Ein Historienfilm? Nein, eigentlich nicht! "Die Herrlichkeit des Lebens", das Drama rund um die letzte Liebe des Schriftstellers Franz Kafka, ist zeitlos inszeniert. Fast so, als würde es in unseren Tagen spielen. Hell ist dieser Film, er hat etwas Strahlendes. Auch die Hauptdarsteller überzeugen durch ihr frisches Spiel. Henriette Confurius als Dora Diamant und Sabin Tambrea als Kafka. Sie eine junge, forsche und gleichzeitig in sich ruhende Frau, die von Confurius mit charmanter Offenheit gespielt wird; und er ein kränkelnder, Tuberkulose-geplagter Schüchterling, wobei er in Bezug auf diese junge Frau ganz entschieden wirkt. Er will sie unbedingt kennenlernen, mit ihr Zeit verbringen.
Dora Diamant und Franz Kafka lernen sich im Sommer 1923 zufällig an der Ostsee kennen. Er schreibt, sie tanzt – und möchte Schauspielerin werden. In der Sonne glitzern die Wellen, das Meer rauscht, der Wind pfeift durchs Dünengras.
Die Sprache steht keineswegs im Vordergrund
Co-Regisseurin und Kamerafrau Judith Kaufmann nähert sich den beiden, als wären sie ihr schon lange vertraut. Die Kamera ist meist nah an dem Paar, ohne ihnen zu sehr auf die Pelle zu rücken. Kaufmann setzt sie raffiniert ins Licht. Hebt sie hervor, ohne dass das künstlich oder übertrieben wirken würde. Auch wenn es um einen der wichtigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts geht, steht die Sprache keineswegs im Vordergrund. Kaufmann lässt die Bilder sprechen.
Viele Halb-Nahaufnahmen, wenige Totalen. Das alles oft wie ein Kammerspiel – oder besser noch: wie ein Tanz, den die Kamera aufmerksam beobachtet. Mal umkreist sie die beiden mit großer Agilität, was eher dem Charakter von Dora entspricht, mal erstarrt die Optik etwas oder hält vielmehr inne, was eher Franz charakterisiert. Schnell entsteht eine große Vertrautheit mit dem Paar.
Kafka stirbt 1924, im Alter von nur 40 Jahren. Nur ein Jahr hatten Dora und Franz, um ihre Liebe zu leben. Sie steht mit beiden Beinen fest auf der Erde, er schwebt immer etwas darüber. Sie mag den Indikativ, er bevorzugt den Konjunktiv. Ihre Verschiedenheit inspiriert beide – und die Kunst des Films besteht nun darin, diese Unterschiedlichkeit durch das Casting sowie das visuelle Konzept zum Ausdruck zu bringen.
Bilder von existenzieller Intensität
Co-Regisseur Georg Maas schwärmt von der Phantasie und Entschiedenheit seiner Mitstreiterin und Kamerafrau Judith Kaufmann. Sie sei sehr tief in die einzelnen Szenen eingetaucht, um herauszufinden, was jede einzelne für sich bedeutet. "Von daher war dann auch klar, dass wir Ausstattung und Kostüm nicht so voll historisierend haben wollen, was eine Distanz erzeugt. Wir wollten, dass man da drin ist als Zuschauer. Dass man mit den beiden mitfiebert, wie in einem zeitgenössischen Liebesfilm."
Berührend ist diese Liebe, auch traurig, aber nie sentimental – vielmehr getragen von dieser Klarheit in der visuellen Umsetzung. Sehr präsent bleibt einem dieser Film, der ansonsten recht konventionell inszeniert ist, aber in seinen Bildern eben existenzielle Intensität besitzt. Ohne eskapistisch zu sein, feiert er die titelgebende "Herrlichkeit des Lebens".
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