Knapp zwei Jahre noch, dann gehen die Münchner Tatort-Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr in Rente. 35 Jahre Ermittlerarbeit werden dann vergangen sein. 35 Jahre, in denen die Zuschauer auch einiges über die Stadt München erfahren haben. Zwar steht im Tatort der Mord natürlich immer im Mittelpunkt. Aber die Stadt selbst bildet immer den Rahmen für diesen Mord. Mit ihren kulturellen, architektonischen und soziografischen Besonderheiten gibt sie das Setting vor.
Der Münchner Tatort und die Eisbach-Welle
Und worum wird München auf der ganzen Welt beneidet? Richtig, um die Eisbach-Welle. Weithin bekannt und verehrt, steht sie im Mittelpunkt des 83. Falls von Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl). In "Die ewige Welle" wird der Eisbachsurfer Mikesch Opfer einer Messerattacke und überlebt schwer verletzt.
Wie sich herausstellt, war Mikesch Anfang der 80er-Jahre ein enger Freund von Leitmayr. Gemeinsam mit der Holländerin Frida verbrachten sie einen aufregenden Sommer zu dritt am Strand des portugiesischen Fischerorts Nazaré. Kurz darauf brach Franz den Kontakt zu beiden wortlos ab. Als er jetzt, Jahrzehnte später, wieder auf Mikesch trifft, holt ihn die Vergangenheit wieder ein. Aber statt mit der Polizei zu kooperieren, flieht Mikesch aus dem Krankenhaus, um ein Geschäft abzuwickeln, bei dem die Polizei stört.
Die Wiesn
Aber München wird ja nicht nur für seine Eisbach-Welle bewundert, sondern auch für das Oktoberfest. Klar, dass es die beiden Münchner Kommissare in über 30 Jahren Ermittlungsarbeit auch mal auf die Wiesn verschlägt. Rein beruflich natürlich. Denn es mag ja Münchnerinnen und Münchner geben, die das Oktoberfest lieber meiden und panikartig die Flucht ergreifen, um den zwei Wochen Ausnahmezustand zu entkommen.
Zu diesen Menschen gehört auch Franz Leitmayr. In Fall Nummer 70 "Die letzte Wiesn" verlässt er zur Oktoberfestzeit die Stadt. Wie jedes Jahr. Doch kaum in Italien angekommen, ruft Batic ihn zurück. Auf der Geldbörse eines Wiesnbesuchers, der am Morgen tot aufgefunden wurde, waren ausgerechnet seine Fingerabdrücke. Leitmayr hatte dem Italiener auf dem Weg zum Bahnhof noch das Portemonnaie in die Tasche zurückgeschoben. Dieser schien komplett betrunken zu sein. Doch laut Obduktionsbericht hatte er nur 0,7 Promille. Offenbar war also nicht das Wiesnbier für den desolaten Zustand des Italieners verantwortlich. Das Toxscreening zeigt: in seinem Blut war GHB, Liquid Ecstasy. Und er war nicht der einzige Fall.
Der Fasching
Apropos Alkohol. Apropos Gelage. Eine gute Feier lassen sich Münchnerinnen und Münchner niemals entgehen. Und Feiern, das kann man an Fasching natürlich prächtig. Bis dann der Aschermittwoch kommt. Aber am Faschingsdienstag, dem sogenannten Kehraus, gibt man natürlich erst noch mal richtig Gas. So wie die wichtigste Zeugin im Fall Nummer 86 von Batic und Leitmayr: "Kehraus".
Das "Rotkäppchen" war für eine Befragung nämlich schlicht zu betrunken. Batic und Leitmayr nehmen es deshalb kurzerhand mit. Silke Weinzierl (Nina Proll), wie das "Rotkäppchen" heißt, ärgert sich am nächsten Morgen sehr. In der Ausnüchterungszelle hat sie offensichtlich wirklich schlecht geschlafen. Nein, sie kennt den Mann nicht, mit dem sich das Mordopfer gestritten hatte, und weiß auch nicht, weshalb es zu dem Streit kam. Schnell wird klar: Batic und Leitmayr haben es nicht nur mit einem kniffligen Fall, sondern vor allem auch mit einer sehr ungewöhnlichen Frau zu tun.
