Eine große französische Landküche, Ende des 19. Jahrhunderts. Ein mit Holz beschickter Ofen, breite Flächen für Zubereitung, belichtet durch Fenster und eine Türe ins Freie. Pfannen, Messer, Heber, Wender, Kessel. Das ist der Arbeitsplatz von Eugenie, gespielt, nein, besser, verkörpert von Juliette Binoche. Sie ist die Köchin in diesem, ihrem Reich. So folgt man ihrer Tätigkeit in den ersten 20 Minuten dieses höchst charmanten Films.
Betörende Kochkunst auf der Leinwand
Es ist ein ästhetisch-kulinarisches Vergnügen hier zuzusehen, die Aromen diffundieren gleichsam von der Kinoleinwand. Vor 30 Jahren drehte Regisseur Trần Anh Hùng in seinem, damals oscarnominierten Film "Der Duft der Grünen Papaya" schon einmal einen betörenden Liebesfilm. Bei dem es vor dem Hintergrund der Zubereitung um die Chemie zwischen zwei Menschen ging. Hier nun ist der gefeierte Gastronom Dodin Bouffant, Benoît Magimel, das Gegenüber.
Für ihn zaubert Eugenie auch gern ein morgendliches, luftiges Omlett, nachdem sie aus dem großen Gutsgarten vom Kräuterzupfen gekommen ist. Er, das ist der reiche Hausherr, ein legendärer Koch, ein Gourmet, dessen Diners au maison mit seinen bürgerlichen Freunden kulinarische Sensationen sind. Man diskutiert über Finesse, die Fertigkeit des legendären Kochs Escoffier, über den Gargrad, man schmatzt, die bourgoise Herrenrunde delektiert sich am mehrgängigen Menü.
Die Freiheit der Köchin Eugénie
Und erweist anschließend der Bediensteten, aber doch eigentlich der Dame des Hauses die Referenz, die, obwohl nur Köchin, doch sehr viel mehr ist. Sie ist das Herz dieses sinnlich-intelligenten Films, die frauliche Mitte, nach der der Hausherr sich sehnt. Denn obwohl sie über 20 Jahre im Château bisweilen das Bett mit ihm teilt, lässt sie ihn schmoren. Sie ist seine Geliebte, seine Köchin, sein Eros, aber bei seinem stetiges Ansinnen seine Frau zu werden, lässt sie ihn abtropfen.
Es ist dieses Gefälle der Klassen, das sich sich hier emanzipatorisch umkehrt. Die Herren delektieren sich im Salon, während die exquisite Köchin unten im Küchendampf schuftet. Doch es geht nie oberflächlich um Klassenkampf, Eugénie ist eine gefeierte Künstlerin im Souterrain, die die Einladung an die Tafel verweigert und sagt: Ich spreche mit Ihnen durch das, was Sie essen.
Von den Aromen des Lebens
Auch wenn das eigentliche Handlungskonstrukt dünn ist - das Werben des Geniekochs um seine kongeniale Köchin und Komplizin - so ist "Geliebte Köchin" doch so viel mehr. Es geht um die Aromen des Lebens, die Kunst, um den Moment, die Zwischentöne, die Flüchtigkeit. Und so offenbart sich in diesem feinen, ruhigen Kammerspiel vor dem Tableau der Kulinarik weitaus mehr als pure Gaumenfreude. Es ist ein Blick auf das Leben, auf die Freude - und das Vergehen. Kostbar ausgebreitet und klug mit Finesse gewürzt. Die Jahre des Seins, die Existenz, das Ende - als ritualisierte Menüfolge. Am Ende des Films steht der Tod, der gleichzeitig den Aufbruch in einen neuen Anfang symbolisiert. Auch wenn man sich bei der dialogischen Ausgestaltung der emotionalen Beziehung der beiden Protagonisten etwas mehr Substanz erhofft hätte, bleibt die "Geliebte Köchin" ein wahrlicher Kinogenuss.
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