Die Zeit zwischen Weihnachten und dem Fest Heilige Drei Könige nutzen viele, um auf das vergangene Jahr zurückzuschauen – aber auch, um den Blick nach vorne zu werfen. Dabei entdecken gerade viele die alten Bräuche rund um die Raunächte wieder. Unter den Raunächten, die mancherorts auch "Zwölfnächte" heißen, versteht man die Nächte zwischen Weihnachten und dem 6. Januar.
Weihrauch desinfiziert und reinigt vor einem Neuanfang
Die Stadt Altötting bietet seit diesem Jahreswechsel spezielle Stadtführungen zu den Raunächten an. Und die haben sozusagen von Null auf Hundert enormen Zulauf, erzählt Stadtführerin Cornelia Stern. Sie vermutet: Nach der stressigen Weihnachtszeit sehnen sich wohl immer mehr Menschen danach, dem Alltag mal für kurze Zeit zu entfliehen und am Jahresende innezuhalten: Die Wohnung ausräuchern, Belastendes niederschreiben und verbrennen, Wünsche für das kommende Jahr formulieren, Orakelkarten ziehen.
Bei ihren Stadtführungen zeigt Cornelia Stern den Gästen gerne das Weihrauchmuseum der Stadt. Es ist sozusagen der Dreh- und Angelpunkt. Hat doch der Weihrauch auch eine ganz besondere Bedeutung in den Raunächten. Stern erklärt, dass "Weihrauch desinfiziert" und das passe eben zu den Raunächten, "weil es für einen Neuanfang steht, für das Schlechte-Energie-Austreiben, die man wie nach einer Krankheit auch zum Jahresende ziehen lassen möchte und das Haus reinigen möchte für das neue Jahr".
Raunachtstraditionen aus touristischen Gründen gepflegt
Woher das Wort "Raunacht" (nach alter Rechtschreibung Rauhnacht, einst hieß es auch Rauchnacht) genau kommt, ist umstritten. Sehr wahrscheinlich aber geht es auf "Rauch" beziehungsweise "räuchern" zurück, weil in diesen besonderen Nächten nach alter Tradition Häuser und Höfe ausgeräuchert werden, erklärt der Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. Die Tradition stammt zwar aus vorchristlicher Zeit, ist jedoch dann vom Christentum übernommen worden.
Gerade im Alpenland, in Bayern und Österreich, werden Raunachtstraditionen heute noch verstärkt gelebt. Bekannt sind zum Beispiel der Buttenmandllauf im Berchtesgadener Talkessel und die Perchtenläufe in Tirol. Perchten sind germanische Geistergestalten, manche wollen Glück bringen, andere aber auch auf das Übel in der Welt verweisen. "Das Ganze ist ja auch für die Fremdenverkehrsindustrie interessant und wird natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen betrieben und nicht mehr nur aus inhaltlichen", sagt Becker-Huberti.
Brauchtum wird von jungen Menschen neu entdeckt
Nachdem Brauchtum jahrzehntelang eher ein verstaubtes Image hatte, entdecken heute gerade junge Leute Brauchtümer wieder neu, beobachtet Becker-Huberti. "Brauchtum heißt ja, dass man es braucht, weil es bräuchlich ist. Und genau das passiert hier." Denn: "Je schnelllebiger die Zeit wird, umso stärker wird das Verlangen nach Ruhe und Rückzug", beobachten auch die Buchautorinnen Christina Denetzky und Meliha Guri. Das Zelebrieren der Raunächte und anderer Jahreskreisfeste spiegele die Sehnsucht der Menschen wider nach einer kraftvollen Spiritualität, nach mehr Verbindung zu den Rhythmen der Natur und zu altem Wissen, sind die Buchautorinnen überzeugt.
Auch in Altötting mit seinem Weihrauchmuseum ist das Interesse an den sagenumwobenen Raunächten groß. Das hat Cornelia Stern bei ihren Führungen festgestellt. Sie erzählt dabei von Bräuchen, die mit den Raunächten verbunden sind: Zum Beispiel, dass man in dieser Zeit keine Wäsche aufhängen soll, sonst würden sich böse Geister darin verfangen – und einem das Jahr über erhalten bleiben. So zumindest der Aberglaube.
Verlangen nach Rückzug und Regeneration
Ein weiterer Raunachtsbrauch ist, dass nicht gearbeitet werden soll. "Wenn man denkt, die Räder sollen stillstehen – früher waren es die Mühlräder, die Spinnräder, für uns heute sollten es vielleicht die Gedankenräder sein. Wir sollen uns eine Auszeit nehmen, besonders nach der Adventszeit, die ja für viele Menschen hektisch ist", sagt Raunachtsführerin Cornelia Stern.
Einst versuchte man, sich in dieser Zeit durch Rituale wie das Ausräuchern vor dunklen Mächten zu schützen. Die bösen Geister, vor denen sich Menschen heute schützen wollen, seien aber eher "Stress, Schlafmangel und Energieräuber", beobachten die Buchautorinnen Denetzky und Guri. Und während der Raunächte gehe es nicht nur um das Schlechte und Belastende, sondern auch um Träume, Wünsche und Visionen für das kommende Jahr.
Mit Informationen von KNA
Dieser Artikel ist erstmals am 6. Januar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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