Der Grantler
Komische Gestalten trifft man in München nicht nur an Fasching. Das "Münchner Original" ist zwar kein eingetragener Begriff. Aber die Stadt bringt solche "Originale" von Zeit zu Zeit hervor. Zu nennen wäre hier vielleicht das Geschwisterpaar, das man jahrelang grantelnd und zeternd in der Münchner U-Bahn getroffen hat. Bevorzugt an der Münchner Freiheit. Bevorzugt nur leicht bekleidet mit Hot Pants und bauchfreiem T-Shirt.
Und mit einem Grantler der Kategorie A bekommen es Batic und Leitmayr in ihrem 91. Fall "Hackl" zu tun. Als der junge Adam Moser tödlich mit dem Motorrad verunglückt, führen die Ermittlungen die beiden Kommissare ins Münchner Hasenbergl. Hier lebte der Tote mit seiner Freundin in einem kleinen Bungalow inmitten der anonymen Hochhäuser des Viertels. Im Nachbarhaus wohnt der alte Hackl (Burghart Klaußner), ein stadtbekannter Störenfried, dessen Wutpotenzial nicht nur bei der Münchner Polizei berüchtigt ist: Hatte er auch etwas gegen Adam? Genug, dass er sterben musste? Der alte Grantler macht es der Obrigkeit wie immer schwer und entzieht sich gewaltvoll dem Vollzug.
Das Landleben
Aber weil München ja nicht München wäre ohne seine schöne Umgebung, findet das Land – dort, wo sich vom Stadtleben erschöpfte Münchner erholen – natürlich auch seine Würdigung. In der Folge 93 "Königinnen" ermitteln Batic und Leitmayr vor schönster ländlicher Kulisse.
Denn beim Gipfeltreffen bayerischer Produktköniginnen gab es einen Mordversuch: Der Präsident des Bavaria-Bunds (Wolfgang Fierek) wurde mit einem Bolzenschussgerät attackiert und liegt seitdem auf der Intensivstation. Batic und Leitmayr kommen dahinter, dass das Opfer seine Position für sexuelle Übergriffe ausgenutzt hat: Keine Königin war vor seinen Belästigungen sicher. Jede hatte also ein Motiv, es ihm heimzuzahlen – Sylvia, die Organisatorin des Königinnentags (Veronica Ferres), eingeschlossen.
Laptop und Lederhose
München ist teuer und natürlich müssen Münchnerinnen und Münchner das ganze Geld erst mal verdienen, das dann auf der Wiesn und im Fasching wieder ausgegeben werden kann. Aber zum Glück gibt es in der Stadt ja zahlungskräftige Arbeitgeber aus der Tech-Branche, die sich hier nur zu gerne ansiedeln. Und das nicht nur, weil es in der Stadt die Eisbach-Welle und die Wiesn, sondern auch gut ausgebildete Leute gibt. Einem Ranking des renommierten britischen Magazins "Times Higher Education" (THE) zufolge hat München mit der TUM sogar die beste Universität in Deutschland und der EU. Darüber hinaus ist die Stadt Tech-Standort, und das findet natürlich auch im Tatort seinen Niederschlag. In Fall 79 bekommen es Batic und Leitmayr nämlich mit einer KI zu tun.
Als sie im Fall der verschwundenen Melanie ermitteln, fragt eine Stimme aus dem Laptop nach dem Mädchen. Was Batic und Leitmayr zuerst für einen Chatbot halten, entpuppt sich bald als hochkomplexe Künstliche Intelligenz (KI). Am "Leibniz-Rechenzentrum" in München ist man entsetzt. Niemand kann sich erklären, wie dieses Programm aus einem laufenden EU-Projekt auf den Laptop des Mädchens gelangen konnte. Nachforschungen ergeben schnell, dass das Forschungsprojekt gehackt und eine Kopie der geheimen Forschungs-KI namens "MARIA" erstellt wurde. Melanie hatte mit MARIA regen Kontakt, auch im Moment ihres Verschwindens. Weiß MARIA mehr über das Verschwinden von Melanie? Für die Ermittler stellt sich zusätzlich die Frage, wie man eine KI als Zeugen vernimmt, während die Zeit davonläuft. Denn jede Stunde mehr lässt die Hoffnung sinken, das Mädchen noch lebend zu finden.
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