Eine Szene aus dem Bonhoeffer-Film der US-amerikanischen Angel Studios.
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Umstrittener Film zu Nazi-Gegner Dietrich Bonhoeffer läuft an

Umstrittener Film zu Nazi-Gegner Dietrich Bonhoeffer läuft an

Die US-amerikanischen Angel Studios haben den Theologen Dietrich Bonhoeffer in einem Kinofilm zu einem gewaltbereiten Widerstandskämpfer umgedeutet. Die Produktionsfirma aus dem evangelikalen Spektrum wirbt mit dem Nazi-Gegner auch für Donald Trump.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass die Angel Studios ihre Film-Biographie zu Dietrich Bonhoeffer mitten im Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump beworben und im Wahl-Monat November in den USA veröffentlicht haben. Im evangelikalen Milieu, dem die Angel Studios angehören, gibt es viele Fans von Donald Trump – und von Dietrich Bonhoeffer, dem evangelischen Pfarrer aus Berlin, den die Nazis für sein Mitwissen um das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 am 9. April 1945, im oberpfälzischen Konzentrationslager Flossenbürg erhängten.

Film-Werbung "ist eine Gewaltverherrlichung"

"Der Kampf gegen die Tyrannei beginnt jetzt", bewarben die Angel Studios im Sommer 2024 ihren Film, was jeder, der es wollte, nicht nur auf den Film-Plot, sondern auch auf Trumps neuerlichen Zug aufs Weiße Haus beziehen konnte. Dazu hält der Film-Bonhoeffer, gespielt vom deutschen Schauspieler Jonas Dassler, eine Waffe in der Hand. "Das ist eine Gewaltverherrlichung, die Bonhoeffers eigenem Handeln nicht entspricht", sagt Christiane Tietz im BR-Gespräch. Bis zu ihrer Wahl zur Kirchenpräsidentin der hessischen Landeskirche im Januar hat Tietz an der Universität Zürich Theologie gelehrt – mit Schwerpunkt Dietrich Bonhoeffer.

Auf der einen Seite steht also der historische evangelische Pfarrer und Theologe, der in der Nazi-Diktatur dazu aufrief, "dem Rad in die Speichen zu fallen". Auf der anderen Seite der Film-Bonhoeffer, der zumindest so verstanden werden kann, als würde er zum bewaffneten Widerstand gegen die Politik der US-Demokraten aufrufen. Wie sehr das verfangen kann, zeigt der Sturm aufs Kapitol aus Anlass eines vermeintlichen Wahlbetrugs bei Trumps Präsidentschaftskandidatur gegen Joe Biden, bei dem offenkundig gewaltbereite Christen Schilder trugen, auf denen "Jesus2020" oder "An Appeal To Heaven" zu lesen war.

Bonhoeffer-Nachfahren kritisieren Vereinnahmung ihres Ahnen

"An Zynismus nicht zu überbieten", urteilen die 86 Bonhoeffer-Nachfahren, die sich vor der Filmpremiere in einem öffentlichen Brief kritisch zu Wort gemeldet haben. "Vor dem Hintergrund der weltweiten Zunahme von Intoleranz, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, von Nationalismus und autoritären Tendenzen ist es uns wichtig, öffentlich klarzustellen: Dietrich Bonhoeffer hat zeit seines Lebens gegen einen Geist der Enge, der Unfreiheit, und der Ausgrenzung gekämpft."

So rief Bonhoeffer etwa als einer der ersten evangelischen Kirchenvertreter in Nazi-Deutschland gegen die Ausgrenzung der Juden auf und wollte selbst nie zur Waffe greifen, um gegen Hitler tätig zu werden. Er bildete Pfarrer der nicht gleichgeschalteten "Bekennenden Kirche" aus. Und schloss sich dem Widerstand rings um Canaris an, der das Hitler-Attentat plante. Das war aber das Ergebnis eines langen theologischen Ringens um ein christlich verantwortbares Legitimes – in einer mörderischen Diktatur wohl gemerkt, aber eben nicht in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft wie der USA.

Mit Bonhoeffer für Trump – und gegen "Hitlary Clinton"

Dort haben die Bonhoeffer-Nachfahren den evangelikalen Trump-Anhänger Eric Metaxas als "eine Schlüsselfigur" für den gegenwärtigen "Missbrauch" ihres berühmten Ahnen ausgemacht. Der auf Social Media omnipräsente Evangelikale mit hunderttausenden Followern hat 2010 eine eigene Bonhoeffer-Biografie in millionenfacher Auflage vorgelegt, in der er den evangelischen Theologen zu einem evangelikalen Frommen uminterpretiert. Der Titel ("Bonhoeffer: Pastor, Martyr, Prophet, Spy") klingt ähnlich wie der englische des Films der Angel Studios ("Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin").

Schon in Trumps erstem Wahlkampf behauptete Metaxas schließlich öffentlichkeitswirksam einen "Bonhoeffer-Moment": So wie Bonhoeffer das Übel eines Anschlags auf Adolf Hitler zugunsten eines höheren Guten in Kauf nahm, so müssten Christen nun das Übel von Trumps sexistischer Sprache und unorthodoxer Lebensführung in Kauf nehmen. Denn Trump vertrete etwa beim Thema Abtreibung und Gender die eindeutig "christlicheren" Positionen als "Hitlary Clinton", wie Metaxas die damalige Präsidentschaftskandidaten der Republikaner in Anspielung auf den Feind schlechthin verunflimpfte. Und vor Trumps neuerlichem Einzug ins Weiße Haus fabulierte Metaxas dann im vergangenen Sommer davon, dass "Biden unser neuer Hitler" sei.

"Bonhoeffer stand für Freiheit und Nächstenliebe"

"Insbesondere den amerikanischen Wählern rufen wir zu: Lasst Euch nicht irreführen, schaut Euch die Geschichte genau an, nur gemeinsam und im Geist der Freiheit und Nächstenliebe werden wir unsere Probleme lösen. Genau dafür steht Dietrich Bonhoeffer", schlossen die Bonhoeffer-Nachfahren im Oktober 2024 ihren öffentlichen Protestbrief.

Trumps Wiederwahl konnte das bekanntermaßen nicht verhindern. Aber doch das Marketing des Bonhoeffer-Films in Deutschland: Auf den Filmplakaten hierzulande ist kein Bonhoeffer mit Waffe zu sehen; die Musik weniger triumphalistisch als im amerikanischen Vorläufer; und auch der Filmtitel ist ein anderer: Er heißt bei uns schlicht "Bonhoeffer".

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