Über ein Jahr musste sich KI-Podcast-Host Marie Kilk vor Gericht mit einer Airline rumschlagen – doch am Ende kamen 250,10 Euro Entschädigung auf ihr Konto. Das Besondere: Sie sprach in dieser Zeit nie mit einem Anwalt. Stattdessen übernahm ein automatisiertes System die juristische Arbeit, informierte sie regelmäßig über den Fortschritt und setzte schließlich die Entschädigung durch. Ein Beispiel dafür, wie künstliche Intelligenz das Rechtssystem verändert – wenn auch zunächst nur in einfachen, standardisierten Fällen.
KI-Anwälte für jedermann: Wie automatisierte Rechtsberatung funktioniert
Firmen wie FlightRight oder DoNotPay haben sich darauf spezialisiert, Verbrauchern bei rechtlichen Standardfällen zu helfen: Fluggastrechte durchsetzen, Fitnessstudio-Verträge kündigen oder Strafzettel anfechten. Diese "Legal Tech"-Start-ups nutzen automatisierte Systeme für Fälle, die nach einem klaren Schema ablaufen. Das macht den Rechtsweg für viele Menschen erst zugänglich – ist aber weit entfernt von der komplexen Arbeit, die Anwälte in Kanzleien täglich leisten. Doch auch bei dieser Arbeit schicken sich große Sprachmodelle wie ChatGPT, Googles Gemini oder Claude von Anthropic an, den Menschen Konkurrenz zu machen – oder ihnen zumindest als zunehmend nützliche Werkzeuge zur Verfügung zu stehen.
Mehr als nur Flugverspätungen: Wo Legal Tech heute schon unterstützt
Wie weit fortgeschrittene KI-Systeme auch bei anspruchsvolleren juristischen Aufgaben bereits sind, zeigt ein Experiment des KI-Podcasts: Zusammen mit dem Münchner Baurechtsanwalt Johannes Hegemann gab das Team des Podcasts verschiedenen KI-Modellen denselben Auftrag, den der Anwalt selbst am Vortag von einem Mandanten erhalten hatte: Die Programme sollten einen Vertrag für Abrissarbeiten formulieren.
Das Ergebnis überraschte auch den erfahrenen Juristen: "Das ist schon deutlich differenzierter gemacht", urteilt Rechtsanwalt Hegemann über den KI-generierten Vertrag. "Man findet hier Zahlungsbedingungen, Schlussbestimmungen und auch vor allem Regelungen wieder, die man üblicherweise in einem Vertrag hat." Die Struktur sei sogar "ziemlich ähnlich" zu dem Vertrag, den er selbst aufgesetzt hatte – und das nach nur 30 Sekunden Bearbeitungszeit.
🎧 Wie verändert KI unser Leben? Und welche KI-Programme sind in meinem Alltag wirklich wichtig? Antworten auf diese und weitere Fragen diskutieren Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub jede Woche in Der KI-Podcast – dem Podcast von BR24 und SWR.
Datenschutz und Haftung: Die Grenzen der KI-Justiz
Dennoch: Ein bisschen dürfte es noch dauern, bis KI wirklich selbstständig Anwaltsaufgaben übernehmen könnte. Zum einen sind die Aufgaben in der Praxis natürlich vielseitiger und komplizierter als im Test des Podcasts. Zum anderen bleibt die Haftungsfrage offen: "Bei großen Transaktionen geht es nicht nur um die juristischen Details, sondern ums Risiko", erklärt Leif Lundbaek, CEO des Berliner Start-ups Xayn, das einen spezialisierten KI-Bot für Anwaltskanzleien anbietet. Unternehmen wollen eine Kanzlei haben, die sie im Fehlerfall haftbar machen können – eine Sicherheit, die KI-Systeme bislang nicht bieten können. Auch der Datenschutz sensibler Mandanteninformationen müsse gewährleistet sein und wiege bei juristischen Themen besonders schwer.
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