Die Videos sehen aus wie die eines ganz normalen Reisebloggers. Ein junger Deutscher reist auf dem Fahrrad durchs Land, spricht mit Einheimischen, kostet die lokale Küche und lässt sich vor Ort einkleiden. Einmal filmt er sich sogar bei einer Straßenkontrolle.
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Influencer in Afghanistan
Das Ungewöhnliche daran: Die Videos wurden 2024 in Afghanistan aufgenommen – und damit unter der Herrschaft der Taliban. Seit der Machtübernahme durch die islamistische Bewegung 2021 haben sie das Land zu einem Gottesstaat gemacht. Frauen bleiben grundlegende Rechte wie Bildung verwehrt, auch die medizinische Versorgung ist insbesondere für Frauen deutlich schlechter geworden.
In den Videos des deutschen Reisebloggers werden Themen wie Islamismus, Menschenrechtsverletzungen oder die blutige Machtergreifung aber höchstens gestreift. Im Vordergrund steht etwas anderes: Afghanistan wie ein ganz normales Reiseziel aussehen zu lassen. In einem der Videos antwortet der Influencer auf Kommentare, dass eine Frau eine solche Reise niemals machen könnte, mit einem klaren (und falschen): "Das ist Bullshit."
Klicks im Krisengebiet
Der Afghanistan-Influencer ist kein Einzelfall. Immer wieder wagen sich deutsche Reiseblogger in Krisen- und Kriegsgebiete, für die das Auswärtige Amt eindeutige Reisewarnungen ausgesprochen hat. Sie zeigen sich nicht nur in Afghanistan, sondern auch in anderen Autokratien wie Syrien. Clips dieser Art – inklusive Händeschütteln mit Taliban und anderen Milizen – erreichen oft Hunderttausende Aufrufe.
Meist erheben die Influencer keinen Anspruch darauf, journalistisch zu arbeiten. Sie verweisen darauf, als Privatpersonen hier zu sein und nur private Eindrücke teilen zu wollen.
Für Claudia Paganini reicht das als Argument nicht. Sie ist Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie München. "Ich fürchte, dass viele Zuschauer die Unterscheidung zwischen Influencer und Journalist gar nicht machen", meint sie. "Dass sie dann im Gespräch an der Supermarktschlange dann halt doch zum besten Freund sagen: Du übrigens, das in Afghanistan ist ganz anders, als uns das immer verkauft wird."
Digitale Öffentlichkeitsarbeit für Autokratien
Für die Autokratien vor Ort können die Influencer nützlich sein. Eine ARD-Recherche hatte bereits vor einem Jahr aufgedeckt, dass eine deutsche Reiseagentur mit einem Reiseführer in Syrien zusammenarbeitet, der Kontakte zu Syriens Diktator Assad pflegt. Hier werden sorgsam geplante Reisen für deutsche Influencer vermittelt, die vor Ort wenig vom tatsächlichen Land zu sehen bekommen, wohl aber Propaganda für das syrische Regime. Digitale Öffentlichkeitsarbeit funktioniert auch für Autokratien.
Medienethikerin Claudia Paganini rät den Influencern mit Abenteuerlust, zumindest klar kenntlich zu machen, dass ihre Inhalte nichts mit tatsächlicher Information zu tun haben. Sie befürchtet zudem, dass Zuschauer durch die Videos selbst auf die Idee kommen könnten, an die gefährlichen Orte zu reisen: "Grundsätzlich, denke ich, ist es keine gute Idee, sich als Influencer oder Bloggerin über Reisewarnungen des eigenen Außenministeriums hinwegzusetzen."
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