Die Band "Deine Freunde" beim Tollwood-Festival in München
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Deutsche Musikszene: Warum machen jetzt alle Kinderlieder?

Deutsche Musikszene: Warum machen jetzt alle Kinderlieder?

Helene Fischer, Lena Meyer-Landrut oder Nico Santos. Eigentlich alles was Rang und Namen in der deutschen Musikszene hat, mischt derzeit bei Projekten mit, die auf Kinder zugeschnittenen Inhalte produzieren. Warum bloß?

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Kinder sind kaufkräftig, natürlich nicht die lieben Kleinen selbst – ihre taschengeld-befüllten Geldbeutel dürften für deutsche Plattenfirmen nicht allzu viel Relevanz besitzen. Aber die Geldbeutel ihrer Omas und Opas, Onkel und Tanten oder ihrer Eltern dagegen umso mehr. Und das, obwohl letztere aufgrund der Herausforderungen der Elternschaft deutlich weniger Zeit und Geld in den eigenen Musikkonsum investieren als früher – dafür umso mehr in den des eigenen Nachwuchses.

Gutes Geld verdienen mit Kindermusik

Laut Jahresbericht des Branchenverbands Musikindustrie trug das Repertoiresegment "Family" 2023 insgesamt elf Prozent zum Gesamtumsatz der deutschen Musikindustrie bei, weit vor Sparten wie Klassik, Jazz oder auch Schlager. Dass sich mit Kindermusik gutes Geld verdienen lässt, weiß man nicht erst seit gestern. Siehe Rolf Zuckowski oder Peter Maffays "Tabaluga".

"Deine Freunde" haben Millionen von Streams auf Spotify

Verantwortlich für den aktuellen Hype dürfte vor allem die Band "Deine Freunde" sein. Das Projekt, an dem auch der ehemalige Schlagzeuger der Pop-Band "Echt" beteiligt ist, veröffentlicht seit 2012 selbstgeschriebene Kindermusik in zeitgenössischem, hiphop-lastigem Gewand, und entwickelte sich schnell vom Eltern-Geheimtipp zum Megaseller. "Deine Freunde" verzeichnen Millionen Streams auf Spotify, füllen auf ihren Tourneen regelmäßig Arenen und wurden so zur Blaupause für viele ähnlich gelagerte Projekte wie die "Giraffenaffen" oder das rappende Nashorn DIKKA.

Kinder sind "Superfans" und "Superfans" sind die neue Zauberkategorie in den marktwirtschaftlichen Metriken der Musikindustrie. Denn sie sind eben keine Gelegenheitskonsumenten mit wenig emotionaler Bindung ans Gesamtprodukt – "Superfans" sind enthusiastische Dauerhörer mit großer Bereitschaft, Geld in weiterführende Produktoptionen wie zum Beispiel Merchandising zu investieren.

Kinder: "Superfans" und Dauerhörer

Wie hochemotional und empfänglich kleine Kinder für die Merch-Palette ihrer bevorzugten Unterhaltungsangebote sind, wissen Eltern. Folgerichtig hat auf dem Markt der Kindermusik sogar die gute alte CD noch eine große Relevanz und nicht zuletzt die sehr erfolgreichen Tonies. Dass Kinder leidenschaftliche Dauerhörer sind, das wissen Endlosschleifen-geplagte Eltern ebenfalls. Und so dürfte es wenig überraschen, dass zum Beispiel die Kindermusikerin Simone Sommerland bei Youtube auf insgesamt drei Milliarden Aufrufe kommt.

Am Ende entscheiden die Kinder selbst

Kunst für Kinder zu machen, ist eine ehrenwerte und anspruchsvolle Arbeit, vor allem wenn man es gut machen möchte. Bei Projekten wie "Deine Freunde" oder auch beim Nashorn DIKKA wird erfreulicherweise mit viel Witz, Kreativität und Leidenschaft gearbeitet. Womöglich feilt man hier nicht so lang am Endresultat wie bei anderen Musikproduktionen – aber ein gewisses Maß an hörbarer Leichtigkeit und Spaß an der Unverkopftheit ist bei Kindermusik ja auch wünschenswert.

Dass es dennoch bei einigen Kinderlied-Veröffentlichungen vor allem um die attraktive Formel "Minimaler Aufwand bei maximalem Ertrag" geht, das zeigt Helene Fischers jüngst veröffentlichtes Album "Die schönsten Kinderlieder". Die zwei dutzend bekannten Kinderlieder nochmal neu zu produzieren und einzusingen, das dürfte die beiden Vollprofis Alex C. und Helene Fischer nicht viele Studiotage gekostet haben. Hinzu kommt ein geradezu empörend liebloses Covermotiv. Trotzdem wurde das Album gut einen Monat nach Veröffentlichung bereits über zwei Millionen gestreamt. Es liegt also an den Erziehungsberechtigten, wie viel marktwirtschaftliches Kalkül sie ihrem Nachwuchs zumuten wollen. Wobei – auch das wissen leidgeprüfte Eltern: Am Ende entscheiden eh die Kinder selbst. 

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