Es ist der vielleicht wichtigste Tweet [externer Link] in der Geschichte des niederbayerischen Rüstungs-Start-ups Donaustahl: "Das Bundeswirtschaftsministerium hat der Donaustahl GmbH - unter strengen Auflagen - die Genehmigung zur Herstellung und Ausfuhr der Adaptive Loitering Munition Platform (ALMP) 'MAUS' erteilt".
Damit ist die Firma aus Hutthurm bei Passau nach eigenen Angaben seit gestern das erste deutsche Unternehmen, das Kamikazedrohnen für die Ukraine produzieren darf. Dass die Firma und ihr Chef Stefan Thumann diese Ankündigung auf der Social-Media-Plattform X/Twitter machen, ist dabei kein Zufall. Denn das Start-up zeichnet sich seit seiner Gründung durch eine unkonventionelle Social-Media-Präsenz aus.
Firma beginnt als Sportschützenausstatter
Die Geschichte der Firma Donaustahl beginnt mit dem Anschlagschaft. Eine 3D-gedruckte Schulterstütze, mit der ein Sportschütze seine Pistole in eine Art Gewehr umbauen kann. Mit diesem Produkt steht Stefan Thumann Anfang 2023 an seinem Stand auf der Sicherheitsmesse EnforceTac in Nürnberg, als eine Gruppe Messebesucher besonderes Interesse zeigt. Es handelt sich um Vertreter der ukrainischen Nationalpolizei auf der Suche nach moderner Ausstattung für ihre Beamten. Thumanns Produkt überzeugt die Ukrainer, sie geben eine größere Bestellung auf. Und damit geht alles los.
Erst 3D-Druck, dann eigene Drohnen
Die Ukraine ist im zweiten Kriegsjahr und über seine neuen Kontakte erreichen Thumann immer mehr Anfragen, auch von der Armee. Ob Donaustahl mit seinen 3D-Druckern auch andere Ausrüstung herstellen könne? Thumann lässt sich nicht lange bitten, druckt eintausend Ampullenträger, mit denen Sanitäter an der Front Morphium und Adrenalinampullen bruchsicher transportieren können, und liefert diese innerhalb von drei Wochen in die Ukraine. Danach Feldeinsatzkits, um Starlink-Terminals in den nassen Schützengräben vor Schmutz und Schlamm zu schützen, wieder tausend Stück. Schließlich Strukturteile für Drohnen – die wichtigste Waffe der Ukraine gegen die russischen Panzer.
500 "Mäuse" pro Tag
Anfangs macht Thumann alle Lieferungen kostenlos, er will die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf unterstützen. Doch er ist nicht zufrieden mit dem Design der Drohnen-Teile, die er drucken soll – und beschließt kurzerhand, seine eigene Kampfdrohne zu entwickeln. Aus dem Sportschützenausstatter Donaustahl wird ein Rüstungsunternehmen, die Drohne kriegt den Namen "Maus" - eine Anspielung an Leopard und Marder. Über 500 Stück pro Tag will Thumann in Zukunft produzieren.
Billige Kamikazedrohnen haben sich zu einer der wichtigsten Waffen der Ukraine entwickelt - und der Bedarf ist enorm: bis zu 60.000 Drohnen pro Monat. Hunderte kleine Werkstätten haben sich in dem Land etabliert, doch deren Produktionskapazitäten sind begrenzt. Die Maus könnte eine wichtige Hilfe sein, denn sie ist in der Produktion weit günstiger als vergleichbare Modelle anderer Hersteller.
Der Herstellungs- und Ausfuhrgenehmigung, die Donaustahl jetzt vom Wirtschaftsministerium erhalten hat, liegt eine Bestellung über eine größere Menge "Maus"-Drohnen durch die ukrainische Eliteeinheit "Kraken" zugrunde. Die Einheit ist direkt dem ukrainischen Geheimdienst unterstellt und gilt als eine der besten Drohneneinheiten der Ukraine. Die Soldaten sollen die deutsche Drohne nun auf Einsatzfähigkeit und Effektivität in der praktischen Anwendung prüfen.
Twitter-Promo durch Memes
Dass ein Start-up mit nur wenigen Angestellten und vergleichsweise geringem Budget sich überhaupt um eine Kriegswaffengenehmigung bemüht, ist eher ungewöhnlich. Die damit verbundene Bürokratie können große Firmen wie Rheinmetall leichter bewältigen. Doch Stefan Thumann genießt den Start-up-Status und die damit verbundene Agilität: "Wir können zum Beispiel auf Social Media einfach Marketing machen, das sich Rheinmetall nicht leisten könnte." Auf Twitter postet Thumann viele Memes, ist Teil einer Online-Szene, die mit Humor und Ironie für die Ukraine eintritt. "Wir sprechen die Sprache, wir sprechen den Humor. Wir können lustige Dinge machen, die Rheinmetall nie machen könnte. Rheinmetall kann keine Memes raushauen, das funktioniert nicht."
Mit Humor gegen russische Desinformation
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor über zwei Jahren hat sich in sozialen Netzwerken wie X eine starke Opposition formiert, die unter dem Oberbegriff "Nafo" mit Humor und Memes gegen russische Desinformationskampagnen eintritt sowie Unterstützungsaktionen für die Ukraine koordiniert. Auch Niklas Wenzel, ein Medienstudent aus Mainz, ist in der Szene aktiv. Gemeinsam mit seinen Twitter-Followern hat er bislang etwa 17.500 Euro gesammelt, um die Ukraine zu unterstützen.
Für ihn sind Memes eine Form der politischen Kommunikation: "Memes sind ein Weg, um politische, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen. Die Zuspitzung eines Memes ist letztendlich nichts anderes als ein pointiertes Statement." Russische Akteure und deren Multiplikatoren seien nicht an ernsthaftem Dialog interessiert, sondern verbreiteten schamlose Propaganda, die eine ernsthafte Auseinandersetzung unmöglich mache. "Deshalb ist es wichtig, mit Ironie, Gehässigkeit, Humor und klaren Aussagen die Stirn zu bieten."
Auch die Bundeswehr zeigt Interesse
Die Twitter-Präsenz hat unerwartete Nebeneffekte. Schon länger ist nicht mehr nur das ukrainische Militär an der Drohne von Donaustahl interessiert, sondern auch die Bundeswehr. Mehrere hochrangige Militärs und Generäle folgen Thumann laut eigener Aussage auf der Kurznachrichtenplattform. "Wenn man jetzt gerade Kontakt mit Behörden hat und die dann am Ende des Gesprächs sagen 'Sie sind ja tatsächlich so witzig wie auf Twitter' – da haben wir schon einen gewissen Vorteil."
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