Es beginnt meist mit Sorge: Cybermobbing, verstörende Inhalte, Kontaktaufnahme durch Fremde – die digitale Welt birgt viele Gefahren, besonders für Kinder. Kein Wunder, dass Eltern nach Lösungen suchen. Eine verständliche Sorge, die ein fragwürdiger Markt für sich zu nutzen weiß: "Kindersicherungs-Apps" versprechen Schutz, können aber selbst zur Gefahr werden.
Überwachung statt Schutz
Ein Forscherteam der Fachhochschule St. Pölten hat sich diese Apps genauer angeschaut. Die Experten analysierten 20 Apps aus dem Google Play Store und 20 weitere, die nur außerhalb des offiziellen App-Stores heruntergeladen werden können. Diese "Sideloaded-Apps" erwiesen sich als besonders problematisch: Sie werben mit umfangreichen Überwachungsfunktionen, nehmen es selbst aber mit grundlegender Sicherheit nicht so genau.
Drei der untersuchten Programme übertrugen sensible Informationen völlig unverschlüsselt – ein grober Verstoß gegen elementare Datenschutzprinzipien. Fast die Hälfte der außerhalb des Play Stores verfügbaren Apps hatte nicht einmal eine Datenschutzerklärung. Und acht der 20 untersuchten Programme wurden als Stalkerware eingestuft – Programme, die eigentlich zum heimlichen Ausspionieren konzipiert wurden.
Partner-Bespitzelung getarnt als Kinderschutz
Die Studie (externer Link) deckt auf, dass viele dieser Apps ursprünglich für die Überwachung von Partnern konzipiert und später als "Kindersicherungs-Tools" neu vermarktet wurden.
Das erkennt man an einem entlarvenden Detail: Mehr als die Hälfte der analysierten Apps bewarben die Überwachung von Dating-Apps wie Tinder. Da diese Plattformen ein Mindestalter von 18 Jahren voraussetzen, deutet dies darauf hin, dass diese Funktionen für die Überwachung Erwachsener gedacht sind – und nicht zum Schutz von Kindern.
Die Forscher fanden weitere Hinweise, die echte Kindersicherungs-Apps von getarnter Stalkerware unterscheiden. Seriöse Kinderschutz-Apps bieten in der Regel spezifische Funktionen wie Panik-Knöpfe für Notfälle oder digitale Stundenpläne. Fehlen solche kinderspezifischen Funktionen, ist das ein deutliches Warnsignal.
Technische Probleme und Datenschutzrisiken
Die analysierten Apps sammeln erschreckend viele persönliche Daten und sind bei Datenlecks besonders gefährdet. Die Studie zeigt, dass 17 von 20 sideloaded Apps ihren Namen und ihr Icon verstecken, um auf dem Gerät unauffällig zu bleiben – eine typische Eigenschaft von Stalkerware.
Zudem sind viele der Anwendungen technisch mangelhaft. Sie werden selten aktualisiert und funktionieren je nach Handymodell unterschiedlich gut. Der Markt für diese Art von Software ist anfällig für Betrug, bei dem nur Geld kassiert wird, ohne funktionierende Gegenleistung zu erbringen.
Besonders beunruhigend ist, dass die meisten dieser Apps Nutzer anweisen, den Google Play Protect-Dienst zu deaktivieren – eine Sicherheitsfunktion, die Android-Geräte vor Malware schützen soll. Die Deaktivierung dieses Schutzmechanismus öffnet Tür und Tor für weitere Schadsoftware.
Fehlende Kontrolle: Kinder bleiben außen vor
Die Studie wirft wichtige Fragen über den Umgang mit Kindern (externer Link) im digitalen Raum auf. Die Forscher betonen, dass dringender Bedarf an einer öffentlichen Diskussion über die Verfügbarkeit dieser Apps besteht – insbesondere darüber, wie sie aus ethischer Sicht verwendet werden sollten.
Ein zentrales Problem: Kinder haben bei diesen Überwachungs-Apps oft keinen Zugriff auf ihre eigenen gesammelten Daten und keine Kontrolle darüber. Selbst wenn die Überwachung endet oder sie volljährig werden, haben sie keine Möglichkeit, auf ihre Daten zuzugreifen oder deren Löschung zu beantragen.
Überwachung statt Vertrauen: Der falsche Weg zum Schutz
Die zentrale Erkenntnis der Studie: Die digitale Sicherheit von Kindern bleibt ein wichtiges Anliegen – doch sie darf nicht auf Kosten ihrer Privatsphäre und ihres Vertrauens gehen. Statt heimlicher Überwachung empfehlen Experten offene Gespräche und altersgerechte Aufklärung für einen gesunden digitalen Umgang. Wer dennoch eine Kindersicherungs-App nutzen möchte, sollte auf transparente Anbieter achten, die keine übermäßigen Datenmengen sammeln und grundlegende Sicherheitsstandards einhalten.
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