Grußkarten zur Geburt oder zum 90. Geburtstag unterzeichnen – das ist eine von vielen Aufgaben, die Ozan İyibaş als dritter Bürgermeister in der oberbayerischen Gemeinde Neufahrn bei Freising erledigt. Dort ist der 41-Jährige geboren und aufgewachsen, seit 18 Jahren ist er in der CSU – als Muslim.
Die wertkonservative Orientierung der Partei spreche ihn an, sagt er im BR-Gespräch. "Das Judentum, das Christentum oder auch der Islam sind abrahamitische Religionsgemeinschaften", so İyibaş und betont: "Man muss einfach das Verbindende sehen und nicht das Trennende."
"Radikalisierte Muslime": Merz sieht "gravierende Probleme"
Doch auf das Trennende in puncto Islam richtet die CDU aktuell ihren Fokus: In einem Textentwurf für ihr neues Grundsatzprogramm heißt es zwar, Muslime seien ein Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands. Aber auch: "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland."
Unions-Chef Friedrich Merz will auf dem Bundesparteitag Anfang Mai über den Passus zum Islam erneut diskutieren – und auch über die sogenannte Leitkultur. Dafür hatte sich zuletzt die CSU in einem Positionspapier zur Integration stark gemacht. "Wir wollen die Gesellschaft nicht spalten, sondern nur deutlich machen: Es ist wichtig, dass man ein Wertesystem mitträgt, das die Basis für unser Zusammenleben ist", sagt CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek auf BR-Anfrage.
In einem Interview mit der Deutschen Presseagentur verwies CDU-Chef Merz auf die antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel. In Deutschland gebe es gravierende Probleme mit radikalisierten Muslimen, so Merz,
Muslim im Nürnberger Stadtrat: "Solche wie mich gibt es zuhauf"
"Das Problem ist, dass Merz und die CDU nicht über den Islam sprechen – und das ist es, was ich ihnen maximal vorwerfe –, sondern sie vermischen den Islam mit Terror", kritisiert Ümit Sormaz. Der 45-Jährige war jahrelang CSU-Mitglied. Doch irgendwann, sagt er, habe er die Ressentiments der Partei gegenüber seiner Religion nicht mehr ertragen.
Nun sitzt er für die FDP im Nürnberger Stadtrat. Muslime hierzulande würden immer wieder für islamistischen Terror weltweit zur Rechenschaft gezogen. Er weigere sich, seine Religion in einem Atemzug mit Terror zu nennen. "Ich bin Muslim, halte mich an die Regeln, zahle meine Steuern, fühle mich als Nürnberger – und solche wie mich gibt es zuhauf." Sein Urteil über die Unions-Debatte über den Islam: "Themaverfehlung, sechs, setzen."
Unions-Vorstoß "Bärendienst für Deutschland"
Die Beurteilung des Islam in der Union sei schon einmal weiter gewesen, meint auch Bürgermeister , Ozan İyibaş aus Neufahrn: "Natürlich müssen wir über den politischen Islam sprechen. Aber es gibt Rechts-, Links- und auch religiösen Extremismus – und alles ist schlecht. Das wollen wir in Deutschland nicht." Auch dadurch, dass die AfD so stark geworden sei, sei das Thema Islam und Muslime in den zurückliegenden Jahren so stark in den Vordergrund gerückt.
Einen Eindruck, den auch der Rechts- und Islamwissenschaftler Mathias Rohe von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bestätigt: "Man geht nicht auf die Probleme direkt zu und fragt: Wer macht sie eigentlich? Sondern man pickt eine Gruppe heraus und stellt sie unter Generalverdacht." Das sei zutiefst ungerecht gegenüber den vielen Musliminnen und Muslimen, die hier "schiedlich-friedlich leben und auch in großer Zahl deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind".
Der Islamwissenschaftler hält es für schädlich, wenn Unions-Chef Merz sagt, dieser Streit sei ein Dienst für Deutschland. "Wenn das ein Dienst ist, dann ein Bärendienst."
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