Zuerst einmal: Was da über den Zeitraum von 20 Jahren wuchs - am Anfang stand 2004 ein Masterplan -, ist umwerfend. Begeisternd. Einzigartig. Ein weitläufiger Museumskomplex rund um eine im Ursprung romanische Klosteranlage samt Kreuzgang und Kirche.
Wert gelegt wurde auf eine ruhige, organische Gesamtgestaltung von Räumen, die ihre Geschichte nicht verstecken. Vergangene Narben wurden belassen, alte Böden oder Decken auch. Wo es sinnvoll erschien oder gar nicht anders möglich war, hat man ergänzt, um- oder auch neu gebaut. Mit viel Gefühl für den Ort, die Sinnlichkeit von Materialien - ganz, wie es die Architektin Regine Hartkopf beim Rundgang empfiehlt: Das Alte habe auch seine Qualitäten - wir könnten von den Vorfahren nicht nur über Schönheit, Proportion und Konstruktion etwas lernen, sondern auch für die Zukunft etwas über umweltgerechtes, gesundes und ressourcenschonendes Bauen. "Das waren natürlich immer Schritte," erklärt Hartkopf, "hier ein Stückchen Wand, da ein Stückchen irgendwas - und dann, in den letzten Jahren, hier auf der Seite die Ausstellungsräume und die Klosterkirche."
Spirituelle Räume
Bauen im Bestand. Alles kann recycelt und wiederverwendet werden, sagt Regine Hartkopf. Eine Stunde haben wir Zeit für den Rundgang durch die riesige Anlage, die aufs 11. Jahrhundert zurückgeht. Die kreuzförmige Säulenbasilika von 1078 wurde zu DDR-Zeiten säkularisiert, war von 1977 bis 2020 die "Konzerthalle Georg Philipp Telemann" und ist jetzt einfach ein spiritueller Raum - frei genutzt, mal für Musik, mal performativ, mal als Ort für Skulpturen.
Der Boden der Vierung wurde angehoben, in den neuen Estrich hat der Künstler Martin Assig in mittelalterlicher Technik ein großflächiges Bild inkrustiert, bestehend aus geschlängelten Linien, Textfragmenten sowie Symbolen; über die alten geschädigten Steintreppen zur Empore hat die Baumeisterin mit ihrem Team einen Eichenbelag wie einen Teppich gelegt, und der Gesamtraum kann nach Entfernung allen Beiwerks jetzt architektonisch wirken wie nie zuvor.
Geschichte sichtbar gemacht
Regine Hartkopf ist beseelt von den geschichtlichen Schichten, die sich aufgetan haben: "Man sieht die romanischen Bögen und diesen rot-weißen Pfeilerwechsel und dann - wenige Jahre später, 40 Jahre oder so, war die Romanik zwar noch da, die Kirche hatte eine Flachdecke - dann kam Norbert (Norbert von Xanten, 1125 zum Bischof von Magdeburg berufen; Anm. d. Red.) und meinte, er will das jetzt supermodern, und ließ vor die Romanik die ganz frühe Gotik setzen und hat eingewölbt. Also: irre!"
Im Rundgang wird Geschichte lebendig, schlägt die Architektin sinnliche Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Auch die neu entstanden Räume atmen diesen Geist - großzügig und transparent - schön rhythmisierte Bühnen für moderne Kunst, hervorragend kuratiert von Leiterin Annegret Laabs und ihrem Team. Das Museum im Kloster bietet eine höchst sehenswerte Sammlung samt Medienraum.
Das Politische in der Architektur
In die akustische Installation eines Lauschbetts legt sich Regine Hartkopf bisweilen selbst und lässt sich von Klängen tragen. "Wir schaffen unsere Aufgaben nur, wenn wir auch mal die Perspektiven wechseln", sagt die politisch wache Architektin, die ihr multikulturelles Büro "denk mal Architektur" in der kleinen Gemeinde Südharz in Sachsen-Anhalt betreibt. Von dort wirkt sie in die Welt hinaus - ganz nach dem Motto: "Wir bauen und erhalten einzigartige Orte des Lebens."
Jeden ersten Samstag im Monat gibt es in BR24 das Haus des Monats – unterstützt durch die Bayerische Architektenkammer. Diesmal das Kunstmuseum Magdeburg Kloster Unser Lieben Frauen.
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