Putzen, kochen, backen und sich um die Kinder und den Mann kümmern. Dieses Bild wird aktuell vermehrt in den sozialen Medien beworben. Mami-Blogs und Koch- und Back-Videos boomen auf Youtube und Instagram.
Tradwives sehen in der Rolle als Hausfrau und Mutter die Erfüllung
Mit Tradwives sind "traditionelle Hausfrauen" gemeint, die als Influencerinnen über Social Media bekannt werden. Viele sind auf TikTok und Instagram aktiv und bewerben ihre Entscheidung, sich bewusst für ein Leben in traditionellen Geschlechterrollen entschieden zu haben. Bei genauem Hinschauen werden über diese Kanäle aber nicht nur Kochrezepte verbreitet.
Tradwives glorifizieren in ihren Beiträgen das Leben als Hausfrau und Mutter, in dem sie ihre persönliche Erfüllung sehen und verzichten dafür häufig auf eine berufliche Karriere. Dieses Bild erinnert an einen bekannten Werbespot aus den 1950er Jahren: "Eigentlich hat sie es ja viel besser als er – sie darf backen! Sie wissen ja, eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?" Und auch die Tradwives glorifizieren dabei die traditionelle Rollenverteilung aus den 1950ern vom Familienernährer und der Hausfrau.
Alltag verfilmen und Klicks generieren
Mit diesem Werbetext aus den 1950er-Jahren hat die Influencerin Carolina Tolstik eines ihrer Videos unterlegt, in dem sie als Kunstfigur "Malischka" beim Pfannkuchen machen und beim Tisch decken zu sehen ist. Als sogenanntes Stay-at-home-Girl zelebriert sie ihr Hausfrauen-Leben auf Mallorca, während ihr Freund das Geld verdient: "Mein Mann hatte Lust auf etwas Süßes, und weil ich alles für ihn tue, gab es dieses Mal Aladuschki, das sind kleine Apfelpfannküchchen. Wenn mein Mann glücklich ist, bin ich es auch", heißt es im Video von Malischka.
Carolina Tolstik bügelt die Hemden des Mannes und macht sich hübsch für ihn. Die typischen "Hobbies" der Deutschen seien nichts für sie: Damit meint die Influencerin das "Gendern" und "auf die Straße Kleben". "Angefangen hat das Ganze, als ich Teile meines Alltags verfilmt und in den sozialen Medien geteilt habe – das Ganze immer sehr überspitzt und humorvoll dargestellt. Und plötzlich ist eine riesengroße Welle aufgetreten. Viele fanden das ziemlich interessant. Ich spiel' auch bewusst ein bisschen mit der Provokation. Aber ich merke, dass sehr viel Zuspruch von den Leuten kommt", sagt Carolina Tolstik im Gespräch mit dem BR.
Realität unterscheidet sich vom Online-Leben
Die Welle auf der Malischka reitet, hat Rosi Dukek in ihrer Masterarbeit im Fach Gender-Studies an der Universität Wien analysiert. In den USA kommen die Tradwives oft aus christlich-fundamentalistischen Kreisen, die sich im Look der 1950er Jahre präsentieren und sich ihrem Mann "gerne" unterordnen. Nach dem Motto: "Ein Lebensstil als traditionelle Frau ist ja sehr entschleunigt, Entschleunigung ist ja was Positives – das wollen wir ja alle irgendwo", sagt Rosi Dukek. "Aber natürlich wird es irgendwann problematisch, weil sich die Realität vom Online-Leben unterscheidet. Keiner kann sich jeden Tag so herausputzen, kochen, backen, für die Kinder und für den Mann sorgen und die eigenen Bedürfnisse zurückstecken."
Im deutschsprachigen Raum hat Rosi Dukek Verbindungen zwischen dem Trend der Tradwives und der rechten Szene beobachtet. Gemeinsamer Nenner ist der Kampf gegen den Feminismus. Viele Tradwives seien gleichzeitig der Ansicht, die Gleichberechtigung sei schon längst erreicht und dass es eine natürliche, gottgegebene Geschlechterordnung gäbe. "Das ist antifeministisches Verhalten, weil sie sagen: Frauen sind toxisch und die Männer sind die wahren Opfer", sagt Rosi Dukek.
Vorwurf: Tradwives nur für Wohlhabende möglich
Tradwives wird außerdem vorgeworfen, sich zu sehr am Idealbild der heterosexuellen Familie zu orientieren und Frauen zu motivieren, sich in finanzielle Abhängigkeit zum Mann zu begeben. Das Leben als Tradwife ist außerdem nur privilegierten Gesellschaftsschichten möglich. Eine Tradwife zu sein, setzt voraus, dass der Mann so gut verdient, dass er die Familie allein ernährt. Insofern ist dieses Lebensmodell nur für Gutverdiener und Wohlhabende realisierbar. In vielen Familien reicht ein Verdienst allein nicht zum Leben aus. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2022 rund 69 Prozent der Mütter minderjähriger Kinder berufstätig.
Doch warum fokussieren sich manche Frauen wieder zunehmend auf die Rolle als Hausfrau und Mutter? Die Social-Media-Expertin Sarah Spitzer von der Hochschule der Medien in Stuttgart erklärt sich das mit einer Sehnsucht nach mehr Stabilität. Im Interview mit der "Welt" sagt sie, der Rückzug auf eine klare Rollenverteilung sei eine Art "Eskapismus", um eine Entschleunigung im Leben zu erreichen.
Tradwives erhalten Zuspruch von anderen Hausfrauen
Von antifeministischen Aussagen und rechten Ideologien grenzt sich Carolina Tolstik, das Stay-at-home-Girl auf Mallorca, klar ab. Sie sagt, ihr Kanal sei derzeit nicht kommerziell. Und mit ihrem Freund sei sie – auch als Hausfrau – auf Augenhöhe. Sie arbeitet zusammen mit ihm im Social-Media-Bereich. Und sie bezeichnet sich selbst auch als Feministin: "Der Feminismus steht dafür, dass jede Entscheidung der Frau respektiert und akzeptiert wird und darunter fällt eben auch die Entscheidung, Hausfrau zu sein. Dafür bekomme ich unheimlich viel Zuspruch von Frauen, die wirklich Hausfrauen sind. Die sagen: Mein Job ist auch ein Job und mein Job endet nicht um fünf Uhr nachmittags, sondern geht den ganzen Tag weiter", sagt Carolina Tolstik.
Ihr Ziel sei nicht, die Kunstfigur "Malischka" als Vorbild zu propagieren, sagt Tolstik. Denn was man in den Videos nicht sieht: Die schön rausgeputzte Hausfrau unterwirft sich ihrem Mann nicht und hat sich aus freien Stücken für diesen Lebensstil entscheiden können.
Dieser Artikel ist erstmals am 6.5.2024] auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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