Sollte man Künstliche Intelligenz für etwas benutzen, nur, weil sie es nun einmal kann? Diese Frage stellt sich in Zeiten von fortgeschrittenen KI-Systemen immer öfter. Programme wie Midjourney können mittlerweile Bilder und Grafiken jeder Art erstellen, KI-Chatbots wie Claude können Texte schreiben, die klingen, als hätte ein Mensch sie geschrieben.
Doch als die Macher des Horrorfilms Late Night with the Devil einige KI-generierte Grafiken in ihren Film einbauten, bekamen sie es mit einem kleinen Shitstorm zu tun. Die KI-Bilder seien ein "unverschämter Versuch, Menschen weniger für ihre Arbeit zu bezahlen", schrieb ein Nutzer auf X. Der Film wurde trotzdem zum Erfolg. Doch es zeigt sich immer öfter: KI und Kunst gehen nicht immer leicht zusammen.
Sorge um arbeitende Künstler
Die Sorge um KI in Kunst und Kultur hat wohl viele Ursachen. Eine liegt wohl darin, dass viele KI als Bedrohung wahrnehmen. "KI verstärkt einen Trend, der aktuell schon besteht", erklärt die Philosophin Dorothea Winter, die vor Kurzem das Buch "KI, Kunst und Kitsch" (externer Link) veröffentlicht hat. "Und zwar sehe ich eine Riesengefahr für die breite Masse an Menschen, die aktuell ohnehin mehr schlecht als recht von ihrer Kunst leben kann."
Betreffen könnte das vor allem unbekanntere Künstlerinnen und Künstler, die jenseits der großen Galerien und Ausstellungen im Grafikdesign oder als Synchronsprecher arbeiten oder die Texte schreiben. Bei solchen Aufgaben könnte in Zukunft immer öfter KI zum Einsatz kommen.
🎧Wie verändert KI unser Leben? Und welche KI-Programme sind in meinem Alltag wirklich wichtig? Antworten auf diese und weitere Fragen diskutieren Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub jede Woche in Der KI-Podcast – dem Podcast von BR24 und SWR.
Erste Streiks gegen KI
Aktuell sind die meisten KI-Programme noch nicht gut genug, um menschliche Jobs tatsächlich zu ersetzen. Doch in einigen Branchen zeigt sich bereits der Einfluss von KI-Programmen – insbesondere im Grafikbereich. Eine Untersuchung des amerikanischen Technologie-Magazins Wired enthüllte kürzlich (externer Link), dass KI in der amerikanischen Videospielindustrie eine immer größere Rolle spielt. Dort übernimmt die KI immer öfter Aufgaben, die vorher an "Concept Artists" oder Marketingdesigner fiel.
In den Vereinigten Staaten kommt es deshalb immer wieder zu Auseinandersetzungen. Zuletzt hat die mächtige Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA dazu aufgerufen, Videospielentwickler zu bestreiken. In den Verhandlungen haben die Videospiel-Häuser keinen ausreichenden Schutz vor der Bedrohung durch KI zusichern können.
Eine Lösung für die Zukunft?
Heikel wird die Nutzung von KI auch deswegen, da KI-Modelle wie Midjourney mit großen Datenmengen "echter" Künstler trainiert wurden. Es ist also denkbar, dass ein Designer mit ansehen muss, wie die Preise in seiner Branche durch eine KI gesenkt werden, die ohne sein Einverständnis mit seiner eigenen Kunst trainiert wurde.
Einige Künstlerinnen und Künstler fordern deshalb eine Reform des Urheberrechts. Ein neues System, angelehnt an VG Wort und VG Bildkunst, könnte die Urheber von Kunstwerken für ihre Arbeit entlohnen, wenn diese fürs Training von KI verwendet werden. Im Moment ist das aber noch Zukunftsmusik. Ein solches System existiert noch nicht.
KI kann alleine keine Kunst sein
Philosophin Dorothea Winter warnt aber auch davor, KI zu überschätzen: "Ein KI-generiertes Bild ist eine schöne technische Spielerei und es gibt sicher auch viele Anwendungen dafür", sagt sie. "Aber es ist eben kein Kunstwerk."
Winter glaubt, wir müssen die Rolle von Kunst in der Gesellschaft in Zeiten der KI neu denken: "Für viele Bereiche brauchen wir keine 'genuine' Kunst. Im Wartezimmer beim Arzt ist es relativ egal, ob da ein KI-Werk hängt oder nicht. Aber wenn ich auf der Biennale bin, dann möchte ich nicht einfach nur irgendwelche geprompteten Bilder sehen."
Für Dorothea Winter könnte KI in Zukunft auch zum wichtigen neuen Werkzeug für viele Künstler werden. Aber: "Es geht nie ohne die Schleife Mensch. Es muss irgendeine Art von menschlichem Künstler am Anfang stehen, der eben sagt, ich mache jetzt ein Kunstwerk." Gerade in Zeiten der KI könnten die Menschen hinter den Kunstwerken deshalb nur umso wichtiger werden. "Es geht im Museum ja nicht nur um das Gemälde selbst", sagt Winter. "Ich möchte ja auch wissen, wer das gemalt hat und warum er es gemalt hat."
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