Archivaufnahme: Wuhan Institute of Virology
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Corona aus dem Labor? Was Experten sagen und wie China reagiert

Corona aus dem Labor? Was Experten sagen und wie China reagiert

Wirbel um Corona-Labor-Theorie: Der BND hält es für wahrscheinlich, dass ein Laborunfall im chinesischen Wuhan die Ursache der Corona-Pandemie gewesen ist. Wer wusste wann was? Wie reagiert China? Und was sagen Experten?

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Stammt das Coronavirus aus einem Labor im chinesischen Wuhan? Die Recherchen von "Süddeutscher Zeitung" und "Zeit" (externe Links, möglicherweise Bezahlinhalte) über eine Einschätzung des deutschen Auslandsnachrichtendienstes BND, wonach es plausible Hinweise für die Labor-These gibt, schlagen hohe Wellen. Beweise liegen jedoch bisher nicht vor.

von Notz: Klären, wann, wer, was genau wusste

Überrascht von den Recherchen wurden auch Mitglieder des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestages. Der Vorsitzende Konstantin von Notz (Grüne) sagte den "Tagesthemen": "Wann, wer, was genau wusste, muss jetzt genau geklärt werden."

Büro von Merkel weist Vertuschungsvorwürfe zurück

Den Recherchen zufolge stammt die BND-Bewertung bereits aus dem Jahr 2020. Die Untersuchung sei vom Kanzleramt in Auftrag gegeben worden, das die Befunde unter Verschluss gehalten haben soll. Daher stehen nun auch Vorwürfe der Vertuschung im Raum, die umgehend zurückgewiesen wurden.

Eine Sprecherin von Angela Merkel (CDU) sagte dem "Tagesspiegel" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt): "Bundeskanzlerin a. D. Dr. Merkel weist den in Ihrer Frage formulierten Vorwurf ganz grundsätzlich zurück." Merkels Büro verwies bei "Sachfragen an das Bundeskanzleramt", weil dort die Unterlagen lägen. Doch auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte vor der Presse nur: "Was nachrichtendienstliche Erkenntnisse betrifft, ist dies nicht der Ort, darüber zu sprechen."

China mahnt zur Zurückhaltung

ARD-Geheimdienst-Experte Michael Götschenberg sagte in den "Tagesthemen" im Hinblick auf die Labor-Theorie: "Das Thema ist hochpolitisch, weil man, solange das nur eine Behauptung ist, China an den Pranger stellt und solange man diese Behauptung nicht beweisen kann, würden sie die Beziehungen zu China massiv belasten."

Die Reaktion aus Peking kam prompt: "In der Frage des Coronavirus lehnt China jegliche Form politischer Manöver entschieden ab", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning. Die Volksrepublik vertrete die Ansicht, dass wissenschaftliche Fragen von Wissenschaftlern beurteilt werden sollten. Sie verwies auf eine Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die 2021 in Wuhan mit Forschern gesprochen habe. Diese sei zu dem Schluss gelangt, dass ein Durchsickern des Virus von dort "höchst unwahrscheinlich" gewesen sei.

WHO: Untersuchung nicht abgeschlossen

Die WHO betont seit vier Jahren, dass alle Hypothesen zum Ursprung des Virus Sars-CoV-2 weiter auf dem Tisch liegen. Die Untersuchung damals sei nur der Anfang, nicht das Ende gewesen. Die WHO hatte China Ende Dezember 2024 erneut dazu aufgerufen, "Daten und Zugang zur Verfügung zu stellen, damit wir die Ursprünge von Covid-19 verstehen können."

💡Labor-Theorie

Die Labor-Ursprungstheorie existiert seit dem Beginn der Corona-Pandemie 2020. Zuletzt fand sie unter anderem Unterstützung beim neuen Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe. Nach dieser Theorie stammt SARS-CoV-2 aus einem Labor. Meist wird das Institut für Virologie Wuhan genannt. Demnach entwich das Virus möglicherweise wegen eines Unfalls und/oder wegen mangelhafter Sicherheitsmaßnahmen.

