Hornbrille, fülliger Körper, eine grummelige Art, behäbige Antworten. Mark Knopfler ist sichtlich gealtert. Der 74-jährige wirkt gesundheitlich angeschlagen und verliert schon mal den gedanklichen Faden. Dafür sind die Geschichten in seinen neuen Songs umso stärker. Sie lassen kein gutes Haar an der modernen Musikindustrie, an Spotify und Eintrittspreisen.
"Teddybär-Picknick" für Diktatoren
Auch die politische Weltlage macht ihm Sorgen: "This One´s not Going To End Well", heißt ein Song auf seinem neuen Album – das wird kein gutes Ende nehmen. Es komme ihm manchmal so vor, als finde gerade ein "Teddybär-Picknick" für Diktatoren statt, sagt er im Interview dazu. "Da sind so viele. Sie sind alle zur selben Zeit aufgetaucht – was bedauernswert ist."
Es ist der einzige explizit politische Song auf "One Deep River" – und einer der ersten in der fast 50-jährigen Karriere des Ausnahmegitarristen. Ansonsten gibt sich Knopfler nostalgisch, romantisch und auch wehleidig – er schwelgt in Erinnerungen an alte Beziehungen, frühe Jobs als Lehrer oder Journalist und seine Heimat Newcastle.
Knopfler ist ein Geschichtenerzähler
Einen sarkastischen Tonfall hat dagegen "Tunnel 13": Die Gleise, auf denen 1923 bei Oregon ein blutiger Eisenbahnraub verübt wurde, liefern jetzt das Holz für seine Edel-Gitarren. Diese Geschichte zeige, dass selbst Gewalt indirekt etwas Positives bewirken könne, so Knopfler lakonisch.
Knopfler ist ein Geschichtenerzähler. Ein Mann mit so viel Tiefe wie der Fluss Tyne in Nordengland, an dem er aufgewachsen ist und der den Titel seines neuen Albums liefert. Ein Werk, das primär eingefleischte Fans ansprechen dürfte – weil es so altmodisch und gediegen anmutet: unaufgeregter Gesang, tiefentspannter Vibe, viel Atmosphäre und exquisites Gitarrenspiel. Vielleicht ist es eine Spur zu gesetzt, aber handwerklich auf höchstem Niveau – und mit einem Sound zwischen Blues, Folk, Rock und überraschend viel Country.
Das Besondere an "One Deep River": Es könnte eines der letzten Alben von Mark Knopfler sein. Der Mann, der über 120 Millionen Tonträger verkauft hat, fühlt sich alt und müde. Im Januar hat er einen Großteil seiner Gitarren versteigert, seine Sportwagen und Motorräder kommen als nächste unter den Hammer. Und eine Tournee oder auch nur einzelne Konzerte, möchte und kann er nicht mehr bestreiten.
Ankündigung: Langsamer Rückzug vom Bühnenleben
Er merke immer öfter, dass er an seine körperlichen Grenzen stoße, sagt Knopfler, der eine schwere Long-Covid-Erkrankung überstanden hat. "Und ich würde gerne noch ein paar nette Jahre mit meiner Frau Kitty verbringen und das Leben genießen. Ich möchte nicht auf einer europäischen Autobahn sterben. Das ist etwas für jüngere Leute, so über den Globus zu rasen."
Vom "Abschied vom Rummelplatz" spricht er auch, ein Abschied von der stressigen Welt des Live-Musizierens. Für sein neustes Album hat er sich fast sechs Jahre Zeit gelassen. Auch Zukunft möchte er nur noch alle Jubeljahre ein Album machen. Dann aber ein richtig gutes. Wie "One Deep River", das Knopfler exakt so zeigt, wie man ihn mag oder eher langweilig findet: Als starken Musiker, der vielleicht einen Hauch zu ruhig ist. Aber dessen Song-Geschichten cineastische Qualität haben: Kopfkino für Grübler – langsam, tiefgründig, intensiv.
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