Paravent eines unbekannten Designers, ca. 1930 (Ausschnitt)
Bildrechte: Die Neue Sammlung / Kai Mewes

Paravent eines unbekannten Designers, ca. 1930 (Ausschnitt)

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Hoch das Glas! Die Pinakothek der Moderne zeigt Glaskunst

Glas ist einer der ältesten Werkstoffe des Menschen. Vom Parfumflakon bis zur Hochhausfassade wird es von Hausfrauen und Architekten gleichermaßen geschätzt. In der Pinakothek der Moderne hat das Material nun seinen eigenen, glanzvollen Auftritt.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Eine Karaffe in Blutorange, mit einer Oberfläche wie ein vom Wind gekräuselter See. Eine transparente Skulptur, aus der kleine durchsichtige Bröckchen wachsen wie frisch aus dem Eiscrusher. Sanft fließender Stoff, pudriger Schnee, aufsteigende Champagnerbläschen: die Erscheinungsformen von Glas kennen keine Grenzen.

Dabei ist die Verarbeitung gar nicht so einfach. Direkt anfassen kann man das Glas während der Herstellung jedenfalls nicht, erklärt Kuratorin Xenia Riemann-Tyroller von der Neuen Sammlung: "Glas ist ein ganz besonderes Material, weil es eigentlich eine erstarrte Flüssigkeit ist. Um das Material zu verarbeiten, muss man es sehr stark erhitzen, über 1.000 Grad. Man braucht unglaubliches Know-how bezüglich der Ursprungsmasse, aber man bedarf auch einer großen Kunstfertigkeit und eines großen Erfahrungsschatzes, um mit Glas umzugehen."

Abwaschbar und farbecht: Glas bleibt ewig schön

Ein neu eingerichtetes Areal im Untergeschoss der Pinakothek der Moderne zeigt nun das ganze Spektrum des Materials: Dazu gehören künstlerische Vasen aus den Meisterbetrieben in Murano und Skulpturen aus Tschechien – zwei der wichtigsten Zentren der Glaskunst in Europa. Teil ist aber auch Industrieglas: Glasflaschen von Coca-Cola bis zur Mundspülung von Odol in milchigem Weiß.

Teekannen von Wilhelm Wagenfeld, so zart, dass man sie kaum sehen kann. Oder sein deutliche massiveres, rechteckiges Stapelgeschirr aus der Bauhaus-Zeit. Denn bevor der Kunststoff Einzug in unseren Alltag hielt, war Glas in Küche und Haushalt stark verbreitet, so Glas-Expertin Riemann-Tyroller: "Glas ist geruchs- und geschmacksneutral und es ist leicht zu reinigen - das sind alles Vorteile, warum zum Beispiel auch dieses Glasgeschirr eine Zeit lang sehr modern war, weil es einfach eine Hygiene mitgebracht hat. Es ist ein sehr gesundes Material im Gebrauch."

Bildrechte: Ann Wolff, VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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Ann Wolff: Objekt Domus I, Leihgabe Alexander Tutsek-Stiftung

Andere Eigenschaften machen Glas auch für den Einsatz in Architektur und Außenraum interessant: Glas ist nicht nur lichtdurchlässig, es ist vor allem auch farbecht, das heißt, dass farbiges Glas auch über Jahrhunderte hinweg nicht ausbleicht. Die Ausstellung zeigt etwa ein Jugendstil-Fenster voller Pflanzenranken, ein Original-Fenster des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright mit kleinen geometrischen Farbeinlagen, oder auch den farbenprächtigen Prototypen eines Kirchenfensters von Gerhard Richter.

Die Entscheidung der Kuratoren, hier einmal nicht das Design einer bestimmten Zeit oder einen einzelnen Objekttyp auszustellen, sondern eine ganze Ausstellung einem einzigen Material zu widmen, eröffnet völlig neue Zugänge. Josef Straßer von der Neuen Sammlung: "Das war auch unsere Idee, dass wir alle Aspekte des Glases hier zeigen können, also von architekturgebundenem Glas, freiem Glas, künstlerischem Glas, Haushaltsglas, Laborglas, also wirklich alle Bereiche, die man sich nur denken kann im Glas. Und eines unserer Ziele ist immer, die Augen zu öffnen für die Vielfalt und für die Breite der einzelnen Dinge. "

Exponate von Gerhard Richter und Frank Lloyd Wright

Sogar Möbel aus Glas gibt es: Vom Designer Sebastian Herkner ist ein Couchtisch zu ausgestellt, bei dem nicht etwa die Tischplatte, sondern der Fuß aus Glas ist. Aber auch ein Paravent, Regale, Stühle und Sessel aus Glas sind zu sehen, Lampenschirme und eine OP-Lampe sowieso.

Von Anfang an Glas war ein Schwerpunkt der Neuen Sammlung, die Ausstellungsmacher konnten hier aus dem Vollen schöpfen. Das Schönste aber ist, dass die meisten Ausstellungsstücke völlig frei auf den Podesten stehen – und nicht unter einer Haube aus Vitrinen. So kann man die Brillanz der Farben und die innere Struktur des Materials besonders gut sehen. Also: Hoch das Glas! Und ein Hoch auf das Glas!

"Die Farbe von Glas" ist ab sofort im Untergeschoss der Pinakothek der Moderne in München zu bewundern.

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