Sasha Marianna Salzmann
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"Gleichzeit": Ein Briefwechsel nach dem Terror des 7. Oktober

"Gleichzeit": Ein Briefwechsel nach dem Terror des 7. Oktober

Weiterleben mit dem Schrecken: Wie geht das? Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel beginnen Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman eine Korrespondenz zwischen Deutschland und Israel. Nun erscheint ihr Buch, und sie stellen es in Augsburg vor.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Der 7. Oktober sei wie eine Granate, die neben einem explodiert: Dieses Bild hat Ofer Waldman für den Terror der Hamas gefunden. Und Sasha Marianna Salzmann nimmt es auf: Man sei nach diesem Ereignis erst einmal wie taub gewesen: "Ich wusste nicht, wo oben und unten ist, und als mir klar wurde, dass ich blind und taub bin, habe ich Scherben in den Händen gespürt und musste erstmal diese Scherben abtasten. Ich glaube, das ist das, was man am Anfang dieses Buches merkt."

Das Persönliche erzählen

Am Anfang stand eine Frage, geschickt von der Dramatiker*in Sasha Marianna Salzmann, damals gerade in Budapest, an den Freund Ofer Waldman in der Nähe von Haifa: Wie geht es dir, wie geht es euch? Fragen, die so normal klingen und die hier wie Scherben in die Hände schneiden. Aber nach und nach stellt sich heraus: Das Sich-gegenseitig-Schreiben, dem anderen Erzählen ist für diese beiden wie ein tastendes Suchen nach Halt angesichts des Entsetzens.

Für ihn als jemanden, der oft für deutsche Sendeanstalten aus Israel berichte, sei das wie eine Rettung gewesen, sagt Ofer Waldman: Denn es sei ihm die Fähigkeit abhandengekommen, das, was er gesehen habe, auf eine politische Pointe hin zu schreiben: "Das einzige, was ich konnte, waren eben diese sehr persönlichen, sehr unmittelbaren Beschreibungen", so Waldman. Nicht über "die jüdisch-israelischen Geiseln im Gazastreifen" zu sprechen, sondern über eine ganz konkrete Familie. "Das ganz Persönliche, das war ab einem bestimmten Punkt fast die einzige Erzählung, die mir gelang – mit Sasha als Gegenüber."

Hinsehen, nicht recht haben

"Du schreibst mich in die Welt zurück", formuliert Ofer Waldman im Buch. Seine Skizzen aus seinem israelischen Alltag berichten von Totenklagen – jeder hat jemanden verloren –, von immer neuen schlimmen Nachrichten, von Demos für die Geiseln, Demos für den Angriff, Todesanzeigen, Warnschildern. Sasha Marianna Salzmann beschreibt sehr stark ihr Gefühl von Verstrahlung, die viele in ihrem Umfeld trifft oder betrifft – und manche eben gar nicht, die nach dem ersten Schock nach der Hamas-Attacke im Oktober ihren westeuropäischen Alltag weiterleben.

Die eigene Begrenzung des Blicks, die Bindung an die eigene bekannte Realität, wird dann auch noch anders Thema in der Korrespondenz: "Wir schreiben so wenig über Gaza", heißt es an einer Stelle. Dieser Satz, sagt Sasha Marianna Salzmann, sei der Anfang gewesen für ein literarisches Gespräch darüber, was in Gaza passiere, in den besetzten Gebieten – oder auch mit deutsch-palästinensischen Menschen in Deutschland: "Das Benennen der Menschenrechtsverbrechen, die heute passieren, gehört zu unserem politischen Alltag, zu unserem aktivistischen Alltag", das Buch sei aber "eher ein literarisches Werk, das eine Absage ist an politische Analysen und Rechthaben".

Leben in der "Gleichzeit"

Ofer Waldman betont die "Gleichzeit" mit den Menschen, die durch diese Gewalterfahrung beeinflusst worden sind – sei es in Deutschland, in Europa, in der Welt, oder sei es in Israel, in Palästina, im Süd-Libanon: "Wir alle leben in dieser Gleichzeit." Der Kern dieses Austausches, der erst privat war, dann ein Blog und dann ein Buch wurde, ist das aufrichtige, wohlwollende gegenseitige Verbinden. Teilnehmen an den Momenten des anderen in der extremen Situation, ohne abzugleiten in Konfrontation und Affekthandlung, trotz der Wucht des Grauens. Erkennen, wie viel Halt in manchen Beziehungen liegt. Literatur als Hilfsmittel beim Blickheben nach dem Granateneinschlag.

"Gleichzeit" hat übrigens ein Nachwort, das also ein "Danach" nahelegt, das es natürlich nicht gibt. Nichts ist abgeschlossen, die Geiseln sind nicht frei, Gaza wird weiter bombardiert. Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman schreiben sich weiter. "Wir sind ja nur ein minimaler Teil einer sehr umfassenden Geschichte, die wir vielleicht gar nicht alle gemeinsam erzählen wollen. Aber es ist schon eine Einladung auch an andere", sagt Sasha Marianna Salzmann. "Literatur, wenn sie gut ist, ist ja immer eine Einladung mitzusprechen. Und ich würde sagen: Das ist 'Gleichzeit' auch."

"Gleichzeit. Briefe zwischen Israel und Europa" von Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman erscheint im Suhrkamp Verlag. Am Dienstag, den 9. April um 19 Uhr stellen beide den Band in der Stadtbücherei Augsburg vor.

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