Tiermarkt-Theorie

Die große Mehrheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hält es für deutlich wahrscheinlicher, dass die Pandemie ihren Ursprung auf einem Tiermarkt in Wuhan hatte. Vermutlich sprang das Virus dort auf einen Menschen über. Überträger waren eventuell Marderhunde, die von Fledermäusen infiziert wurden. Für diese Theorie spricht unter anderem eine Studie aus dem Fachjournal "Cell" (externer Link).

Geheimdienstexperte: "Ausgesprochen seriös und glaubwürdig"

Den Recherchen zufolge bezifferte der BND die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus aus einem Labor stammt, mit 80 bis 95 Prozent. Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom vom Forschungsinstitut für Friedenspolitik (externer Link) hält den BND-Bericht für "ausgesprochen seriös und glaubwürdig".

Schmidt-Eenboom erklärt, dass die Einstufung von Quellen nach ihrer Glaubwürdigkeit gängige Praxis sei. Die Einstufung erfolge anhand einer Kombination von Buchstaben und Ziffern, sodass sich eine Abstufung von "100 Prozent sicher" bis zu der Aussage, dass die Zuverlässigkeit nicht beurteilt werden könne, ergebe. So eine Einschätzung sei wichtig für das Bundeskanzleramt, sagte Schmidt-Eenboom gegenüber BR24.

Kritik an statistischer Einschätzung

Ein ARD-Wissenschaftsjournalist sieht die Nennung von Prozentzahlen im Zusammenhang mit dem Ursprung von Corona dagegen kritisch. "Es gibt keine statistischen Erfahrungswerte, aus denen sich seriös eine Wahrscheinlichkeit für diese Theorie ableiten lässt", so SWR-Wissenschaftsredakteur Gábor Paál. Wenn der BND sie trotzdem mit 80 bis 95 Prozent angegeben habe, sei das ein "subjektives Bauchgefühl zu einem bestimmten Zeitpunkt bei dürftiger Faktenlage".

Zum Audio: Kam Covid aus dem Labor? Was bedeutet die BND-Statistik

BND in Berlin
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BND in Berlin

Forscher: Es gilt abzuwarten

Auch die Einschätzung von Forschern fällt zurückhaltend aus: "Aufgrund der bisher publizierten Datenlage ist anzunehmen, dass die Übertragung über Zwischenwirte (z.B. Tierfarmen) auf den Menschen stattgefunden hat, da dort die Kontakte und Risiken wesentlich höher sind", so Fabian Leendertz, Direktor des Helmholtz-Instituts für One Health (externer Link). "Sollte es jetzt andere und neue Daten geben, die einen Ursprung im Labor untermauern, ist das ein anderes Bild." Man müsse nun abwarten, "bis diese Daten von Expert:innen untersucht und begutachtet worden sind". Professor Leendertz war 2021 Teil einer von der WHO berufenen Gruppe von Wissenschaftlern, die beauftragt war, die damals zur Verfügung stehenden Daten zu sichten.

Epidemiologe: Auf weitere Pandemien vorbereiten

Die Daten seien nicht schlüssig, sagte auch der Epidemiologe Klaus Stöhr gegenüber WDR-Radio. Wichtig bleibe allerdings, sich auf weitere Pandemien dadurch vorzubereiten, dass man aus Fehlern lerne. Ähnlich äußerte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): "Egal wie es jetzt im konkreten Fall gewesen ist. Es wird immer einfacher möglich werden, Viren so zu manipulieren, auch andere Erreger, dass sie für Menschen gefährlich sind. Das wird durch künstliche Intelligenz noch beschleunigt. Wir bekommen da auf jeden Fall eine zusätzliche Gefahr. Das ist ganz klar, da müssen wir besser vorbereitet sein."

Mit Informationen von epd, dpa und AFP

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