem NS-Regime in Verbindung gebracht wie Bayreuth. Man wolle mit einem Kuratorium externer Expertinnen und Experten – auch von der Uni Bayreuth – zusammenarbeiten, hieß es im Beschlussvorschlag.
Ein Kuratorium aus Wissenschaftlern und Museumspädagogen soll dem Dokuzentrum und dem federführenden Kulturamt der Stadt beratend zur Seite stehen. Bekannt wurde in der Stadtratssitzung, dass für das Kuratorium bereits der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skribeleit, gewonnen werden konnte. Weitere Namen sind dagegen noch nicht bekannt. Das Dokuzentrum soll Wissen über die NS- Ideologiegeschichte vermitteln, ebenso wie die Bayreuther Stadtgeschichte während des sogenannten "Dritten Reiches" aufgearbeitet werden soll.
Historiker fordert "Lernort" für Schüler und Jugendliche
Vor allem Schülerinnen und Schüler sowie Jugendliche sollen an die damaligen Vorgänge herangeführt werden. Das künftige Dokuzentrum solle ein Lernort werden, betonte SPD-Stadtrat und Historiker Christoph Rabenstein. Entsprechend solle die Konzeption sein, ergänzte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayreuther Stadtrat, Sabine Steininger. Ein weiteres Museum, wo keiner hingehe, brauche die Stadt nicht.
"Das Entscheidende ist, dass man junge Menschen für die Geschichte sensibiliert", hatte vor der Stadtratssitzung Bayreuths Kulturreferent Benedikt Stegmayer betont. Dass ein Dokumentationszentrum für die Stadt Bayreuth wichtig sei, hatte auch Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) im Gespräch mit BR24 deutlich gemacht. Die Stadt müsse sich der Verantwortung stellen und dafür sorgen, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholten.
Dokuzentrum mit bestehenden Gedenkorten verbinden
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Steininger und der Fraktionschef der CSU, Stefan Specht, sprachen sich auf der Stadtratssitzung am Mittwoch dafür aus, das künftige Dokuzentrum mit den bestehenden Bayreuther Gedenkorten zu verknüpfen, wie dem Wilhelm-Leuschner-Haus, dem "Gesprochenen Denkmal" am Sternplatz und der Ausstellung "Verstummte Stimmen" am Festspielhaus. SPD, FDP, Die Unabhängigen und die Bayreuther Gemeinschaft begrüßten, dass sich Bayreuth so seiner Geschichte stellen wolle, was in der Vergangenheit oft vermieden worden sei.
Wohnhaus von Houston Stewart Chamberlain ein "Täterort"
Eine Diskussion darüber, wo das Dokuzentrum errichtet werden soll, wird erst nach dem erarbeiteten Konzept und nach der Bestellung des Kuratoriums erfolgen. Bisher war als Standort das ehemalige Wohnhaus des Rassentheoretikers und Antisemiten Houston Stewart Chamberlain – eines Schwiegersohns Richard Wagners – angedacht. Das sanierungsbedürftige Haus befindet sich in unmittelbarer Nähe des Richard-Wagner-Museums und beherbergt aktuell noch das Jean-Paul-Museum.
Wenn sich ein Haus in Bayreuth für das Dokuzentrum anbiete, sei es das ehemalige Wohnhaus von Chamberlain, hatte vor der Stadtratssitzung Bayreuths Kulturreferent Benedikt Stegmayer im BR-Gespräch betont. Das Haus sei ein "Täterort" und quasi mit Chamberlain kontaminiert, so Stegmayer.
In einem offenen Brief hatten sich Bayreuther Kulturschaffende an Oberbürgermeister und Stadtrat gewandt. Darin hieß es wörtlich: "Unsere Stadt, unsere Region, die nachfolgenden Generationen – wir alle brauchen das NS-Dokumentationszentrum im Gebäude des heutigen Jean Paul Museums." Es sei gerade in politisch angespannten Zeiten und bei dieser Stadtgeschichte unerlässlich, einen Ort zu schaffen, an dem sich kompetent und wissenschaftlich fundiert mit Houston Stewart Chamberlain, einem der wichtigsten Vordenker des NS-Regimes, auseinandergesetzt werde. Auch der Widerstand gegen das NS-Regime müsse seinen Platz bekommen.
Nach Kritik Beschlussvorlage überarbeitet
Im April hatte sich im Kulturausschuss der Stadt Bayreuth noch Widerstand gegen das Dokumentationszentrum geregt, unter anderem bestand Uneinigkeit wegen der Kosten. Daraufhin wurde die Beschlussvorlage überarbeitet. Im Vorfeld der Stadtratssitzung am Mittwoch betonte Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU), dass Fördergelder zeitnah beantragt werden müssten. Für die Errichtung des Dokumentationszentrums können bis zu 90 Prozent der Kosten gefördert werden, hieß es dann auf der Stadtratssitzung.
Das Bayreuther Dokumentationszentrum soll künftig vor allem die Geschichte der NS-Ideologie aufarbeiten – es hätte damit einen etwas anderen Schwerpunkt als die schon bestehenden NS-Dokuzentren in München, auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden und auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.
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