Christoph Winterling
Bildrechte: FC Bologna

"Es gibt Unterschiede in der Lebensweise" – Christoph Winterling kennt beide Welten: die der Franken und die der Italiener.

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Bologna statt Kirchenlamitz: Ein Oberfranke im Profifußball

Er stammt aus einer Unternehmerfamilie aus Oberfranken, jetzt arbeitet er bei einem Profifußballverein: Christoph Winterlings Werdegang führt von Hof bis zum FC Bologna, mit dem er demnächst auf internationaler Bühne steht. Ein Porträt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Als er Anfang der 1990er Jahre für den FC Bayern Hof auf dem Platz stand, war Christoph Winterling vielleicht eines der größten Talente des Traditionsclubs. Die Gelb-Schwarzen waren damals in der Bayernliga – was jetzt mit der 3. Liga zu vergleichen ist. Wenn die Münchner Löwen vom TSV 1860 dort zu Gast waren, strömten bis zu 10.000 Zuschauer auf die "Au", wie man das altehrwürdige Stadion noch immer nennt. Aber damals wurde nicht nur dann die Stimmung angezündet, wenn Traditionsteams aufliefen. Die Luft brannte bei jedem Heimspiel – allerspätestens dann, wenn es eng wurde. Und Christoph Winterling war mit damals 19 Jahren mittendrin.

Großes Talent mit Verletzungssorgen

Aus der A-Jugend schaffte er direkt den Sprung in die erste Mannschaft. Winterling: Ein großer, technisch starker offensiver Mittelfeldspieler mit Übersicht. Mit der großen Karriere als Fußballer wurde es aber nichts, denn Christoph Winterlings Gelenke gehorchten ihm nicht so wie das runde – damals noch – Leder: Seine Knie erwiesen sich ebenso zerbrechlich wie das Porzellan des gleichnamigen Familien-Unternehmens aus Kirchenlamitz im Landkreis Wunsiedel. Damals republikweit der zweitgrößte Hersteller des weißen Goldes, aus dessen Familie Christoph Winterling stammt. Viele Meniskusverletzungen zwangen das Talent, mit dem Leistungssport aufzuhören.

Studium in München, Einstieg ins Sportgeschäft

Christoph Winterling stellte sich dennoch eine Karriere im Profifußball vor. Wenn schon nicht auf, dann eben neben dem Platz. Und aus dieser Vorstellung reifte ein Plan. Man könnte sagen, auf dem zweiten Bildungsweg. Das Abi hatte er in Wunsiedel gemacht und in der Tasche. Was folgte, war eine Banklehre in Nürnberg, ein Studium in München und dann der Einstieg ins Sportbusiness. Geordneter Spielaufbau. Und dann macht Winterling das Spiel schnell und zieht vors Tor: Er läuft für eine Vermarktungsagentur aus Hamburg auf, die unter anderem den 1. FC Nürnberg im Kundenstamm hatte.

2009 folgt dann der Wechsel nach Italien. Ein großer deutscher Sportartikelhersteller eröffnete ihm diese Chance jenseits des Brenners. Von nun an machte er das Spiel dort, startete in Mailand. Dann der Wechsel zu einem Fußball-Club: Die AS Roma verpflichtete ihn als Leiter für das Marketing. Aus Kirchenlamitz in die Kapitale Italiens, in die Ewige Stadt, zu einem absoluten Traditionsverein, bei dem einst Rudi Völler zum Publikumsliebling avancierte und später – als Winterling dort war – Francesco Totti zum Superstar wurde.

Arrivederci Roma – Ciao Bologna

Und dann der nächste Karriereschritt: Von Rom geht die Reise nach Bologna. Klingt erst mal nach einer Nummer kleiner, was rein von der Einwohnerzahl her gesehen auch stimmt. Und der Fußball aus der Hauptstadt der Emilia-Romagna stand landesweit auch längst nicht so hoch im Kurs wie der der Roma, und ist, als Winterling dorthin wechselt, sogar zweitklassig. Doch das zu ändern, war genau der Plan.

