Elisabeth Epstein, Selbstporträt, 1911
Bildrechte: Rechtsnachfolge der Künstlerin / Lenbachhaus
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Elisabeth Epstein, Selbstporträt, 1911

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"Der Blaue Reiter - Eine neue Sprache" im Lenbachhaus

"Der Blaue Reiter - Eine neue Sprache" im Lenbachhaus

Dutzende Meisterwerke von Wassily Kandinsky, Franz Marc oder Gabriele Münter werden bald in einer Ausstellung in der Londoner Tate zu sehen sein. Das Lenbachhaus nutzt die Chance und erzählt die Geschichte des Blauen Reiter noch einmal ganz neu.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Keine Sorge, das blaue Pferd ist noch da: Als Wappentier des Lenbachhauses blieb es in München. Sonst aber bietet die Neugestaltung tatsächlich viel Neues, und zwar keinesfalls irgendwelche B-Werke - ganz im Gegenteil: Endlich ist auch einmal Platz für noch nie ausgestellte Neuerwerbungen, für bisher Übersehenes und kluge Ergänzungen.

Das markante Porträt des Tänzers Alexander Sacharoff von Alexej von Jawlensky ist bekannt: Es zeigt den androgynen Tänzer in einem hautengen, knallroten Kleid mit aufwändig drapierten Haaren und schmalem Gesicht, schneewittchengleich geschminkt mit weißer Haut, roten Lippen und schwarz umrahmten Augen. Er wirkt nicht nur feminin, sondern vor allem auch keck und tiefgründig.

Direkt daneben sieht man nun eine Collage "Pavane Fantastique" von Sacharoff selbst: eine Kostümstudie, die einen Tänzer wie in Trance zeigt, mit einem irrwitzig aufwändigen Kostüm mit meterhohem Kopfschmuck. Das alles zusammengeklebt aus farbigen Papieren, Pailletten, Glitzerfolien und Samt. Dieses Werk hat man vorher nirgends gesehen.

Eine der neuen Sprachen war die Abstraktion

Dabei zeigt es beispielhaft, worum es den lose in einer Gruppe verbundenen Künstlern des Blauen Reiter ging: um eine neue Sprache, im Sinne von: neue Ausdrucksformen. Der Blaue Reiter proklamierte keinen einheitlichen Stil, es gab ein Nebeneinander verschiedener künstlerischer Sprachen. "Der Blaue Reiter hat eben gesagt, es gibt keine gute Form, es gibt nur guten Inhalt", sagt Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses. "Und der Inhalt, wenn er dann gut ist, muss etwas Spirituelles abbilden, es muss etwas mit uns machen, es muss uns als Menschen ansprechen und eine gewisse existenzielle Bedeutung haben, Gefühle ansprechen."

Eine der neuen Sprachen war die Abstraktion. Sie bot völlig neue Möglichkeiten, sich auszudrücken, und war dabei international verständlich. "Bisher ist die Kunst ja so, dass sie schwer zu verstehen ist, obwohl sie realistisch ist, weil die Themen, die abgebildet sind, eben immer sehr hohe, intellektuelle Dinge sind, also der Raub der Sabinerinnen, da muss man dann Ovid gelesen haben, oder es sind historische Ereignisse", sagt Mühling. Der Blaue Reiter hingegen zeige Dinge, "die wir alle kennen, Landschaften, Personen, Innenräume, man will zurück zu einem Publikum, das alles versteht".

Die Künstlerinnen und Künstler des Blauen Reiter suchten nach intuitiven Erzählweisen. In der Volkskunst oder der Malerei eines Kindes sahen sie ihre Prinzipien realisiert. Das alles behandelten sie dabei völlig gleichwertig nebeneinander. Das Lenbachhaus führt diesen Gedanken heute weiter. Der jüngste Ankauf ist beispielsweise eine kleine Kinderkommode, bemalt von Franz Marc mit Hasen, Hühnern und roten Rehen. Daneben Ostereier von Gabriele Münter: zwei Gänse-Eier mit christlichen Szenen und einer bunten Schleife auf dem Eierkopf.

Bildrechte: Lenbachhaus
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Franz Marc, Bemalte Kindertruhe, 1910/11

Kandinsky sammelte Kinderzeichnungen

An anderer Stelle benutzen die Künstlerinnen und Künstler die Sprache der Kinder: Kandinsky sammelte Kinderzeichnungen, mehr als einmal übernahm er Formen eins zu eins, wie etwa in seiner "Romantischen Landschaft", in der drei Pferde quer durchs Bild einen Abhang herabpreschen.

Eine große Stärke der Schau: Sie zeigt die Wurzeln des Blauen Reiter im Jugendstil und sie endet auch nicht einfach mit dem Ersten Weltkrieg, als die Gruppe kriegsbedingt auseinandergeht. Die Suche nach einer neuen Sprache geht weiter: Gabriele Münter etwa, von der einige ihrer wenigen ganz abstrakten Gemälde zu sehen sind, ist auch mit späten Bildern vertreten, die ganz der Neuen Sachlichkeit angehören: ihr "Baum an der Seine" ist kühl und glatt, wie ein schwarzer Schattenriss liegt er vor dem grünen Fluss und der Silhouette der Stadt.

Internationale Gruppe von Kosmopoliten

Was sich in dieser Zeit die Künstlerinnen und Künstler ausgedacht hätten, seien alles Ideen, an die unsere Gesellschaften bis heute glauben, sagt Mühling, "dass eben Kunst gesellschaftlich wirksam sein muss, dass sie sich um die aktuellen Probleme unserer Gesellschaft kümmern muss, dass sie politisch sein muss, all das haben wir quasi hier in der ersten großen ausformulierten Form".

Der Blaue Reiter war eine Gruppe internationaler Kosmopoliten, die nichts weniger als die Grundlagen unseres heutigen Kunstverständnisses legten. Um das zu zeigen, braucht es nicht zwingend Franz Marcs Tiger oder Kandinskys Sintflut. Im Gegenteil: dass die Platzhirsche derzeit einen Ausflug nach London machen, ist ein großes Glück: So kommen unzählige andere hochkarätige Arbeiten endlich auch mal vor die Augen des Publikums.

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