Der russische Präsident sitzt am Schreibtisch vor einem Videobildschirm
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Wladimir Putin bei einer Videokonferenz im Kreml

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"Wir erledigen uns selbst": Wie groß ist Putins Besorgnis?

"Wir erledigen uns selbst": Wie groß ist Putins Besorgnis?

Dem russischen Präsidenten werde erst jetzt das ganze Ausmaß der Wirtschaftskrise klar, so Beobachter. Angeblich denkt der Kreml wegen der hohen Kosten deshalb ans Einlenken im Ukraine-Krieg. Wirkt das "Ultimatum", das Donald Trump gestellt hat?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Die schreckliche Wahrheit über die katastrophale Lage der Wirtschaft erreicht den Präsidenten scheibchenweise. Es ist nicht klar, womit Putin unzufrieden ist, mit der Situation selbst oder wie sie ihm bisher dargestellt wurde", so ein russischer Blogger mit 156.000 Fans über ein vermeintlich "böses Erwachen" im Kreml. Anlass für derartige Bemerkungen: US-Präsident Donald Trump hatte Putin eine Art Ultimatum gestellt und gedroht, die angeblich desaströse russische Wirtschaftslage durch härteste Sanktionen weiter zu verschlechtern, wenn der Kreml nicht bald einlenke.

"Die Schwachstelle Russlands ist so offensichtlich, dass sie durch keinen Bericht des Finanzministeriums verschleiert werden kann. Wenn man Putin den Öl- und Gashahn abdreht, wird die gesamte russische Wirtschaft zusammenbrechen", brachte ein russischer Blogger Trumps Strategie auf den Punkt. Abgesehen von seinen Atomwaffen sei Russland "ein Land mit einer rückständigen Armee, das in Korruption versunken ist und in der Vergangenheit lebt".

"Verhandlungslösung wünschenswert"

Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters wollen von kremlnahen Informanten in Moskau derweil erfahren haben, dass sich Putin seit Mitte Dezember "zunehmend Sorgen um die Wirtschaft" mache und deshalb verstärkt darüber nachdenke, wie er seinen Angriffskrieg auf die Ukraine gesichtswahrend beenden könne: Ein Teil der russischen Elite halte eine Verhandlungslösung für wünschenswert.

Kreml: "Problematische Faktoren"

Die russische Politologin Tatjana Stanowaja widersprach Reuters. Zwar habe Putin keine Mittel für größere Offensiven, setze jedoch auf eine Zermürbungstaktik: "Selbst, wenn sich die finanzielle und wirtschaftliche Situation um das Hundertfache verschlechtern würde, würde Putin das immer noch nicht als Grund für Zugeständnisse betrachten. Er betont oft, wie 'effektiv' und 'nachhaltig' die russische Wirtschaft sei, insbesondere im Vergleich zu den Volkswirtschaften, die er als schwächer einschätzt. Wenn Trump das als Druckmittel nutzen will, um Putin zu Zugeständnissen zu bewegen, ist er zum Scheitern verurteilt."

Putin-Sprecher Dmitri Peskow reagierte ausweichend auf die Reuters-Darstellung: "Wir halten ein ziemlich hohes Entwicklungstempo aufrecht, obwohl es bestimmte problematische Faktoren [in der Wirtschaft] gibt. Tatsache ist jedoch, dass die Volkswirtschaften aller Länder der Welt derzeit mit problematischen Faktoren konfrontiert sind, sodass Russland in dieser Hinsicht in diesem Fall keine Ausnahme darstellt."

Der britische Wirtschaftsexperte Richard Connolly vom "Royal United Service Institute" behauptete in einer Analyse, Putins Kriegswirtschaft sei keineswegs so schwach, wie es manche im Westen gern behaupteten. Das wurde von russischen Propagandisten wie Elena Panina gern ausführlich zitiert: "Die Konfrontation mit dem Westen ist kein Sprint, sondern ein Marathon."

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Russlands derzeitige wirtschaftliche Lage sei dennoch "sehr alarmierend", so der Politologe Wladislaw Inosemtsew. Das ist umso verwunderlicher, weil dieser Experte bisher stets betonte, dass der Kreml keine ernsthaften finanziellen Sorgen habe. Jetzt verweist Inosemtsew auf die jüngsten Zahlen zum Außenhandel und kommt zu einem für seine Verhältnisse bemerkenswert düsteren Fazit: "Das wird nicht zu einer existenzgefährdenden Krise, aber ab 2026 zu einem Rückgang der Importe führen, den sowohl die Wirtschaft, als auch die Bevölkerung sicherlich zu spüren bekommen."

"Kriegswirtschaft erinnert an Kartenhaus"

Auch der systemtreue Politologe Ilja Graschtschenkow ist höchst beunruhigt: "Der Staat muss eine Gleichung aufmachen, auf die es keine guten Lösungen gibt – die Aufrechterhaltung der finanziellen Stabilität des Landes ist, so paradox es auch klingen mag, mit Rückschlägen für das soziale Wohlergehen der Bürger verbunden."

Ein weiterer maßgeblicher Kommentator mit 160.000 Followern schrieb: "Es stellt sich heraus, dass die finanzielle Basis der russischen 'Kriegswirtschaft' zunehmend an ein Kartenhaus erinnert, was zu einer unkontrollierbaren Kreditkrise führen und die Vertrauenswürdigkeit der russischen Banken untergraben könnte, die ohnehin schon längst nicht mehr in Bestform sind."

Ökonom Igor Lipsitz schrieb ironisch: "Kein Feind kann Russland in die Knie zwingen, wir erledigen uns schon selbst."

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