Winterling wird 2014 von den neuen Club-Besitzern des FC Bologna, die schon bei der Roma mit das Sagen hatten, nach Bologna geholt, bekommt dort noch mehr Verantwortung als in der Hauptstadt. Seine Position: Direttore Marketing & Sales, also Direktor für Marketing und Vertrieb. Dazu kümmert er sich um alle Dinge, die in Zusammenhang mit dem Stadio Dall’Ara stehen, in dem die "Rossoblu", wie man das Team in der Stadt nennt, spielen und das im Besitz der Stadt ist.

Mit dem FC Bologna in die Champions League

In seiner Funktion gehört Winterling zu den führenden Köpfen in der Organisation. Ein Verein, wie es in Deutschland die eingetragene Vereine sind, ist der FC Bologna nicht. In Italien ist der Profifußball anders organisiert als in Deutschland. Das Ziel, den Traditionsverein zunächst in die Serie A – die erste italienische Liga – zu führen und dann dort zu stabilisieren, war für ihn so reizvoll, um Rom den Rücken zu kehren.

Nach zehn Jahren in der "Citta Rossa" kann er wie auch der FC Bologna mit Stolz sagen: Mission erfüllt! Mehr sogar noch, denn alle – Team, Trainer, Staff und Führung – haben mehr geschafft, als sie sich eigentlich vorgenommen hatten: Am Ende der jüngsten Spielzeit, in der Bologna mit Ballbesitzfußball und vielen Toren überzeugte, stand die Qualifikation für die Champions League. Jetzt könnte es zu Spielen gegen Bayern München, Real Madrid oder Manchester City kommen.

Deutschland-Rückkehr "aktuell nicht vorstellbar"

Nach mittlerweile 15 Jahren fühlt sich Winterling in Italien längst pudelwohl, spricht selbstverständlich fließend die Sprache, ist ein großer Freund des Lebensstils und der italienischen Küche. Italien: Es ist die aktuelle Heimat und auf das gesamte Leben des 51-Jährigen gesehen die zweite Heimat des Oberfranken. "Aktuell kann ich es mir nicht vorstellen, nach Deutschland zurückzukehren", sagt er. Winterling sagt aber auch, dass er immer wieder gerne zu Besuch in Deutschland, Bayern oder Franken ist. Um Familie oder Freunde zu treffen. Manchmal auch beruflich.

Was er an Deutschland schätzt? "Vieles natürlich! Aber insgesamt kann ich schon sagen, dass die Pünktlichkeit größer ist", schmunzelt er. "Das war zwar eher ein Thema in Rom. In Bologna haben die Leute die Uhr schon besser im Blick. Aber manchmal ist das nicht ganz einfach." Und was er an Italien schätzt? "Dass insgesamt die Menschen mehr Lebensfreude versprühen." Winterling sagt: "Es gibt schon Unterschiede in der Lebensweise. In beiden Ländern gibt es viel Gutes und natürlich auch das ein oder andere, an das man sich gewöhnen oder womit man klarkommen muss. Ich finde: Wenn man beide Lebensarten zusammenwirft und sich die guten Sachen davon rausnimmt, hat man so etwas wie einen 'best case'." Er muss es wissen. Schließlich ist er ein Mann beider Welten.

Winterlings Wunsch: Ein deutscher Gegner in der Königsklasse

Von seinen Kolleginnen und Kollegen wird er manchmal scherzhaft "il tedesco" genannt – also der Deutsche. Und was hat er aus seiner Zeit im Familien-Unternehmen mitgenommen? "Ich habe, als ich jung war, bei uns im Unternehmen gearbeitet und dort gelernt, wie ein Unternehmen funktioniert. Das ist etwas, was mir bis heute hilft." Was er sich – zumindest sportlich – für die nächste Zeit wünscht? "Es wäre klasse, wenn wir mit dem FC Bologna in der Champions League auf ein deutsches Team treffen würden!" Viele Wünsche sind im Leben von Christoph Winterling wahr geworden. Er hat aber auch sehr viel dafür getan und mit enormem Ehrgeiz dafür gearbeitet. Im Falle der Champions League ist er auf das Losglück angewiesen.

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