Wann immer ein Mann etwas Grausames, Dreistes oder Dummes macht, und insbesondere wenn eine Frau ihn deshalb "outcallt", also darauf aufmerksam macht, kommt kurze Zeit später das Argument #NotAllMen. "Not all men" heißt so viel wie: Aber es sind doch nicht alle Männer so. Nicht alle vergewaltigen, belästigen, würdigen Frauen herab. Nicht alle lassen andere ihre Wäsche waschen und setzen sich mit Martin, Markus, Alexander, Carsten und Thorsten an einen Tisch, um in reiner Männerrunde über die Zukunft des Landes zu beraten. Oder, wie es aus dem fiktiven TV-Moderator Douglas Bellowes in der Serie "Douglas is Cancelled“ herausbricht: "Ich habe nicht das Geringste damit zu tun! Ich bin nicht wie die".
Gecancelt wegen eines sexistischen Witzes
Douglas ist die Titelfigur der Dramedy "Douglas is Cancelled". Eine britische Serie von Steven Moffat ("Doctor Who", "Sherlock"), die jetzt in der Arte-Mediathek zu sehen ist. Warum Douglas gecancelt ist? Das liegt an diesem Tweet: "Mitgehört: TV-Moderator Douglas Bellowes erzählt einen extrem sexistischen Witz auf einer Hochzeitsfeier". Zwar steht in dem Post nicht, was Douglas genau gesagt hat. Aber allein die Unterstellung von Sexismus kann in woken Zeiten Karrieren beenden – jedenfalls befürchten das Douglas und sein Chef.
Dabei lief doch gerade alles so gut für die beiden. Ihre traditionsreiche Nachrichtensendung auf bestem Sendeplatz hat den Sprung ins digitale Zeitalter und zur U30-Zielgruppe geschafft. Denn Douglas steht neuerdings die so gutaussehende wie kompetente Madeline Crow als Anchorwoman zur Seite. Die scheint erstmal verblüfft, dass ihr Co-Moderator sich einen frauenfeindlichen Fauxpas geleistet haben soll. Wobei er selbst Wert aufs Wording legt: Der Witz, an den er sich nicht erinnern kann oder will, sei nicht "frauenfeindlich" sondern "sexistisch" gewesen.
Mitfühlen mit dem Boomer-Papa
Die Serie "Douglas is Cancelled" lässt einen zunächst schmunzeln über diesen Ewiggestrigen und auch mit ihm mitfühlen. Als sich nämlich ein immer größer werdender Shitstorm über ihm zusammenbraut, seine Frau ihn pausenlos zur Schnecke macht und ihm dann auch noch seine Gen-Z-Tochter ihre an der Uni aufgeschnappten Politphrasen vor den Latz knallt: "Ok Boomer, hör auf mich zu mansplainen."
Doch gerade als man sich schützend vor diesen vergleichsweise harmlosen Papa stellen will, kommen einem doch Zweifel. Wer sagt eigentlich, dass wir ihm und seinem eigenen Urteil, zu den Guten zu gehören, trauen können? Kann man ohne Selbstkritik überhaupt richtig handeln? Im Serienfinale schreit Douglas, "Ich bin nicht im Geringsten wie er!" Er meint damit: "Not all men", "Not me" – und zeigt mit dem Finger stattdessen auf die Männer, die ihre Machtposition missbrauchen, um Frauen zu missbrauchen. Stichwort #MeToo.
"Du kriegst keinen Preis fürs Nicht-scheiße-sein"
Natürlich sei er nicht wie die, entgegnet seine Kollegin. "Aber das ist nichts Besonderes, du kriegst keinen Preis fürs Nicht-scheiße-sein." Die Welt sei voll von Männern, die nicht so seien. Die entscheidende Frage ist aber: "Wenn es so viele von euch gibt, wo seid ihr dann zum Teufel?" Wo war Douglas etwa, als er gesehen hat, dass sie Angst vor einem Kollegen hat?
Diese Fragen stellt die fiktive Fernsehmoderatorin Madeline Crow in der Serie. Die echte britische Fernsehmoderatorin Jameela Jamil hat es 2021 in einem Social-Media-Post (externer Link) ganz ähnlich formuliert. Nachdem eine 33-Jährige in London von einem Polizisten vergewaltigt und ermordet worden war, irrlichterte einmal mehr das #NotAllMen-Argument durchs Netz. Jamil entgegnete, dass es stimmt: Nicht alle Männer schaden Frauen. Aber, fragte sie: "Setzen sich alle Männer dafür ein, dass ihre Mitmänner Frauen nicht schaden? Schreiten sie ein, wenn sich andere problematisch äußern oder verhalten? Wie wichtig ist #allmen unsere Unversehrtheit?" Nicht wichtig genug. Das ist die Antwort der so unterhaltsamen wie lehrreichen Serie "Douglas is Cancelled".
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