Was bisher geschah: In "Der Spitzname" fasst Stephan Berger, Literatur-Professor außer Dienst, Typ fleischgewordener Cord-Anzug, die Familienscharmützel der Vorgängerfilme bei einer Tischrede am Vorabend der Hochzeit seines Schwagers Thomas mit dessen Lebensgefährtin Anna folgendermaßen zusammen: "Mal erfindet der eine höchst zweifelhafte Vornamen für sein noch nicht geborenes Kind, mal heiratet eine Mutter ihren Ex-Adoptivsohn und nimmt dessen Nachnamen an."
Womit man es eigentlich auch hätte gut sein lassen können. Denn so begeistert man Sönke Wortmanns Schauspiel-Truppe als sich bekriegender und zuletzt wieder versöhnender Großfamilie in "Der Vorname" auch zugesehen hatte: bereits im zweiten Teil, in dem – anhand der Wahl des Nachnamens – eher gestrige Stammhalter-Fragen diskutiert wurden, schien die Masche ausgeleiert.
Deutlich besser als der Vorgänger
Na schön, jetzt also "Der Spitzname". Erster Reflex: Herrje, musste das sein? Aber – Überraschung! – Teil drei ist wieder deutlich besser als der Vorgänger. Eine wirklich kurzweilige Konversationskomödie, auch wenn der serienbedingte Titelzwang keinen zwingenden Plot nach sich zieht. Um Spitznamen geht es darin nämlich nur am Rande.
Der Begriff wird eher pflichtschuldig erwähnt, ohne dass Diskussionen um das Konzept dahinter Motor der Handlung wären. Wenn sich Thomas und Anna beharken, weil er die gemeinsame Tochter Paula immerzu Paulchen nennt, ist das allenfalls die Starthilfe, um eine Geschichte in Gang zu setzen, in der ganz andere Streitfragen als die um zweifelhafte Kosenamen verhandelt werden.
Das familiäre Gipfeltreffen findet diesmal in den Alpen statt, wo Thomas und Anna ihre bereits erwähnte Hochzeit feiern wollen. Malerisch verschneite Bergkulisse, schniekes Sternehotel. Ein Tiroler Top-Resort. Klar, drunter macht's Thomas nicht, wo er doch kurz vor dem Aufstieg in den Vorstand eines Immobilienkonzerns steht. Vorher allerdings muss er noch ein "Sensibility Coaching" absolvieren. Stephan wiederum wurde vorzeitig in Rente geschickt, weil er in seinen Uni-Seminaren unsensibles Vokabular benutzt hat. Die aktuelle Wokeness-Diskussion hält er für überflüssig. Womit das Minenfeld markiert wäre, das der Film beackert.
Das Timing ist tadellos, das Ensemble gut in Form
Geschlechtergerechtigkeit und Gendern, anti-diskriminierende Sprache, Diversity oder Climate Justice – kaum ein heißes Debatten-Eisen, das der Film nicht anfasst, um damit die unterschiedlichen Familienmitglieder für die Dialog-Scharmützel ihrer Beziehungs-Grabenkämpfe zu munitionieren. Dass die Figuren immer wieder mal die Lager wechseln und neue Allianzen schmieden, gehört zum Komödienspiel.
Das Timing ist tadellos, das Ensemble gut in Form. Christoph Maria Herbst als konservativer Sprach-Nerd Stephan und Caroline Peters als seine stichelnde Ehefrau Elisabeth zum Beispiel zelebrieren die Rituale des über Jahrzehnte eingeübten Partner-Bashings mit knochentrockener Ironie.
"Der Spitzname" als beißende Gesellschaftssatire zu bezeichnen, wäre zu viel des Guten. Dient doch die komische Zuspitzung gegenwärtiger Konfliktthemen hier nicht dazu, in irgendwelchen Wunden herumzustochern. Sönke Wortmanns Film drückt zwar ein bisschen auf den Schmerzpunkten herum, doch bevor es wirklich weh tut, sorgt er dafür, dass sich der Schmerz in Lachen löst. Aber – damit wir uns nicht falsch verstehen: das ist natürlich auch keine kleine Leistung in Zeiten verhärteter ideologischer Fronten. Trotzdem eine Bitte: Jetzt in Gottesnamen bloß nicht noch einen vierten Teil hinterherschieben, von wegen "Der Deckname" oder so. Wenn's am schönsten ist, soll man bekanntlich aufhören.
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