Vergangenen Donnerstag ist der Digital Markets Act (DMA) der EU in Kraft getreten. Er bildet zusammen mit dem Digital Services Act eine Art digitales Grundgesetz. Mit dem DMA will die EU die Marktmacht von Gatekeepern- zu deutsch "Torwächter" - brechen.
Ein solcher "Torwächter" ist der Meta-Konzern mit WhatsApp und dem Facebook-Messenger. Auch in diesem Bereich sollen die Karten neu gemischt werden. Hier ist WhatsApp der unangefochtene weltweite Marktführer mit mehr als zwei Milliarden Nutzenden weltweit, davon etwa 60 Millionen in Deutschland. Jeder WhatsApp-Nutzende weiß: Kurznachrichten kann er nur anderen WhatsApp-Nutzenden schreiben. Man sagt auch: "Ich schicke Dir eine WhatsApp."
- Zum Hintergrund: "Ein neues Kapitel": Zuckerberg baut WhatsApp um
WhatsApp muss sich für andere Messenger öffnen
Der Digital Markets Act verpflichtet WhatsApp nun, für seine Nutzenden die Möglichkeit zu schaffen, auch mit anderen Messenger-Apps Nachrichten austauschen zu können. Es soll also zum Beispiel möglich sein, von WhatsApp zu Signal zu schreiben oder von Threema zu WhatsApp. Im Fachsprech heißt dieses Konzept "Interoperabilität".
Was bei E-Mails schon immer geht, ist bei Messengern sehr kompliziert. Nach zweijähriger Arbeit hat Meta, WhatsApps Mutterkonzern, ein Konzept vorgestellt, wie das gehen soll (externer Link).
Es sieht vor, dass andere Messenger-Anbieter einen Vertrag mit Meta abschließen müssen, um interoperabel zu werden. Signal, Threema, Telegram und Co müssten dann das Client-to-Server-Protokoll von WhatsApp in ihre eigenen Apps integrieren. In der digitalen Kommunikation ist das Protokoll eine Reihe von Regeln und Standards, die festlegen, wie Daten zwischen Ihrem Gerät und dem Server übertragen werden.
WhatsApp setzt für Verschlüsselung auf das Signal-Protokoll
Laut WhatsApp ist dieser Schritt notwendig, um die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Chats aufrecht erhalten zu können. WhatsApp und der Facebook Messenger verwenden für die Verschlüsselung das Signal-Protokoll, das mittlerweile als Industriestandard gilt. Meta zufolge wäre eine Messenger-übergreifende Kommunikation am leichtesten mit Diensten herzustellen, die ebenfalls das Signal-Protokoll verwenden. Auch Signal selbst und Skype nutzen es, nicht aber Threema und Telegram. Grundsätzlich hält Meta auch die Verwendung anderer Protokolle für denkbar, wenn diese dieselben Sicherheitsstandards wie das Signal-Protokoll erreichen.
Nutzende von WhatsApp müssten sich bewusst zur Kommunikation mit anderen Messengern entscheiden. Nachrichten von anderen Messengern würden in WhatsApp in einem speziellen Postfach angezeigt werden.
Signal und Threema wollen nicht mitmachen
Doch ob es so weit kommt, ist eher unwahrscheinlich, denn andere Messenger-Anbieter wie Signal und Threema sind von der Lösung, die Meta anbietet, nicht überzeugt. Zum einen wollen sie sich nicht von WhatsApp die technischen Spielregeln diktieren lassen, zum anderen haben sie große Datenschutzbedenken.
Signal verweist darauf, dass man nicht nur die Inhalte verschlüssele, sondern auch vertrauliche Metadaten wie Profilnamen und -foto, Kontaktlisten, Gruppenmitgliedschaften und Informationen darüber, wer wem Nachrichten sendet. Andere große Apps erfüllten "nicht annähernd die Datenschutzstandards von Signal". Hier dürfte WhatsApp gemeint sein.
Im Februar hatte Signal-Präsidentin Meredith Whittaker dem Blog netzpolitik.org gesagt (externer Link), dass eine Zusammenarbeit mit Facebook-Messenger, iMessage oder WhatsApp eine Verschlechterung der Datenschutzverpflichtungen bedeuten würde. Eine Zusammenarbeit mit diesen Apps berge das Risiko, dass diese Zugang zu Daten erhalten, die dann in einer Weise verwendet oder verkauft werden könnten, die nicht mit der Mission von Signal übereinstimmten, so Whittaker weiter.
Bei Threema hieß es, WhatsApp gebe alle Protokolle vor, "und wir wüssten nicht mit Sicherheit, was mit den Nutzerdaten geschieht, wenn sie an WhatsApp übertragen werden, zumal WhatsApp nicht Open Source ist". Auch gebe es ungelöste Probleme wie die Nutzeridentifikation, da WhatsApp dafür die Telefonnummer verwende und Threema eine zufällig generierte ID. Die von Meta vorgeschlagene Lösung könne Threema-Nutzer potenziell deanonymisieren.
Messenger-übergreifende Kommunikation könnte doch noch kommen
Fürs Erste sieht es also nicht so aus, als ob wir bald munter zwischen verschiedenen Messengern hin und her schreiben können. Dennoch dürfte hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Das im vergangenen Jahr veröffentlichte offene MLS-Protokoll eignet sich auch für die Verschlüsselung größerer Gruppenchats - eine Anforderung, die WhatsApp laut Digital Markets Act bis 2026 erfüllen muss. Zudem kann jeder Messenger-Anbieter, der das MLS-Protokoll verwendet, entscheiden, ob und wie viele Metadaten er speichern will, es ist also auch ein datenschutzfreundlicher Einsatz möglich. Und: Auch Meta hat am MLS-Protokoll mitgearbeitet.
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